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Kinder, Küche, Kälber – das war einmal

Vier starke Frauen, die in der Landwirtschaft ihren Mann stehen: Renate Benne, Astrid Hatzel, Irina Prem und Mona Ditterich (v.l.n.r.).

Landwirtschaft ist nach wie vor eine Domäne der Männer. Kinder, Küche, Kälber – so klein war lange Zeit die Welt der Frauen, zumindest auf westdeutschen Familienbetrieben. Doch auch in der Landwirtschaft schwinden alte Rollenbilder. Wie ist es heute um die Gleichstellung der Frau auf den Höfen bestellt? Wir haben vier Landwirtinnen zu einem Runden Tisch nach Oberfranken eingeladen.

Die vier Frauen könnten unterschiedlicher nicht sein. Astrid Hatzel hat schon zu DDR-Zeiten eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) in Thüringen geleitet und ist bis heute Betriebsleiterin einer Agrargenossenschaft. Irina Prem trägt Punkfrisur, fuhr mit dem Traktor zur Bauerndemo und ist Betriebsleiterin auf einem Milchviehhof in Niederbayern. Renate Benne hat 1983 einen schwäbischen Bauern geheiratet und steht kurz vor der Rente. Die Jüngste im Bunde ist Mona Ditterich. Sie wird bald den Hof der Eltern übernehmen.

Renate Benne, 65

Renate Benne kümmert sich im Familienbetrieb um das Agrarbüro und die Kälberhaltung.

Kinder: zwei Söhne (38 und 36 Jahre)

Ausbildung: Steuerfachangestellte (1975); Meisterin Ländliche Hauswirtschaft (1992)

Tätigkeit/Funktion: Agrarbüro, Melken, Kälberhaltung

Betriebsform: Familienbetrieb mit Milchviehhaltung

Betriebsangaben: 300 ha, 80 Kühe, Biogasanlage (850 kW)

Betriebsstandort: Frittlingen, Baden-Württemberg

Mona Ditterich, 24

Mona Ditterich ist gelernte Landwirtin.

Kinder: keine

Ausbildung: gelernte Landwirtin (2019)

Tätigkeit/Funktion: Ackerbau und Agrarbüro (Angestellte; Hofübergabe geplant)

Betriebsform: Familienbetrieb, Ackerbau und Forst

Betriebsangaben: 30 ha, Forstbetrieb mit 6 Angestellten

Betriebsstandort: Wolfsmünster, Unterfranken

Astrid Hatzel, 61

Astrid Hatzel ist Geschäftsführerin und Vorstandsvorsitzende einer Agrargenossenschaft.

Kinder: eine Tochter (38 Jahre)

Ausbildung: Diplom-Agraringenieurin (1985), Betriebswirt VWA (1996)

Tätigkeit/Funktion: Geschäftsführerin und Vorstandsvorsitzende einer Agrargenossenschaft

Betriebsform: Unternehmensverbund von drei Agrarbetrieben

Betriebsangaben: 2.850 ha, 2.500 Rinder, 700 Schafe und 40 Ziegen, 42 Angestellte

Betriebsstandort: Schmalkalden, Thüringen

Irina Prem, 41

Irena Prem ist ausgebildete Energieelektronikerin und leitet einen Stall in Niederbayern.

Kinder: zwei Töchter aus erster Ehe (13 und 9 Jahre), ein Sohn (6 Jahre)

Ausbildung: Energieelektronikerin (2003)

Tätigkeit/Funktion: Betriebsleiterin Stall

Betriebsform: Familienbetrieb, Ackerbau, Milchviehhaltung und -zucht

Betriebsangaben: 115 ha, 115 Kühe, 115 Jungvieh

Betriebsstandort: Schwarzach, Niederbayern

Als Frau in einer klassischen Männerdomäne, da braucht man bei Zeiten ein dickes Fell. Stimmt das?

Prem: Ja, in einer Männerdomäne braucht man auf jeden Fall ein dickes Fell, zumindest am Anfang. Der Vertreterbesuch am Hof, das ist so ein klassisches Beispiel. „Ist der Chef da?“ Das ärgert mich schon.

Hatzel: Ich denke, man darf nicht zu zart beseitet sein, denn der Umgangston in der Branche ist rau und man muss auch mal mit einem dreckigen Witz klarkommen. Und man muss die Dinge, die man will, durchsetzen. Das ist ein gravierender Unterschied zum Mann. Wenn ein Mann über den Hof läuft und schreit: „Ich schmeiß euch alle raus!“, dann wird das gut geschluckt, aber wenn das eine Frau macht, heißt es, die Frau hat einen Schatten. Eine Frau braucht nicht unbedingt ein dickeres Fell, aber sie muss, wenn sie etwas erreichen will, härter sein. Das ist meine Erfahrung.

Von 341.000 Frauen, die in der deutschen Landwirtschaft arbeiten, sind nur 10 Prozent in leitender Funktion tätig. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Hatzel: Meiner Meinung nach ist es so, dass ein Großteil der Frauen sagt: „Nein, die Verantwortung möchte ich nicht.“ Das gleiche Problem hatten wir damals schon in der DDR. Warum sind so wenig Frauen in Führungspositionen? Und es lag nicht immer daran, dass die Männer sie nicht gelassen haben. Ich bin ein erfüllter Parteibeschluss. Ich bin per Parteibeschluss an diese Stelle gesetzt worden. Ich wollte das eigentlich nicht. Eine Diskussion um eine Quote, das hat es damals schon bei uns gegeben.

Benne: Ich glaube, auch von den Ausbildungszahlen sind die Mädchen auf dem Vormarsch. Ich weiß das von unseren Auszubildenden. Die Hälfte der Klasse sind Mädchen. Heute ist auch nicht gesagt, wenn du drei Buben hast, dass einer den Hof übernimmt. Heute sind die Chancen 50 : 50.

Früher haben Frauen in den Betrieb eingeheiratet und dann oft ohne Lohn und finanzieller Absicherung auf dem Hof des Mannes mitgearbeitet. Wie ist das heute?

Prem: Also mein Mann bekommt auch nicht mehr als ich. Auch bei den betrieblichen Entscheidungen sind wir gleichwertig, aber ich habe das auch eingefordert. Ich habe gesagt, ich muss angestellt sein für die Rente und die Sozialversicherung. Wir haben notarielle Verträge, falls meinem Lebensgefährten etwas passiert. Ich habe eine Generalvollmacht sowohl bei der Bank als auch für den Betrieb. Ich kann den Betrieb weiterleiten bis unser gemeinsamer Sohn alt genug ist. Aber viele Frauen machen das nicht. Ich musste das schon einfordern. Von sich aus hätte mein Lebensgefährte das nicht gemacht.

Benne: Bei uns war es so, dass meinem Mann der Betrieb gehörte; mir gehörte nichts. Ich war auch nicht angestellt, ich war einfach da und habe angepackt, wo es nötig war. Wenn ich heute nur von der landwirtschaftlichen Rente leben müsste, dann wäre es schwierig.

Frau Hatzel, sie sind seit 30 Jahren Betriebsleiterin im Osten und leiten in Thüringen einen Betriebsverbund mit insgesamt 2.850 ha. Wie sind ihre Erfahrungen? Wie unterscheidet sich das Rollenbild von Frauen in der Landwirtschaft in den Neuen Bundesländer?

Hatzel: Ich denke, die Unterschiede sind heute gar nicht so groß. Die Voraussetzungen rückblickend waren für uns aber ganz anders. Ich war überrascht, dass es überhaupt einen Unterschied zwischen Mann und Frau geben soll, denn wir haben alle eine Ausbildung gemacht und gingen danach zur Arbeit. Und wie gesagt, ich bin ein erfüllter Parteibeschluss. Es war Ziel von Partei und Regierung, dass mindestens in jedem Kreis eine Frau eine LPG leiten sollte, und mit mir hatten sie den Beschluss erfüllt. Als die Wende kam, habe ich dann gesagt, holt jemand anderen. Ich fühle mich dem nicht gewachsen, da hatte ich 140 Leute im Betrieb. Aber in Genossenschaften wird der Chef ja gewählt, da haben meine Leute mich dann in geheimer, freier Wahl nach der Wende mit über 80 Prozent der Stimmen gewählt.

Wie sehen Sie das, Frau Benne? Sie sind ja aus der gleichen Generation, aber eben aus dem Westen?

Benne: Das ist für mich eine ganz andere Welt. Ich war ja für damals schon eine Frau, die nach vorne ging, ein Revoluzzer sozusagen. Meine Alterskolleginnen, die waren alle im Hintergrund. Die Frauen haben die drei Ks gemacht: Kinder, Küche, Kälber. Die meisten Mädchen hatten ja nicht mal einen Beruf gelernt.

Junge Frauen haben es oft schwer einen Ausbildungsbetrieb zu finden. Versteht ihr Landwirte, denen Jungen lieber als Mädchen sind? Die sagen, schwere körperliche Arbeiten können Jungen besser bewältigen.

Hatzel: Ich bin selber so ein Landwirt. Ich sag‘s ganz ehrlich: Habe ich ein Mädchen oder einen Jungen vor mir sitzen, nehme ich wahrscheinlich lieber den Jungen. Nicht weil ich denke, dass Mädchen schwanger werden, sondern weil Jungen einfach körperlich stärker sind. Aber wenn es um Tiere geht, haben Frauen zu 80 Prozent ein besseres Händchen.

Benne: Bei uns haben sich insgesamt nur zwei mal Mädchen beworben und die haben die Lehrstelle auch gekriegt. Aber mir ging es auch so: Man geht davon aus, dass manche Sachen zu schwer für sie sind. Oder beim Traktorfahren, da fragst du dich, ob die Mädchen das können mit den großen Maschinen? Aber dann können sie es doch. Ja, man hat da schon Vorbehalte.

Ditterich: Ich hatte keine Probleme, eine Lehrstelle zu finden. Mein Chef hat mich mit Kuss- hand genommen. Er hat aber bei manchen Arbeiten gesagt: „Das ist zu schwer.“ Ich hab ihm dann gesagt: „Ich schaff das schon.“ Irgendwann hat er mich dann einfach machen lassen. Aber bei einer Schulkollegin, da hat der Landwirt klipp und klar zu ihr gesagt: „Ich nehme lieber den Bub.“

Benne: Aber es gibt auch Kerle, die einen Hof daheim haben und von den Eltern gedrängt werden, Landwirtschaft zu lernen und dann kommen sie zu dir in die Lehre und haben null Bock.

Ich höre gerade öfter von jungen Agrarfrauen, dass der Landfrauenverband ein altmodisches Bild von Frauen in der Landwirtschaft vermittelt, wie die Kuchen backende Hauswirtschafterin. Was sagen Sie dazu, Frau Benne?

Benne: Das ist mir bekannt. Es gibt auch bei uns noch Ortsverbände, bei denen das so ist. Aber es gibt seit Kurzem extra Gruppen für junge Landfrauen, um dem entgegenzuwirken. Die machen ein eigenes Programm, das junge Frauen anspricht.

Prem: Auch bei uns sind die Landfrauen sehr aktiv. Sie verkaufen bei Veranstaltungen immer Kaffee und Kuchen. Das bin ich einfach nicht. Aber auf mich ist auch noch nie jemand zugekommen.

Benne: Aber in Bayern ist doch die Frau von jedem Bauernverbandsmitglied automatisch Mitglied bei den Landfrauen.

Prem: Das wusste ich gar nicht, aber vielleicht liegt das auch daran, dass wir nicht verheiratet sind.

Hatzel: Der Landfrauenverband war für mich keine Option. Ich bin im Thüringer Bauern- verband aktiv.

Benne: Aber das ist auch wichtig, dass mehr Frauen im Bauernverband aktiv sind.

Hatzel: Von Joachim Ruckwied war erst kürzlich ein Interview in der Zeitung. Zum Thema Frauen im Bauernverband hat er sich für meine Begriffe nur sehr reserviert geäußert und schnell das Thema gewechselt. Und es gibt bisher in keinem Bundesland eine weibliche Bauernpräsidentin.

Benne: Aber inzwischen gibt es immer mehr Kreisobfrauen. Der Bauernverband wird schon auch weiblicher.

Frauen, die in einen Betrieb einheiraten, erzählen häufig, dass die Schwiegereltern alte Rollenbilder zementieren und entsprechende Erwartungen an die „Neue“ stellen. Wie sind Ihre Erfahr- ungen?

Benne: Ich hatte keine Ahnung von Landwirtschaft. Kochen konnte ich auch nicht. Mein Schwiegervater hat mich das auch spüren lassen. Aber als ich ihm dann kurze Zeit später einen Enkelsohn geboren habe, war die Welt wieder in Ordnung. Meine Schwiegermutter musste auf dem Betrieb viel arbeiten. Die war ganz froh, als ich kam. Aber ich kenne ganz schlimme Geschichten, wo die Frau keinen Raum für sich hatte. Die war das Dienstmädchen. Da hat kein Mensch nach ihrer Meinung gefragt. Ich wäre da nicht geblieben.

Prem: Aber das gibt es heute noch. Als ich auf den Hof in die Oberpfalz gekommen bin, habe ich mit meinen Schwiegereltern in einem Haushalt leben müssen. Mein Ex-Mann hat damals mit 38 nur ein einziges Zimmer gehabt. Da hat meine Schwiegermutter am Frühstückstisch zu mir gesagt, jetzt sei es an der Zeit, dass sie meine Post lesen dürfe. Sie haben ihren Sohn dann vor die Wahl gestellt: Wenn er mich nicht rausschmeißt, bekommt er den Hof nicht. Ich bin dann freiwillig gegangen. Es gibt in meinem Umfeld viele alleinstehende Landwirte, die wegen der Eltern keine Frau finden.

Hatzel: Viele Probleme, die wir kritisieren, kommen von uns Frauen selber. Es sind ja oft die Schwiegermütter, die sagen: So ist es mir gegangen und so gebe ich es weiter.

Auf landwirtschaftlichen Familienbetrieben arbeiten die Frauen und Töchter lieber im Stall oder im Büro. Die Männer kümmern sich um den Ackerbau und die Landtechnik. Ist das nur ein Klischee?

Ditterich: Also ich bin nicht gern im Büro. Ich setz mich lieber auf den Traktor. Ich schraub auch gern mal mit meinem Papa an Maschinen herum.

Benne: Bei uns war das schon so. Ich war im Stall und im Büro und mein Mann hat die Außenwirtschaft gemacht. Auch bei vielen meiner Bekannten ist das so. Ich kann bis heute nicht Traktor fahren und ich wollte es auch nicht lernen.

Hatzel: Was ich in den Großbetrieben sehe, ist, dass Technik und Ackerbau männerdominiert ist und im Stall und Buchhaltungsbereich findet man wesentlich mehr Frauen vor.

Wie findet ihr das TV-Format Treckerbabes? Gefällt euch das Frauenbild, das vermittelt wird?

Ditterich: Ich finde es furchtbar. Da sind vielleicht ein, zwei dabei, die Ahnung haben, aber der Rest zeigt Brust und das war’s.

Prem: Ja, wie zum Beispiel die Fendt-Prinzessin, die sich halbnackt vor dem Bulldog fotografieren lässt. Das hat mit der Realität nichts zu tun.

Hatzel: Ich würde es nicht so streng sehen. Ich habe einen Jungbauernkalender aus Österreich bei mir im Büro hängen. Diesen Monat zeigt der Bursche Hintern. Das finde ich gut.

Ditterich: Aber das ist doch eine komische Schublade, mit den Mädchen, die sich so in der Landwirtschaft präsentieren. Es kommt doch nicht auf die Figur an, sondern auf das, was man im Kopf hat. Es gibt zum Beispiel eine auf Instagram, skadysfarmlife, die erklärt Landwirtschaft richtig gut.

Hatzel: Spiel doch damit! Ich hab‘ eine tolle Oberweite, aber im Kopf hab‘ ich auch was. Ich würde das bedienen.

Landwirtschaft ist heute noch eine Männerdomäne. Wie sieht die Zukunft aus?

Benne: Landwirtschaft wird in Zukunft weiblicher werden.

Hatzel: Ich glaube, es wird eine Männerdomäne bleiben, aber sie wird etwas weiblicher werden.

Ditterich: Ich glaube auch, dass wir Frauen in der Branche auf dem Vormarsch sind, weil wir genauso gut einen Betrieb führen können wie die Männer.

Prem: Sie wird weiblicher werden, weil sich auch die Frauen weiterentwickeln.

Benne: Auch weil heute andere Faktoren gefordert sind, wie Mitarbeiterführung, Tierwohl, Öffentlichkeitsarbeit. Das können Frauen einfach besser.

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