Logo agrarheute digitalmagazin

Artikel wird geladen

Wölfe sachlich betrachten

Stellen wir uns vor: Eine Art, die einst bei uns weit verbreitet war, kommt zurück. Ihre Plätze im Ökosystem sind mittlerweile eigentlich von anderen besetzt, doch weil sie streng geschützt ist, erobert sie sich Lebensräume zurück. Die Sorgen der Landwirte um ihr Eigentum werden kaum gehört. Auf Forderungen nach Entnahmen der Tiere reagieren Umweltschützer lautstark mit Kritik am Verlust der Artenvielfalt und verweisen auf europäisches Naturschutzrecht.

So weit sind wir in der gesellschaftlichen Diskussion ungefähr gerade beim Wolf. Bei jener besagten Art geht die Geschichte jedoch noch weiter: Verwaltungsexperten und Juristen sehen sich das EU-Recht genau an und nutzen die Möglichkeit, Zonen auszuweisen, in denen sich jene Tierart nicht ausbreiten darf. Die Population entwickelt sich trotzdem, von rund 800 Tieren allein in Bayern im Jahr 2012 auf mittlerweile rund 22.000 Tiere. Trotzdem werden Exemplare entnommen. Im Jahr 2018 waren es beispielsweise knapp 2.000 Stück. Gleichzeitig ist die Empörung der Umweltschützer über solche Entnahmen zurückgegangen und kein Jäger muss Angst vor Anfeindungen haben, wenn er ein solches Tier schießt.

Was unterscheidet Wolf und Biber?

Die Rede ist natürlich vom Biber. Natürlich richtet der Biber weiterhin Schäden an und ruft so Konflikte zwischen Menschen hervor, aber der Umgang mit ihm ist viel sachlicher als beim Wolf. Sicher, Biber reißen keine Nutztiere, aber ansonsten sind die Herausforderungen bei der Rückkehr der beiden Tierarten nicht unähnlich. Ich bin überzeugt davon, dass der Umgang mit dem Wolf auch irgendwann so sein wird, wie heute mit dem Biber.

Offen ist, wann dieser Punkt erreicht wird. In manchen EU-Staaten sind wir da bereits angekommen, in anderen nicht. Insbesondere die Minister der Grünen in der Bundesregierung haben die Chance, eine Brücke für den partnerschaftlichen Artenschutz zu bauen, indem sie einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen von Landwirten und Tierschützern finden. Leider reduziert Umweltministerin Steffi Lemke die Debatte jedoch auf eine Absenkung des Schutzstatus für Wölfe. Letztere hat sie Anfang Februar erst erneut abgelehnt (siehe dazu auch Beitrag „Wolf in Europa: Das Symbolltier“).

Bereits heute ermöglicht es die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, die den Umgang mit dem Wolf auf EU-Ebene regelt, Wege für den Umgang mit dem Wolf zu finden, die über eine uneingeschränkte Ausbreitung oder die Entnahme von auffälligen Einzeltieren hinausgehen. Schweden macht es vor, indem es Entnahmen erlaubt, welche die Konflikte zwischen Menschen und Wölfen reduzieren, aber natürlich nicht eliminieren. Dass eine erneute Ausrottung der Wölfe mit den heutigen jagdlichen Methoden überhaupt möglich wäre, bezweifle ich sehr.

Konflikte schaukeln sich auf

Ohne eine klare Ansage, wie es mit dem Wolf weitergeht, schaukeln sich die Dinge immer weiter auf. Sicher ist der Wolf kein politisch so wichtiges Thema wie der Krieg in der Ukraine. Viel politisches Kapital will darum niemand in eine Lösung investieren.

Von alleine kommt jedoch keine Lösung: nicht für Nutztiere, die in zunehmender Zahl gerissen werden. Nicht für Tierschützer, die sich wünschen, dass Landwirte endlich begreifen, wie unproblematisch der Wolf doch ist. Nicht für Landwirte, die sich in die Ecke gedrängt fühlen. Und nicht für die Wölfe, deren Bestand von schnellen Autos in der Nacht kontrolliert wird. Wie eine Lösung aussehen könnte, zeigt unser Schwerpunkt in dieser Ausgabe. ●

Der agrarheute-Brennpunkt

Im „Brennpunkt“ kommentiert die agrarheute-Redaktion regelmäßig ein aktuelles Thema von hoher politischer
oder gesellschaftlicher Brisanz.

Sie möchten mitdiskutieren? Wir freuen uns auf Ihren Beitrag! Schreiben Sie uns Ihre Meinung an:
redaktion@agrarheute.com

Digitale Ausgabe agrarheute

Schön, dass Sie in die digitale agrarheute reingelesen haben. Ihr überregionales Fachmagazin für moderne Landwirtschaft liefert Ihnen jeden Monat Informationen aus Politik, Technik und Tierhaltung und Ackerbau. So bleibt Ihnen mehr Zeit für das Wesentliche: die Landwirtschaft.

✔ Immer und überall verfügbar
✔ Artikel teilen
✔ Zusätzliche digitale Inhalte gegenüber der gedruckten Ausgabe
✔ Artikel merken und später lesen