Logo agrarheute digitalmagazin

Artikel wird geladen

Flexibel am Strommarkt

Den Strom seiner Biogasanlage vermarktet Landwirt Düfelsiek an der Strombörse – den Fahrplan dafür liefert der Energiehändler e2m.

Warum sollten Biogasanlagenbetreiber in die Strom-Direktvermarktung einsteigen?

Mit der Direktvermarktung an der Strombörse können Biogasanlagenbetreiber sich, neben der EEG-Vergütung, etwas dazuverdienen.

Wie geht das?

Wir als Direktvermarkter handeln für den Landwirt den Strom an der Strombörse, denn dieser kostet nicht immer gleich viel. Unsere Aufgabe ist es, den Strom dann zu verkaufen, wenn der Preis an der Börse am höchsten ist. Das ist möglich, weil Biogasanlagen flexibel einspringen können, wenn Strom gerade benötigt wird. Aufgrund ihres Gasspeichers besteht eine Entkopplung von Gasproduktion und Gasverwertung am Strommarkt. Das bedeutet: Das produzierte Gas muss nicht sofort verwertet werden, sondern kann dann eingesetzt werden, wenn der Strom gebraucht wird und/oder der Preis an der Strombörse hoch ist.

Klaus Anduschus

Teamleiter Vertrieb Landwirtschaft bei Energy2Market GmbH (e2m)

Es braucht also eine Art Puffer fürs Biogas. Welche technischen Anforderungen muss dann eine Biogasanlage erfüllen?

Das Minimum ist ein Gasspeicher und eine doppelte Überbauung für die flexible Fahrweise. Das Gasvolumen sollte mindestens für 4 bis 5 Stunden reichen. Je höher meine Speicherkapazität ist, desto besser kann ich entkoppeln und dadurch den Strom nur in den Spitzenzeiten einspeisen beziehungsweise die schlechtesten Preise rausnehmen. Für den Strommarkt ist es sinnlos, Strom zu produzieren, wenn ihn eh keiner will. Auch die Wärmeabnahme kann ich durch einen Wärmespeicher entkoppeln, denn Wärme geht derzeit immer vor Strom, weil die Preise für Wärme deutlich besser sind.

Ab welcher Anlagengröße ist eine Flexibilisierung überhaupt sinnvoll?

Wichtig ist die Überbauung, denn dadurch steigt die Flexibilität und damit der Zusatzerlös. Das lohnt sich für fast jede Anlage. Um die Flexprämie zu erhalten, darf jedoch maximal fünffach überbaut werden. Wünschenswert ist ein Gas- und Wärmespeicher von 12 Stunden. Das Optimum wären jedoch 50 Stunden Speichervolumen. Bei annähernd fünffacher Überbauung wird dies auch realisiert. Damit hat der Gasspeicher den höchsten Kosten-Nutzen Effekt. Dann kann das ganze Wochenende aus der Stromproduktion rausgenommen werden, denn da sind die Preise am niedrigsten.

Wir erfassen von jedem Biogasanlagenbetreiber die Rahmenbedingungen und erstellen daraus einen individuellen Fahrplan.

Klaus Anduschus, Agrarwissenschaftler

Wieso sind die Preise am Wochenende niedriger?

Am Samstag und Sonntag sinkt der Verbrauch erheblich, weil in der Industrie vieles still steht. In den Wohnhäusern sind zwar viele Menschen. Das betrifft aber überwiegend den Wärmebedarf. Der Strombedarf zu Hause ist minimal im Verhältnis zu dem, der in der Industrie benötigt wird.

Was ist in Ihrer Dienstleistung enthalten?

Wir von Energy2Market (e2m) bieten den Optimierungsservice OptimusFlex an. Das steht für die Optimierung der Flexibilität von Biogasanlagen am Strommarkt. Wir erfassen von jedem Biogasanlagenbetreiber die individuellen Rahmenbedingungen und erstellen daraus einen Fahrplan für die Anlage.

Um welche Rahmenbedingungen handelt es sich dabei?

Darunter fallen der Eigenbedarf, die Wärmeverpflichtung, der Gasspeicher, der Pufferspeicher sowie der Wirkungsgrad und das Anspringverhalten der Blockheizkraftwerke (BHKWs). Hinzukommen die gewünschte Starthäufigkeit der Motoren pro Tag oder Woche, ihre Mindestlaufzeiten und Standzeiten. Ein weiterer Parameter ist der Wartungszustand der BHKWs.

Unsere Aufgabe ist es dann, die Rahmenbedingungen mit dem Börsenpreis abzugleichen. Daraus ergibt sich ein individueller Fahrplan als Vorschlag. Wenn der Betreiber damit einverstanden ist, steuern wir automatisiert die BHKWs an.

Wie oft springen die BHKWs normalerweise pro Tag an?

Ein- oder zweimal, das hängt vom Startverhalten der BHKW und auch von der Herstellergarantie ab. Wir ermitteln die Zeiten, zu denen die Anlage am profitabelsten produzieren kann, und verschieben, wenn möglich, die gesamte Leistung in zwei Volllast-Blöcke an den Wochentagen. Die Blöcke werden außerdem möglichst mit der Regelenergievermarktung kombiniert.

Was bedeutet Regelenergie und was hat der Landwirt davon?

Damit sollen Netzschwankungen ausgeglichen werden. Normalerweise liegt die Stromspannung im Netz bei 50 Hertz. Wenn zu wenig Strom im Netz ist, dann geht die Hertzzahl runter und die Motoren der Biogasbetreiber müssen hochfahren. Das bedeutet zwar mehr Aufwand für den Landwirt, hat aber den Vorteil, dass er sich, wenn er Regelenergie zur Verfügung stellt, zusätzlich etwas dazu verdienen kann. Daher beteiligen sich auch nahezu alle unsere Kunden an der Bereitstellung der Regelenergie.

Wie viel Biogasanlagenbetreiber betreuen Sie derzeit insgesamt?

Mehrere Tausend Biogasanlagenbetreiber, die fast 1.800 MW installierte Erzeugerleistung mit uns vermarkten.

Welche Erlöse kann der Landwirt durch die Direktvermarktung erzielen?

In den letzten Jahren sind die Strompreise an der Börse auf unter 3 Cent/kWh gesunken. Grund dafür ist die erhebliche Überproduktion. 2007/2008 waren wir im Schnitt noch bei 8 Cent/kWh. Anfang des Jahres lag der Preis bei 5,3 und 4,9 Cent/kWh. Wenn man nur die besten 8 Stunden in der Woche fährt, ist man immer 50 Prozent über dem Durchschnittspreis. Liegt dieser bei 3 Cent/kWh, bedeutet dies einen Erlös von 1,5 Cent/kWh.

Was verdient OptimusFlex daran?

Den Fahrplan erstellen wir kostenlos und den mittleren Börsenpreis bekommt immer der Landwirt. Wir verdienen an dem Teil, an dem der Landwirt an der Börse mehr Geld verdient hat als der durchschnittliche Börsenpreis. Unser Anteil ist von Anlage zu Anlage verschieden und hängt mitunter davon ab, ob auch Regelenergie geliefert wird.

Direktvermarktung: Der Einstieg hat sich gelohnt

Landwirt Jörg Düfelsiek ist bereits 2015 in die Stromdirektvermarktung eingestiegen. „Damit waren wir einer der Pioniere in dem Bereich“, meint der Schweinemäster. Begonnen hat alles 2010 mit dem Bau seiner Biogasanlage mit 250 kWel. 2013 erweiterte er die Anlage mit einem zweiten Motor auf 400 kWel. „2014 haben wir die Anlage durch einen weiteren Motor auf 780 kW Bemessungsleistung erweitern können.“

Das war der Grundstein für die flexible Fahrweise. „Inzwischen haben wir sechs Motoren mit einer Anlagenleistung von insgesamt 650 kWel. Die gesamte installierte Leistung beläuft sich auf 2.130 kWel.“ Da ein Motor mit 250 kWel, als Satellitenblockheizkraftwerk im Industriegebiet auf Volllast läuft, stehen nur 1.880 kW an Motorleistung für die flexible Fahrweise zur Verfügung. Das entspricht einer 4,5-fachen Überbauung.“ Damit der erzeugte Strom optimal genutzt werden kann, erstellt der Direktvermarkter e2m wöchentlich einen individuell an Düfelsieks Wünsche angepassten Fahrplan (siehe S. 27). „Wenn ich Änderungswünsche habe, rufe ich einfach an.“

Der Fahrplan richtet sich aber nicht nur nach den Börsenpreisen. „Anfangs habe ich an der Börse einen deutlichen Mehrerlös von 1 Cent/kWh erzielt. In den letzten Jahren hat sich dieser aufgrund der niedrigen Strompreise und der geringeren Stromschwankungen an der Börse mehr als halbiert. Erfreulich ist jedoch, dass der Mehrerlös seit Anfang des Jahres 2021 wieder bei rund 1 Cent/kWh liegt.“ Das Wochenende kann er leider nicht auslassen, da der Gasspeicher mit 7.000 m3 nicht ausreicht und die Anlage zudem in ein Wärmenetz eingebunden ist.

Wärme ist durch den Bonus für die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) von 3 Cent/kWh deutlich attraktiver als Strom. „Wir sind primär auf den Wärmeverkauf ausgelegt. Daher haben wir nach einer Beratung zur Wirtschaftlichkeit von Klaus Anduschus von e2m, auch unsere Pufferspeicherkapazität von 80 auf 200 m3 erweitert. Mit der Wärme versorgen wir unseren landwirtschaftlichen Betrieb mit Schweineställen und Haus, sowie 30 Wohneinheiten über ein 2 km langes Wärmenetz.“

Derzeit fährt er seine Motoren in zwei Blöcken, immer dann, wenn vor allem die Wärme benötigt wird. „Einmal von circa 6 bis 12 Uhr und dann wieder von circa 16.00 bis 24.00 Uhr. Im Sommer fahre ich nur noch morgens und abends jeweils 4 Stunden.“ Auch wenn die Wärme die Haupteinnahmequelle ist, lässt sich mit dem Handel an der Strombörse ein zusätzlicher Erlös generieren. Zudem bekommt der 45-Jährige für die Flexibilisierung 130 Euro/kW für die Hälfte der installierten Leistung. „Für mich hat sich der Einstieg in die Flexibilisierung und die Direktvermarktung auf jeden Fall gelohnt.“

Landwirt Jörg Düfelsiek ist bereits 2015 in die Stromdirektvermarktung eingestiegen.

Digitale Ausgabe agrarheute Energie

Schön, dass Sie in die digitale agrarheute reingelesen haben. Ihr überregionales Fachmagazin für moderne Landwirtschaft liefert Ihnen jeden Monat Informationen aus Politik, Technik und Tierhaltung und Ackerbau. So bleibt Ihnen mehr Zeit für das Wesentliche: die Landwirtschaft.

✔ Immer und überall verfügbar
✔ Artikel teilen
✔ Zusätzliche digitale Inhalte gegenüber der gedruckten Ausgabe
✔ Artikel merken und später lesen