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Aufs Korn

Ach, du Heilige Gülle

Wer mit Landwirtschaft vertraut ist, kann sich manchmal nur verdutzt die Augen reiben, was in naturferneren Kreisen dieser Gesellschaft so läuft. Jahrzehntelang nahm ich an, dass im Grunde jeder halbwegs Gebildete weiß: Tierische und menschliche Ausscheidungen sind ein prima Dünger. Dass Gülle oder Mist der Inbegriff von Kreislaufwirtschaft sind, hielt ich für Allgemeingut.

Falsch gedacht. Für manchen Zeitgenossen ist die Erkenntnis, dass Exkremente unter anderem Phosphor und Stickstoff enthalten, eine bahnbrechende Neuheit. So revolutionär, dass das Konzept einer Trockentoilette beinahe den Deutschen Nachhaltigkeitspreis (DNP) 2021 in der Kategorie Design gewonnen hätte.

Unter dem hippen Motto „Save your shit“ hat Christopher Purbst, Student an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft, seinen Designer-Abort zu dem Wettbewerb eingereicht. Das Faszinierende daran aus Sicht der Jury: Bei diesem Klosett werden die Hinterlassenschaften der Thronbesteiger nicht in die Kanalisation gespült, sondern gesammelt und als „Terra Preta“ zum Düngen genutzt. Was dem Landwirt gern als Umweltschweinerei und Brunnenvergiftung angelastet wird, ist also eigentlich einen Nachhaltigkeitspreis wert. Wer hätte das gedacht!

Auf die richtige Präsentation kommt es an. Dann kann man sogar aus Sch**** Geld machen.

Was lernen wir daraus? Auf die richtige Präsentation kommt es an. Dann kann man sogar aus Sch**** Geld machen. Denn wie preisen die Stifter des Nachhaltigkeits-Oskars das futuristische Plumpsklo so anheimelnd an: „Ein schlüssiges Design, das nicht nur funktional, sondern auch mit seiner ansprechenden und einladenden Architektur von außen wie von innen überzeugt.“ Wohl gemerkt, es handelt sich noch immer um ein Toilettenhäuschen, wenn auch mit Solarmodul auf dem Dach.

Weiter heißt es: „Gerade weil die Toilette im öffentlichen Raum steht, wird sie von vielen Menschen wahrgenommen und trägt dadurch zur Steigerung der gesellschaftlichen Akzeptanz von Ressourcenkreisläufen bei.“ Das ist doch genau das, was Landwirtschaft braucht! Gesellschaftliche Akzeptanz. Also, ihr Bauern: Holt hervor eure Güllewagen und hübscht sie ordentlich auf. Ein paar Alufelgen, Spoiler und ein kecker Schriftzug „We give a shit“ oder „Ihr Essen von morgen“ auf das Fass, das sollte den Städter doch durch „schlüssiges Design“ von der Kreislaufwirtschaft überzeugen. Aber Spaß beiseite. Ich fürchte, ganz so einfach wird es nicht.

Wollen Sie noch wissen, wer den Wettbewerb gewonnen hat? Der Designpreis 2021 ging unter anderem an eine waschbare Stoffwindel. Ja, auch das gab es schon einmal, aber damals hieß die Windel nicht „Sumo“ und wurde auch nicht aus den Algenwäldern isländischer Fjorde gewonnen.

So viel zur Kreislaufwirtschaft. Es kommt alles wieder, nicht nur in der Mode. ●

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