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Biomethan als Chance

Karl-Heinz Geiß (li.) und Lorenz Baur stehen auf dem Dach der Biogas-Trockenfermentationsanlage.

Auf den Punkt

  • Die Europäische Union plant, die Biomethanmenge in Europa bis 2030 zu verdoppeln.
  • Betreiber kleinerer Biogasanlagen wollen verstärkt in die Biomethanproduktion einsteigen.
  • Der Biomethanmarkt ist kompliziert. Die Politik sollte die Marktbedingungen vereinfachen.

Es ist 17 Uhr, ein sonniger Tag im Mai. Valentin Wörle steigt auf seinen Radlader und fährt über den Hof zur Substratsilage. Die große Silozange auf dem Radlader greift mit Schwung in die gepresste Rohstoffmischung. Nach einer gekonnten Wendung manövriert der junge Fahrer das Bakterienfutter direkt in die vorgesehene Einbringtechnik für die Biogas-Trockenfermentationsanlage. Valentin ist der Sohn des Gesellschafters Jürgen Wörle, der sich die anfallenden Arbeiten mit den übrigen Gesellschaftern aufteilt. Hier auf der Anlage in Reimlingen sind sie zu fünft plus die Söhne der Gesellschafter.

Karl-Heinz Geiß ist ebenfalls auf dem Areal der Bioenergie Reimlingen GmbH & Co. KG anzutreffen. Er sitzt im Besprechungsraum mit Lorenz Baur, Projektleiter der Landwärme GmbH aus München. Gemeinsam skizzieren sie, wie die Zukunft der 3-MW-Anlage aussehen soll. Die Anlage von Geiß und seiner vier Mitgesellschafter liegt im Trend. 75 Prozent des Biogases bereiten die Betreiber zu Biomethan auf und speisen es ins Erdgasnetz. Diesem Modell wollen heute viele Betreiber folgen.

Wegen der gestiegenen Erdgaspreise infolge des Kriegs in der Ukraine setzt Europa künftig auf Gas aus heimischer Produktion. Dabei soll Biogas eine wichtige Rolle spielen. Nach Plänen der EU sollen bis 2030 europäische Anlagen 35 Mrd. m³ Biomethan produzieren. Dafür ist eine Verdopplung der Produktionskapazitäten der rund 20.000 Biogasanlagen in Europa notwendig. Nach Ansicht von Harmen Dekkers, Vorsitzender des europäischen Biogasverbands, könnte Biogas bis zum Jahr 2050 sogar 30 bis 50 Prozent des künftigen EU-Gasbedarfs decken.

Welche Weichen muss die Politik also heute stellen, damit dieses Ziel erreicht wird? Und können auch kleine Anlagen zukünftig ihr Biogas in Erdgasqualität aufbereiten?

Lorenz Baur kennt sich mit Biomethan bestens aus – auch mit kleinen Anlagen. Seit 2008 beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema. Das Unternehmen Landwärme GmbH, für das er arbeitet, handelt mit Biomethan. Zusätzlich projektieren die Münchner auch Aufbereitungsanlagen und unterstützen Landwirte im Genehmigungsverfahren bei der Anlagenerweiterung. In Reimlingen sind die Biomethan-Experten seit 2014 Eigentümer der Aufbereitungsanlage.

„Seit dem Krieg in der Ukraine und den geplanten Maßnahmen der EU ist die Nachfrage von Landwirten zum Thema Aufbereitung von Biomethan massiv gestiegen“, berichtet Baur. „Mich alleine erreichen drei bis vier telefonische Anfragen in der Woche. Im Unternehmen sind es 30 bis 40 Biogasanlagenbetreiber, die uns wöchentlich kontaktieren und ihr Interesse bekunden.“

Noch vor wenigen Jahren konnten nur Betreiber größerer Biogasanlagen in eine Biomethan-Aufbereitungsanlage investieren. Die Technik war für große Mengen ausgelegt. „Einer Anlage mit einer Leistung von 300 bis 400 kW hätte man vor ein paar Jahren noch von der Aufbereitung abgeraten“, sagt Baur. „In Frankreich bauen sie schon seit mehreren Jahren kleinere Aufbereitungsanlagen. Die Technik ist vorhanden.“ Zwar sind die spezifischen Kosten für kleinere Anlagen im Vergleich zu größeren Aggregaten höher, aber beim heutigen Stand der Entwicklung und der ökonomischen Ausgangslage bleibt unterm Strich für den Betreiber noch Geld übrig. Ähnlich wie bei der Anlage in Reimlingen besteht auch für andere Energiewirte die Möglichkeit, gemeinsam in eine Biomethan-Aufbereitungsanlage zu investieren.


Für die Biomethanaufbereitung nutzen die Betreiber die Membrantechnik.

Karl-Heinz Geiß (li.) und Landwirt Klaus Schnehle (vorne) sind zwei von fünf Gesellschaftern der Bioenergie Reimlingen GmbH & Co. KG. Sohn Valentin Wörle (Mitte) packt auf der Anlage mit an.

Klaus Schnehle überprüft die Einstellungen an der Silozange.

Valentin Wörle, Sohn des Gesellschafters Jürgen Wörle, kippt mit der Silozange das Futter in die Einbringtechnik für die Biogas-Trockenfermenteranlage.

Gemeinsam Kosten sparen

In einer Studie der Hochschule Osnabrück haben Forscher untersucht, welche positiven Effekte ein Zusammenschluss von Biogasanlagenbetreibern, die eine gemeinsame Aufbereitungsanlage betreiben, auf die Kosten haben. Die Forscher konnten am Beispiel des Landkreises Osnabrück feststellen, dass die Gasaufbereitungskosten in einzelbetrieblicher Aufbereitung deutlich höher sind. Das ist nicht überraschend. Dass die Systemkosten in einer Gemeinschaftsanlage um insgesamt 50 Prozent gesenkt werden können, ist jedoch eine wichtige Botschaft für die Praxis.

Ob und wie es sich rechnet, muss individuell bei jedem potenziellen Projekt geprüft werden. Die Wirtschaftlichkeit hängt sowohl von der Nähe des Gasnetzes und den Substratpreisen als auch von den Möglichkeiten einer Kooperation in der eigenen Region ab.

Die Kooperation von Geiß und seinen vier Kollegen begann schon vor mehr als 16 Jahren. Im Jahr 2005 schlossen sich die Landwirte zusammen und bauten gemeinsam die Biogasanlage. „Wir wollten innerhalb der Gemeinde den Konkurrenzdruck der Landwirte vermeiden und haben alle Betriebe im Dorf gefragt, ob sie sich beteiligen wollen“, erinnert sich Geiß.

„Uns war es auch wichtig, von Anfang an die Abwärme der Biogasanlage sinnvoll zu verwerten.“ Also machten sich die Biogasneulinge auf den Weg und boten den ortsansässigen Unternehmen ihre Wärmelieferung an. „Die meisten waren skeptisch. Niemand hat damals fünf Landwirten zugetraut, dass sie konstant ein Unternehmen mit Energie versorgen können.“

Trotz aller anfänglichen Widerstände konnten die Unternehmer am Ende das 1,5 km entfernte Stiftungskrankenhaus von der Wertigkeit ihrer Wärmelieferung überzeugen. Der Deal war eingetütet und im Jahr 2006 nahm die Bioenergie Reimlingen GmbH & Co. KG ihren Betrieb auf. Acht Jahre später erweiterten die Landwirte ihre Anlage mit der Aufbereitung von Biogas in Erdgasqualität. Die Umsetzung des Projekt erfolgte, wie bereits erwähnt, gemeinsam mit dem Unternehmen Landwärme GmbH.

Biogasanlagenbetreiber, die sich heute für eine Biomethan-Aufbereitungsanlage entscheiden, müssen mit langen Lieferzeiten rechnen. „Wer jetzt investiert, kann mit der Aufbereitung Ende 2024 beginnen“, kalkuliert Baur. Gründe dafür sind die langen Lieferzeiten einzelner Bauteile – ein Problem, das auch andere Branchen betrifft. Hinzukommen die langen und schwierigen Genehmigungsverfahren, die eine Aufbereitungsanlage durchlaufen muss.

Dieser lange Zeitraum von der Entscheidung bis zur Inbetriebnahme birgt einige Risiken in sich. Der Gasmarkt ist aktuell sehr schwankungsanfällig. Die Preise sind in der Vergangenheit auf 5 Cent/kWh in den Keller gerutscht und liegen nun teilweise bei 40 Cent/kWh für Biomethan aus Gülle und Mist im Kraftstoffmarkt. „Diese Preissprünge machen die Planung sehr schwer. Dies führt dazu, dass einige sehr stark profitieren und andere sich schon die Finger an diesem Markt verbrannt haben“, sagt Baur.

Preisschwankungen eingrenzen

Baur und auch andere aus der Branche hoffen, dass die Politik auf dieses Phänomen reagiert und einen stabilen Rahmen und kalkulierbare Bedingungen schafft, damit die Preisschwankungen eingegrenzt werden können. Die gesicherte Einspeisevergütung aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) könnte dabei als Erfolgsmodell herhalten. Nicht nur die schwankenden Preise erschweren den Zugang zum Markt. Durch die drei Märkte Kraftstoffe, Wärme und Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) hat sich mittlerweile ein Regelwerk aufgebläht, das nur Fachjuristen durchschauen. „Es gibt ungefähr 40 Biomethan-Qualitäten, die man einkaufen kann“, sagt Baur. „Wenn ich ein Angebot erstelle, ist das in den meisten Fällen länger als ein DIN-A4-Blatt. Im zweiten Schritt erkläre ich dem Kunden erstmal, was es mit den einzelnen Posten auf sich hat.“

Dieses komplizierte Konstrukt hängt mit den verschiedenen Einsatzbereichen von Biomethan zusammen. Wird das produzierte Gas in Erdgasqualität zum Beispiel im Kraftstoffmarkt verwendet, spielen bei der Preisfindung auch die Anbauemissionen des Substrats eine Rolle. Im Wärme- und KWK-Markt herrschen wiederum andere Kriterien.

Trotz aller Schwierigkeiten und bisher ungelöster Probleme wartet in Zukunft für die Biogasbranche ein gewaltiger Wachstumsmarkt. Bei Stadtwerken, großen Energieversorgern, sowie Betreibern von Blockheizkraftwerk (BHKW) und CNG-(Erdgas)-Tankstellen wird der Bedarf nach grünem Gas in den kommenden Jahren weiter massiv steigen. Davon ist auch Baur überzeugt. Biogasanlagenbetreiber haben plötzlich wieder eine Perspektive nach dem Auslaufen der EEG-Vergütung. In Deutschland müssen für den Erfolg nach Ansicht vieler Experten drei Themen angegangen werden: die Preise für Biomethan für einen längeren Zeitraum festsetzen, Genehmigungsverfahren beschleunigen und den Rechtsrahmen für die Produktion und Lieferung von Biomethan vereinfachen. Bisher reagiert die Politik in Deutschland allerdings zurückhaltend. Die Grünen sind gegenüber Biogas skeptisch. Habecks Energiepaket trägt der Lage in Europa in keinster Weise Rechnung.

Derzeitige Faktenlage

Bei aller Euphorie und Aufbruchsstimmung in diesem Energiesegment ist ein Blick auf die derzeitige Faktenlage wichtig. In Deutschland zirkulieren derzeit 10 bis 12 TWh Biomethan im Netz. 2021 verbrauchten die Deutschen rund 960 TWh Erdgas. Die Relation macht deutlich, dass der derzeitige Biomethananteil in allen Märkten zusammen 1 Prozent ausmacht. „Biomethan hat damit keinen Einfluss auf die Preisentwicklung. Dafür ist ihre Bedeutung im Gasmarkt zu gering“, sagt Baur.

In Reimlingen lassen sich die Betreiber indessen nicht aus der Ruhe bringen. Hier basteln sie weiter an der Zukunft. Ihre Anlage soll sich in den kommenden Jahren zu einer landwirtschaftlichen Abfallanlage entwickeln. Bisher vergären die fünf Betreiber Mais, Triticale, Klee- und Wiesengras. In Zukunft sollen Gülle, Mist und langfristig auch Maisstroh in der Anlage für die Biogaserzeugung sorgen.

„Aus unserer Sicht ist das ein Schritt in die Zukunft. Landwirtschaftliche Abfallstoffe haben ein großes Potenzial. Wir können somit langfristig unsere Felder wieder für die Nahrungsmittelproduktion verwenden und gleichzeitig auf dem Biomethanmarkt bessere Preise erzielen“, sagt Geiß.

Vielleicht wird es in Europa bald mehr solche Anlagen wie in Reimlingen geben. Es wäre ein Stück mehr Klimaschutz und Sicherheit für uns alle. (ne) 

So wird Biomethan aufbereitet

Damit Biogas in das bestehende Gasnetz eingespeist werden kann, müssen Betreiber die Qualität steigern. Mit dem Verfahren der Biogasaufbereitung wird der Methangehalt im Biogas erhöht und gleichzeitig Kohlendioxid und andere unerwünschte Bestandteile entfernt.

Als erster Schritt, bevor die Aufbereitung beginnen kann, wird das Rohbiogas entschwefelt und getrocknet. Dieser Vorgang ist auch notwendig, wenn Betreiber ihr Biogas verstromen.

Der Methangehalt des Biogases wird bei der Aufbereitung von 55 auf bis zu 98 Prozent erhöht. Die tatsächliche Höhe des Methangehalts ist davon abhängig, wie die Methankonzentration im Gasnetz ist, in das eingespeist werden soll.

Das sogenannte L-Gas aus Niedersachsen, Holland und der Nordsee liegt bei rund 80 Prozent. H-Gas aus Russland weist eine Methankonzentration von bis zu 98 Prozent auf.

In Deutschland kommen fünf verschiedene Aufbereitungsverfahren zum Einsatz. Dazu zählen die Druckwechseladsorption, die Druckwasserwäsche, physikalische und chemische Wäschen und das Membranverfahren.

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