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Größtes Event für Innovationen der Baumpflege

Die Deutschen Baumpflegetage 2023 – die dreitägige Tagung feierte ihr 30-jähriges Bestehen. Foto: C. Föste

Zum ersten Mal in der Geschichte der Deutschen Baumpflegetage musste der Ticketshop geschlossen werden. Zu groß war die Nachfrage an einem Ticket für die dreitägige Veranstaltung. Damit habe keiner gerechnet, so die Veranstalter. Die Tagung – eine Kombination aus Messegelände mit Außenbereich, einem Forum für Fachvorträge und einem Forum, in dem Klettertechniken live vorgeführt werden können – habe sich damit in den letzten 30 Jahren stark vergrößert. Bei der ersten Messe, die 1993 stattfand, kamen lediglich 100 Besucherinnen und Besucher. Mittlerweile ist mehr daraus geworden: Kletterpraxis, Baumpflege und Stadtplanung kommen zusammen. Das Planungsteam ist ganzjährig im Einsatz, um dieses dreitägige Format auf die Beine zu stellen. Aus einem großen Themenpool solle dabei immer ein Konzept mit einem roten Faden sichtbar werden, so die Veranstalter.

„Zum ersten Mal mussten wir den Ticketshop schließen. Wir freuen uns, dass so viele gekommen sind.“

Dirk Dujesiefken

30. Deutsche Baumpflegetage

Dr. Steffen Wiebe, studierter Förster mit Zusatzausbildungen in der Baumpflege, Klettertechnik und Saatgut-ernte, gab 1993 den Gründungsanstoß für das heutige Format der Deutschen Baumpflegetage. Damals noch unter dem Namen „Augsburger Baumpflegetage“ wuchs die Veranstaltung stetig und zog bald internationale Branchenvertreter an.

V. l.: Prof. Dr. Dirk Dujesiefken, Irina Kaths-Knigge, Thomas Amtage und Marc Bridge. Die Veranstalter ergänzten das Programm in diesem Jahr mit Informationen zur Entwicklung der Tagung in den letzten 30 Jahren.

Seit 2006 ist die Veranstaltung unter ihrem neuen Namen bekannt. Nachdem Wiebe bereits Ende 1994 verstarb, leitet Prof. Dr. Dirk Dujesiefken, Gründer des Instituts für Baumpflege, seit Anfang 1995 die Tagung. Er sollte die Veranstaltung nach Wiebes Vision weiterführen und „den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Möglichkeit geben, ihr Fachwissen aufzufrischen und außerdem Entscheidungshilfen zu strittigen Fragen rund um die Baumpflege liefern. […] Mein Ziel ist, dass die Veranstaltung nicht als ‚Lager‘ einer der diskutierenden Parteien, sondern als ihr gemeinsames Forum gesehen wird“, sagte Wiebe damals.

Heiner Baumgarten, ehemaliger Präsident der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz (GALK) e. V., reflektierte die letzten 30 Jahre in seinem Vortrag im Fachforum – in Bezug auf die Tagung und die Entwicklungen im Bereich Stadtgrün. Bei allen Herausforderungen sei es stets die Aufgabe gewesen, entgegenzuwirken. Als Meilensteine nannte er u. a. die Kooperation mit der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (FLL), die Erfindung der „Hamburger Schnittmethode“ und die Gesetzesanpassungen im Bereich Baumpflege und Artenschutz (Bundesnaturschutzgesetz §39 und §44). Wie es jetzt weitergeht? Der Austausch über wissenschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungswerte bleibe wichtig, genauso wie der Blick auf Schädlinge und Klimawandel-Problematiken. Sein Statement: Es brauche klare Botschaften. „Eine Klimastadt lebt nicht ohne Grün und Bäume.“

Um dem wachsenden Zuspruch und dem Wunsch der Branche nach Austausch gerecht zu werden, gab es in den Reihen der Veranstalter seither weitere Umstrukturierungen. Neben der Messe und einer Plattform für Fachinhalte entstand 1999 auch das Kletterforum, initiiert durch Kai Busemann, Baumpflegeteam Busemann. Die Baumpflegetage zogen auf das Messegelände in Augsburg um, der organisatorische Aufwand entwickelte sich weiter und 2021 kam der zweite Geschäftsführer der Deutschen Baumpflegetage, Thomas Amtage, amtage Landschaftsarchitektur und Sachverständigenbüro, mit ins Team. Die Veranstaltung soll auch in Zukunft ein für alle Interessen der Baumpflege offenes Forum bleiben.

Einige Vorführungen füllten alle Plätze des Kletterforums. Seit 1999 besteht diese Halle, in der Arbeitssicherheit und -techniken über Vorträge und Klettervorführungen veranschaulicht werden.

Sicherheit im Baum geht vor

Neben dem diesjährigen Jubiläum der Veranstaltung standen wieder vielseitige Themen rund um die Baumpflege selbst im Vordergrund. Von Gehölzgutachten bis zur Arbeitssicherheit. In der Vergangenheit war und ist auch in der Zukunft die Arbeitssicherheit ein wichtiges Thema, das im Kletterforum in mehreren Vorträgen und Klettervorführungen veranschaulicht wurde. Dazu wurden sowohl sichere Kletter- und Rettungstechniken vorgeführt als auch Statistiken und konkrete Unfall-Beispiele diskutiert.

V. l.: Peter Vergote und Lucas Godts aus Belgien zeigten im Kletterforum schrittweise, wie eine sichere Rettung in verschiedenen Situationen im Baum zu meistern ist.

Schriftliche Gehölzgutachten

„Die Sprache ist das Werkzeug der Gutachtenerstellung“, so Prof. Dr. Dirk Dujesiefken in seinem Vortrag über Anforderungen an schriftliche Gehölzgutachten. Korrekt, nachvollziehbar und nachprüfbar sollen sie sein. „Wir müssen uns von der eigenen Fachsprache lösen und uns bemühen, es so klar verständlich wie möglich zu formulieren“, betonte er weiter. Was nicht immer einfach sei, da das Gutachten nachprüfbar sein muss. Sprich, nicht nur für das Gericht, auch für Fachleute sowie für Laien muss das Gutachten im Ergebnis richtig, zugleich ausreichend begründet und nachvollziehbar sein. Dujesiefken, der selbst seit 1990 öffentlich bestellter Sachverständiger ist, ging in seinem Vortrag Stück für Stück die Anforderungen an Sachverständige und Gutachten durch. In einer „Leitlinie“ formulierte er eine Art Checkliste, vom Deckblatt über das Inhaltsverzeichnis, den Anlass und Zweck des Gutachtens, das Material und die Methoden bis hin zum Ergebnis und zur Zusammenfassung. Im Grundsatz hob der Redner hervor, dass die Gutachten systematisch aufzubauen, übersichtlich zu gliedern und auf das Wesentliche zu beschränken seien. Als Literaturtipp gab er den Zuhörenden das Standardwerk „Praxishandbuch Sachverständigenrecht“ (Bayerlein, Bleutge, Roeßner; Verlag C. H. Beck) mit auf den Weg. Eine Zusammenfassung (mit der „Checkliste“) des Vortrags findet sich auch im Jahrbuch der Baumpflege 2023.

Schwerpunktthemen waren in diesem Jahr außerdem Wasserknappheit für Stadtbäume und Zukunftskonzepte wie die Schwammstadt. Die Zukunft bringe Sorgen um Stadtbäume im Klimawandel mit sich. So waren zukunftsfähige Konzepte Inhalt vieler Fachvorträge in diesem Jahr.

Das Prinzip Schwammstadt

Beim Schwammstadtprinzip handelt es sich um ein ganzheitliches Konzept, das darauf abzielt, Regenwasser in Städten effizienter zu speichern und zu nutzen. Das gespeicherte Wasser kann sowohl der Kühlung im städtischen Raum dienen als auch für die Bewässerung von Stadtbäumen Verwendung finden. Insbesondere im Klimawandel werden solche Konzepte immer wichtiger. Deshalb war im Rahmen der Fachtagung am 26. April ein ganzer Tag dem Themenkomplex „Schwammstadt“ gewidmet.

In den Fachvorträgen drehte sich in diesem Jahr vieles um das Themenfeld Bäume und Wasser. Aber auch Baumschutzsatzungen und Gehölzgutachten wurden thematisiert.

Den Auftakt machten Gerhard Doobe von der GALK aus Hamburg und Dr. Markus Streckenbach, Baumsachverständiger aus Bochum. In ihrem Vortrag „Bäume unter Wasser – ein kritischer Blick auf Baumstandorte mit Rigolenfunktion“ stellten sie heraus, wie entscheidend die frühe Wurzelentwicklung für Stadtbäume ist. Hier bieten laut der Referenten Rigolensysteme aus Skeletterden die richtigen Voraussetzungen. Sie dienen nicht nur als Pufferspeicher für Luft und (Regen-)Wasser, sondern bieten auch den Baumwurzeln ausreichend Raum, sich gesund zu entwickeln. „Das sind die Lebensgrundlagen des Baums, die für ihn (an einem Standort) verfügbar sein sollten“, führte Streckenbach aus. Es sei entscheidend, dass das Wasser den Baumstandort vollständig durchlaufen kann, damit die Wurzeln angeregt werden, in die Tiefe zu wachsen. Skeletterden würden einen solchen langsamen Durch- und Ablauf von Niederschlagswasser in tiefere Bodenschichten ermöglichen. Problematisch sah Streckenbach hingegen die Nutzung von Oberflächenwasser zur Bewässerung von Stadtbäumen, da dieses Wasser oftmals schadstoffbelastet ist. Hierbei spiele nicht zuletzt Streusalz eine entscheidende Rolle. Der Salzeintrag in die Baumstandorte schädige die Pflanzen nachhaltig, da sich das Salz in allen Baumteilen nach und nach anreichert und dort toxische Wirkungen entfaltet. Der Schlüssel liege demnach, so Streckenbach, in der effektiven Verminderung der Streusalzeinträge aus dem Straßenverkehr. Der Einsatz von Regenwasser sei eine gute Alternative zum Oberflächenwasser, doch läuft die Erschließung von Niederschlagswasser – z. B. in Form von unbelasteten Dachabwässern – für die urbane Baumbewässerung bislang nur schleppend an, beschrieb Streckenbach die aktuelle Situation. Er gab abschließend zu bedenken, dass ein effektiver Beitrag von Baumstandorten zum Schwammstadtprinzip nur dann erbracht werden könne, wenn diese „so angelegt werden, wie es die baumfachlichen Regelungen bereits heute vorsehen“. Dies gelte auch für die Neupflanzung von Bäumen.

Am Nachmittag widmeten sich die Fachvorträge einem städtischen Wassermanagementmodell aus Schweden. Das sogenannte Stockholmer System ist ein inzwischen auch außerhalb Schwedens angewandtes Modell des Baum- und Regenwassermanagements im Stadtbereich und wurde von Britt-Marie Alvem von der Stadt Stockholm vorgestellt. Vor 20 Jahren habe sich die Stadt bereits gefragt, wie Wasser, Luft und Platz in Bezug auf ihre Nutzung durch Bäume zusammengebracht werden können. Neben den baulichen Aspekten thematisierte sie auch Substrate. In Stockholm experimentiere man dazu bereits mit Kompost und Mykorrhiza-Pilzen.

Auch das von der HafenCity Universität Hamburg entwickelte Modell der „BlueGreen-Streets“ wurde vorgestellt. Darin geht es um die angepasste Planung im Bau- und Straßenbereich, um Regenwasser an Baumstandorten managen zu können. Das Projekt sei eine Toolbox, die Stadtbegrünung und Wasserwirtschaft zusammenbringt. Daraus entstanden ein Praxisleitfaden und Steckbriefe für Straßenbaumodelle. In seinem Vortrag betonte Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Dickhaut, „Umweltgerechte Stadt- und Infrastrukturplanung“ an der HafenCity Universität Hamburg, dass Wasserrückhalt, -speicherung, -verdunstung und -versickerung zusammen gedacht werden müssen. Wasserableitungsprinzipien dürfen nicht mehr die Regel sein, so der Forscher. Auch Baumrigolen wurden im Zusammenhang mit der Wasserverfügbarkeit in Städten mehrfach thematisiert.

Alle Formate kommen gut an

Wie wichtig wissenschaftliche Erkenntnisse für die Veranstalter der Deutschen Baumpflegetage sind, zeigte sich auch daran, dass die Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) auch in diesem Jahr wieder Fachpartner war. Die Idee für den Studiengang „Arboristik“ ist den Partnern auf der Tagung gekommen, ein weiterer von Baumgarten herausgestellter Meilenstein der letzten 30 Jahre. Der Studiengang sei „das Kind der Deutschen Baumpflegetage“. Die Ausbildung junger Leute ist Dujesiefken und Amtage besonders wichtig. Auf den Baumpflegetagen seien sie willkommen und können sich dank reduziertem Tagungspreis weiterbilden. Die Veranstalter sehen die Tagung nicht als politisch motiviert, dennoch sei sie eine Plattform, von der aus Informationen und Erfahrungen weitergetragen werden. Das Jahrbuch der Baumpflege, das seit 1997 Teil des Tagungskonzepts ist und allen Besucherinnen und Besuchern an die Hand gegeben wird, sei außerdem eine mögliche Informationsquelle für Entscheider, so Dujesiefken.

Der Außenbereich der Deutschen Baumpflegetage

Nur rund die Hälfte des Publikums sah sich ausschließlich die Messe an. Das zeigte, wie wichtig den Praktikern, kommunalen Mitarbeitern, Landschaftsarchitekten, Wissenschaftlern, Studierenden und an der Branche interessierten Besucherinnen und Besuchern neben der richtigen Ausrüstung, den Fahrzeugen und Hilfsmitteln zur Versorgung von Bäumen auch die eigene Fortbildung und aktuelle Erkenntnisse aus der Wissenschaft sind. Auf einer Feedback-Tafel hinterließen sie Wünsche, darunter Tagungs-Workshops und die Vertiefung des Themas Klimawandel und Aktivismus unter Baumkletterern sowie den Themenkomplex Mitarbeiterführung und Kommunikation.

Die Messehalle der Messe Augsburg wurde von 160 Ausstellern und über 800 Besucherinnen und Besuchern gefüllt. Die Fläche umfasste 8.000 m2.

In der Messehalle zeigten 160 Aussteller, neben den verkauften Tickets ein weiterer Rekord, ihre Produkte für die moderne Baumpflege. Gemeinsame und ehrliche Gespräche über das Für und Wider in der Baumpflegepraxis seien Motor für neue Innovationen, so Dujesiefken. Aber auch für das Miteinander sei die Tagung gut: „Es ist und war schon immer ein großes Familientreffen“, so auch Amtage. Woran das liegt? Es seien die Bäume, die zusammenbringen, sagte Dujesiefken. „Die Baumpflegetage ermöglichen uns, Geschichten zu erzählen und uns zu reflektieren“, ergänzte Marc Bridge, Leiter des Kletterforums und Gründer des Betriebs „Ninja Baumpflege Bridge“. Das spiegelten auch die Aussteller wider – auf keiner anderen Messe sei so fachlich gut informiertes, interdisziplinäres Publikum mit konkreten Anforderungen an ihre Ausstattung unterwegs. Die Veranstalter freuen sich schon jetzt auf weitere erfolgreiche Jahre der Deutschen Baumpflegetage. Im nächsten Jahr sollen sie vom 23. bis 25. April in Augsburg stattfinden. Dabei wird voraussichtlich das Thema „Schäden an Bäumen auf Baustellen“ in Anlehnung an die Schwammstadt weiter vertieft.

Auch Praxisvorführungen wie diese Bodensanierung wurden auf den Deutschen Baumpflegetagen geboten.

Effizienz und Ergonomiesind wichtig, aber Sicherheit geht immer vor

Carsten Beinhoff, Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG), stellte am zweiten Veranstaltungstag Unfallstatistiken vor und rief seinen Zuschauerinnen und Zuschauern die Aktualität des Themas ins Gedächtnis: „Die eigene Unverletzlichkeit gibt es nicht – es kann jedem passieren.“ Er zeigte anonymisierte Unfallbeispiele vor, sowohl erfahrene als auch unerfahrene Kletterer waren betroffen. Fehlender Halt, Unachtsamkeit und Ausrutschen seien die häufigsten Auslöser für Unfälle bei Baumpflegearbeiten im Baum. „Es ist wichtig, dass Arbeitsteams aufeinander aufpassen.“ Auch sei es wichtig, mit zwei Systemen zu klettern, wenn dadurch keine weiteren Gefahren entstehen. Außerdem seien Rettungsübungen wichtig, damit Kletterer sensibilisiert sind und im Falle eines Unfalls richtig reagieren können. Auch Methoden für sicheres Arbeiten im Baum wurden in mehreren Vorträgen erläutert und praktisch im Baum gezeigt. Neben der Sicherheit seien Ergonomie und Effizienz die beiden weiteren Aspekte bei der Frage nach der richtigen Technik. Auch Rettungsabläufe wurden thematisiert, um den Blick des Publikums im sicheren Rahmen der Tagung zu schärfen.

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