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Bauern wollen faire Preise

Fleisch ist zu billig in Deutschland. Da sind sich Bauern, Politiker und Tierschützer einmal einig.

Fleisch ist zu billig in Deutschland. Da sind sich Bauern, Politiker und Tierschützer einmal einig. Mit diesen Dumpingpreisen kann man Investitionen in Stallumbauten und mehr Tierwohl glatt vergessen. „Die Erwartungen vieler Verbraucher an höchste Tierschutzstandards sind mit solchen Preisen überhaupt nicht machbar“, sagt Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Doch was wäre ein fairer Preis für die Bauern, und wie lässt er sich durchsetzen?

„Die Ökonomie tut sich schwer damit, Preise als gerecht oder normativ zu bewerten“, sagt der Agrarökonom Achim Spiller von der Universität Göttingen. „In einer Marktwirtschaft regeln normalerweise Angebot und Nachfrage den Preis.“ Auch Julia Klöckner will an diesen Prinzipien nicht rütteln: „Wir regeln als Politik grundsätzlich nicht die Preise“, sagt sie. Dennoch hat die Ministerin mehrfach die ihrer Ansicht nach zu niedrigen Fleischpreise in Deutschland scharf kritisiert. Sie möchte ein Werbeverbot für Billigfleisch. „Fleisch soll keine Luxus- ware für Reiche werden“, sagt Klöckner, „aber auch keine Alltagsramschware“.

Die öffentliche Diskussion darüber, ob Fleisch zu billig angeboten wird, findet die Landwirtin Gusti Hobmaier aus dem bayerischen Niedertaufkirchen „witzig“. „Nach außen wird der hohe Anspruch an das Tierwohl kommuniziert und dass man gerne bereit sei, für gutes Fleisch mehr Geld hinzulegen. Eingekauft wird aber beim Discounter“, beobachtet Hobmaier. Bauernverbände kritisieren außerdem: Von jedem Euro, der an der Ladentheke ausgegeben wird, kommen gerade einmal 20 Cent beim Bauern an.

Die Kosten fressen die Erlöse

Die Bauern müssen mit den schlechten Preisen leben. „Schweinehaltung ist kein einfaches Geschäft“, sagt Renate Schuster. „Für den Landwirt bleibt dabei selten etwas übrig.“ Schuster ist Geschäftsführerin des Schweinezuchtverbandes Nordost und kennt das ständige Auf und Ab der Erzeugerpreise.

Für ein Kilo Schweinefleisch aus konventioneller Haltung erhalten Mäster derzeit 1,47 Euro. Für ein 95 Kilogramm schweres Mastschwein, dass sie also sechs bis sieben Monate jeden Tag gefüttert und versorgt haben, sind das weniger als 150 Euro.

Die Produktionskosten müssten für das Ziel Tierwohl um geschätzt 20 Prozent steigen.

Für Ökobauern sieht es zwar etwas besser aus. Sie bekommen mehr als das Doppelte fürs Kilo Schwein. Doch bei den Ökomästern sind die Produktionskosten ebenfalls wesentlich höher. „Allein das Bioferkel kostet zwei- bis dreimal so viel wie ein Tier aus der konventionellen Haltung. Das Ökofutter ist nahezu doppelt so teuer“, sagt die Ökoanalystin Daniela Schack von der Agrarmarkt Informationsgesellschaft (AMI) in Bonn.

Aktuell muss ein konventioneller Schweinemäster 39 Euro für ein 25-kg-Ferkel bezahlen. Hochgerechnet auf ein hundert- Kilo-Schwein verbraucht er pro Tier außerdem rund 75 Euro für Futter. Hinzu kommen noch variable Kosten: für Arbeit, Wasser, Energie, Tierwohl, Abschreibungen und für den Tierarzt. Da bleibt im Prinzip nichts übrig. Für Renate Schuster wäre es in Ordnung, wenn die Bauern mit jedem Schwein etwa 20 Euro verdienen könnten. Ihr Fazit: „Dazu muss der Erzeugerpreis aber bei mindestens 1,70 Euro/kg liegen und die Kosten dürfen nicht ständig steigen.“ Beides ist derzeit nicht der Fall.

Leichter gesagt als getan

Eine Tierwohlabgabe und Mindestpreise könnten die Probleme nach Ansicht vieler Politiker lösen. Die Grünen fordern sogar eine radikale Reform der Fleischproduktion und der Tierhaltung in Deutschland. Die FDP bezeichnete es hingegen als „falschen Weg“, den Landwirten noch mehr Vorschriften zu machen.

Das sieht die deutsche Ernährungsindustrie ähnlich. „Ein Mindestpreis ist nicht nur verfassungsrechtlich schwierig umzusetzen, sondern auch schwer zu berechnen“, sagt Christian Böttcher vom Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels.

Auch Ulrich Niederschweiberer, Obmann des Bauernverbands Mühldorf, ist skeptisch: „Sollten Wurst und Fleisch teurer werden, weil die Produktion teurer werden, wird das Geld nicht zu den Bauern fließen.“ Die Landwirte hätten nichts davon, wenn die Schlachthöfe höhere Kosten haben. „Diejenigen, die die Endpreise bestimmen, sind nämlich die großen Discounter“, ist Niederschweiberer überzeugt.

Wie David gegen Goliath

„Ein bisschen ist es wie der Kampf David gegen Goliath“, sagt auch Landwirtschaftsministerin Klöckner. Gemeint ist die enorme Marktmacht des Einzelhandels. Beim Verkauf von Agrarprodukten müssen sich Lebensmittelindustrie und Bauern meist den Vorgaben der Einzelhandelsriesen beugen. Die vier großen Ketten in Deutschland – also Edeka, Aldi, Rewe und Lidl – beherrschen rund 85 Prozent des Lebensmittelmarktes.

„Die Folge dieser Konzentration sind ein gnadenloser Preiskampf auf dem Rücken der Bauern und rücksichtslose Rabatt- aktionen“, sagt Markus Drexler, der Sprecher des Bayerischen Bauernverbandes. Kostet Schweinefleisch im Supermarkt im Schnitt sechs bis zehn Euro pro Kilo, zahlt der Kunde bei einer der vielen Werbeaktionen nur halb so viel. Zum Beispiel: 2,99 Euro für ein Kilo Hackfleisch.

Der Einzelhandel fühlt sich indessen ungerecht behandelt. „Wir halten uns an Recht und Gesetz“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands, Stefan Genth. Weiter sagt er: „Lebensmittel werden in Deutschland nicht verschleudert. Hierzulande liegen die Preise sogar zwei Prozentpunkte über dem Schnitt der übrigen EU-Staaten“. Außerdem gebe es globale Preisabhängigkeiten. Die heimische Produktion gehe nämlich zu einem erheblichen Teil ins Ausland, argumentiert der Lobbyist.

Ganz falsch ist das nicht: Bei Schweinefleisch liegt die deutsche Selbstversorgung bei satten 120 Prozent. Das heißt, ein Sechstel der Produktion muss exportiert werden. Gleichzeitig fließen aber große Mengen Schweinefleisch aus dem Ausland auf den deutschen Markt und in die Regale des Handels. Derzeit sind es – ohne die Millionen importierter Ferkel – fast 30 Prozent der heimischen Verbrauchsmenge. Das ist schon eine Hausnummer.

Verbraucher machen nicht mit

Eine zentrale Frage für Landwirte und Politik ist: Sind die deutschen Verbraucher wirklich bereit, mehr Geld für Lebensmittel und für Tierwohl auszugeben? Umfragen scheinen dies zu bestätigen. „Es gibt in Deutschland eine breite Zustimmung zu mehr Tierwohl. Das wissen wir aus zahlreichen Studien“, sagt Achim Spiller von der Universität Göttingen.

Die Wirklichkeit sieht aber anders aus. Wissenschaftler der Hochschule Osnabrück haben herausgefunden: Im Supermarkt haben tatsächlich nur 16 Prozent der Kunden wirklich das teurere Fleisch mit dem Tierwohllabel gekauft. Der Preisunterschied betrug gerade einmal 30 Cent pro Packung.

Bestätigt wird dieses Dilemma durch das Marktforschungsunternehmen Nielsen. Dort heißt es: „Für fast zwei Drittel der Bundesbürger sind Sonderangebote beim Einkaufen sehr wichtig.“ So wird es aber schwer, das nötige Geld aufzubringen.

Im Wissenschaftlichen Beirat beim Landwirtschaftsministerium bezifferte man die jährlichen Kosten für mehr Tierwohl in einem Gutachten von 2015 auf drei bis 5 Mrd. Euro. „Dies entspricht in etwa einer Anhebung der Produktionskosten und – bei vollständiger Weitergabe an die Verbraucher auch der Preise – von etwa 20 Prozent“, sagt Spiller.

Für den Agrarökonomen ist dabei jedoch nicht das Finanzierungsmodell entscheidend, sondern die politische Strategie: „Wichtig ist, dass die Politik den Landwirten endlich Klarheit gibt, wo die Entwicklung in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten hingeht. Da gibt es einfach zu wenig Antworten.“

Das sehen auch die Landwirte so. Renate Schuster sagt: „Wir liefern ein Produkt, das die große Mehrheit der Verbraucher gern kauft und auch bezahlen kann. Das lassen wir uns nicht schlechtreden.“ ●

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