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Schweinegülle hat Potenzial

Eine Biogasanlage lässt sich mit bis zu 70 Prozent Schweinegülle befüllen.

Wie kam es zu dem Namen MOVE und was bedeutet er?

Elmar Brügging: Der Projektname MOVE steht für ökonomische und technische Optimierung der anaeroben Vergärung von Schweinegülle. Aus dem englischen Wort wurden die Übersetzung der Bewegung und die daraus resultierenden neuen Entwicklungen in der Biogastechnologie abgeleitet.

Wie kam das Projekt MOVE zustande?

Jurek Häner: In Deutschland gibt es erhebliche Reststoffpotenziale. Schweinegülle wird beispielsweise bislang zu weniger als 20 Prozent energetisch verwendet. Deshalb haben wir, gemeinsam mit unseren Partnern, über die Hemmnisse diskutiert. Dazu gehört die fehlende Wirtschaftlichkeit von Biogasanlagen, die mit Schweinegülle gefüttert werden. Im Vergleich zu Rindergülle enthält Schweinegülle mehr Wasser, das keinen Energieertrag in der Biogasanlage liefert. Gleichzeitig stehen hohe Investitionskosten geringen Energieerträgen gegenüber. Mit dem Projekt MOVE analysieren wir die Voraussetzungen und erarbeiten Konzepte und Maßnahmen.

Dr.-Ing. Elmar Brügging

Leiter der Forschungsgruppe am FB Energie-Gebäude-Umwelt der FH Münster
E-Mail: bruegging@fh-muenster.de

M. Eng. Jurek Häner

Leiter der Arbeitsgruppe Biogas und Landwirtschaft von Dr. Elmar Brügging
E-Mail: haener@fh-muenster.de

Welches Ziel hat das Projekt?

Elmar Brügging: Eine große Rolle spielen die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen. Hier gibt es die Möglichkeit, den CO2-Emissionshandel auch mit Biogas zu betreiben und dadurch eine zusätzliche Einnahmequelle zu erschließen. Insbesondere die energetische Nutzung von Reststoffen wird besonders attraktiv für Biogasanlagen. Wir wollen nicht nur Reststoffe und den Ressourcenschatz Gülle heben, sondern eine ernsthafte Geschäftsidee verfolgen.

Welche Schritte bis zum Ziel sind notwendig?

Elmar Brügging: Wir wollen an konkreten Beispielen Konzepte entwickeln, um den maximalen Energieertrag aus den Reststoffen zu gewinnen. Wir wollen zudem logistisch optimieren und Cluster von landwirtschaftlichen Betrieben bilden. Dadurch lassen sich die Betriebe miteinander verbinden und es bildet sich eine Gemeinschaft. In diesem Fall sind das Schweinehalter, die entweder noch keine Biogasanlage haben oder noch an keine angeschlossen sind. Gemeinsam können sie eine Biogasanlage betreiben. Man muss sich jedoch immer die Fragen stellen, welche Betriebe infrage kommen, welche Mengen an Reststoffen verfügbar sind, welche Ener- gieerträge sich daraus gewinnen lassen und wie sich der Kreislauf wieder schließen lässt. Das sind die wesentlichen Elemente des Projekts.

Wie viele Betriebe müssen sich mindestens zu einem Cluster zusammenschließen?

Elmar Brügging: Allein auf Reststoffbasis sind das eine ganze Reihe von landwirtschaftlichen Betrieben. Wir reden von einer Größenordnung von rund 20 Betrieben, je nach Viehbestand. Es gibt zum einen sehr große Schweinebetriebe, die schon eine große Menge an Reststoffen mitbringen, und auch viele mittelgroße Betriebe. Die kleinen Betriebe gibt es in der Regel kaum noch. Es hängt immer davon ab, wie viel Substrat pro landwirtschaftlichem Betrieb verfügbar ist.

Wie groß sollte eine Biogasanlage auf Reststoffbasis mindestens sein?

Elmar Brügging: Man kann sich Biogasanlagen von 75 bis 150 kW vorstellen, aber genauso gut 2- bis 3-MW-Anlagen. Diese können bereits einen großen Beitrag für die energetischen Potenziale leisten. Biomethan ist das Erdgasäquivalent, das nach der Aufbereitung zu Biogas wird. Diese Menge an Biomethan kann man einspeisen oder beispielsweise im Unternehmen verbrauchen. Eine Entwicklung der letzten Monate zeigt, dass eine Vielzahl an Unternehmen auf uns zukommen. Sie stellen sich die Frage, wie sie CO2-neutraler werden oder wie sie Erdgas substituieren können. Biomethan ist auf jeden Fall eine gute Alternative.

Was bringt es dem Landwirt? Hat er finanzielle Vorteile?

Elmar Brügging: Das muss das Ziel des Projekts sein. Es ist nicht nur dem Klimaschutz geschuldet, dass es dieses Vorhaben gibt. Wir wollen Geschäftsmodelle entwickeln, die tragfähig sind und für Landwirte natürlich auch einen Ertrag bringen sollen.

Move

  • Schweinegülle wird zu weniger als 20 Prozent energetisch verwendet
  • CO2-Handel lässt sich auch mit Biogas betreiben
  • 3 t Güllefeststoffe substituieren rund 1 t Silomais
  • Gülle sollte so frisch wie möglich in die Biogasanlage kommen
  • Hochlastsysteme benötigen lediglich 80 Stunden, bis der Kubikmeter Gülle die Anlage wieder verlässt
  • Auch die flüssige Phase von Gülle lässt sich energetisch nutzen

Sind schon Landwirte an dem Projekt beteiligt?

Elmar Brügging: Wir haben ein weiteres Forschungsprojekt, das „Zukunft Biogas“ heißt. Dadurch konnten wir eine erfolgreiche Webinarreihe während der Corona-Zeit etablieren. Teilnehmer dieser Reihe sind Biogasanlagenbetreiber und landwirtschaftliche Betriebe. Durch dieses Netzwerk gibt es jetzt schon den Transfer in die Branche und in das Projekt.

Können Sie schon sagen, wann das Projekt praxisreif ist?

Elmar Brügging: Wir hoffen, dass die Praxisreife innerhalb der Projektlaufzeit stattfindet. Das heißt konkret, dass wir 2,5 Jahre Zeit haben, um dies unter Beweis zu stellen. Es gibt unterschiedliche Konzepte und wir bauen auf Forschungsbeständen auf. Es gibt Anlagetechniken, die beispielsweise die flüssige Phase von Gülle zu Gas verarbeiten können, um Energie zu produzieren. Das geschieht über Hochlast-Fermentationsanlagen.

Klassische Biogasanlagen benötigen etwa 80 Tage, bis der Kubikmeter Gülle die Anlage wieder verlässt. Im Vergleich dazu können das die Hochlastsysteme innerhalb von 80 Stunden.

Es lässt sich somit auch die flüssige Phase von Gülle energetisch nutzen.

Können Biogasanlagen zu 100 Prozent mit Schweinegülle bestückt werden?

Elmar Brügging: Es ist zwar möglich, jedoch häufig nicht sinnvoll. Gut vorstellbar ist, dass es auf Mischsubstrate hinausläuft. Ein Großteil wird Gülle sein, aber auch der Einsatz von Festmist ist interessant und es kommen auch andere Reststoffe aus der Landwirtschaft zum Einsatz.

Wie viel Gas kann aus Schweinegülle im Vergleich zu Silomais gewonnen werden?

Jurek Häner: 3 t Güllefeststoff substituieren rund 1 t Silomais. Das ist aus Erfahrungswerten abgeleitet. Im Projekt werden wir das genauer betrachten.

Wie genau lässt sich der Methanausstoß bei der Lagerung auf den Betrieben minimieren?

Elmar Brügging: Wir versuchen, die Gülle so frisch wie möglich in die Biogasanlage zu transportieren. Deshalb gibt es ein logistisch optimiertes Konzept, wodurch sich die Methanemissionen gering halten lassen. In der Regel lassen die Systeme der landwirtschaftlichen Betriebe zu, dass die Gülle zeitnah lieferbar ist. Die Energiemenge, die sich aus der Gülle gewinnen lässt, nimmt sonst bereits nach wenigen Tagen ab.

Wie lassen sich die festen von den flüssigen Bestandteilen trennen?

Jurek Häner: Es gibt unterschiedliche Verfahren im Rahmen der mechanischen Aufbereitung. Dazu gehören Dekanterzentrifugen, Pressschnecken und Feinfilter. Durch diese Verfahren lassen sich Feststoffe mit einer höheren Dichte von Flüssigkeiten mit einer geringeren Dichte abtrennen. Ein weiterer Behandlungsschritt ist die biologische Flockung, die wir noch untersuchen. Dabei werden mit Flockungsmittel kleine Partikel entfernt, die aufgrund der zu geringen Größe nicht durch die Filteranlage beseitigt werden können.

Wie teuer sind die unterschiedlichen Verfahren und wie funktionieren sie?

Jurek Häner: Die Kosten hängen immer vom Durchsatz ab oder welcher Durchsatz erreicht werden soll. Das ist immer eine große Investition. Ein Dekanter hat beispielsweise höhere Investitionskosten als ein Pressschneckenseparator. Man kann jedoch in kurzer Zeit sehr viel Gülle verarbeiten. Es gibt aber auch deutlich energiereduzierte Verfahren. Ein Feinfilter kann dagegen die Gülle auf einem Niveau von 100 Mikrometern in fest und flüssig abtrennen. Der Einsatz von Separationstechnologien vor Ort hängt immer von der Betriebsgröße und den technischen Voraussetzungen ab.

Die größte Herausforderung ist die Überzeugung der Betriebsinhaber, dass das Projekt wirtschaftlich ist.

Dr.-Ing. Elmar Brügging Leiter der Forschungsgruppe Energie- Gebäude- Umwelt

Was sind eigentlich die aktuellen Herausforderungen?

Elmar Brügging: Eine der größten Herausforderungen ist die große Unsicherheit, die derzeit in der Landwirtschaft herrscht. Der Preis- und Energiedruck sind sehr hoch. Insbesondere durch den Ukraine-Krieg hat sich die Situation extrem verschärft. Dadurch eröffnen sich jedoch auch Möglichkeiten und solche Konzepte lassen sich untersuchen. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass Schweinegülle nicht der Energieträger Nummer eins ist. Man bewegt sich immer noch im Reststoffbereich. Die größte Herausforderung ist die Überzeugung der Betriebsinhaber. Diese erfolgt erst dann, wenn nachweisbar ist, dass das Konzept wirtschaftlich umsetzbar ist.

Seit wann und wie lange läuft das Projekt MOVE noch?

Jurek Häner: Das Projekt ist am 1. März 2022 gestartet und die Laufzeit beträgt insgesamt 2,5 Jahre.

Wer fördert das Projekt und wer ist der Projektträger?

Elmar Brügging: Der Projektträger ist die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. und gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.

Wie hoch ist der Förderbetrag?

Elmar Brügging: Wir arbeiten mit der AgrarService Wessendorf GmbH und der GEA Westfalia Separator zusammen. Jeder hat einen eigenen Förderbetrag eingereicht, sodass jeder einen unterschiedlichen Betrag erhielt. Unser Förderanteil beträgt circa 440.000 Euro. Insgesamt beläuft sich das Projektvolumen auf rund 750.000 Euro. ●

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