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Mieser Deal für Bauern

Der Green Deal würde erhebliche Teile der landwirtschaftlichen Produktion ins Ausland verlagern.

Auf den Punkt

  • Der Green Deal senkt die landwirtschaftliche Produktion und drückt die Einkommen in der EU.
  • Die Erzeugung würde ins Ausland verlagert und zu niedrigeren Standards importiert.
  • In anderen Weltregionen würden Wälder abgeholzt und die Emissionen zunehmen.

Der Green Deal will den radikalen Umbau der Agrarwirtschaft. Die Folgen für die Umwelt und die Bauern wären aber womöglich völlig andere als eigentlich gewollt. Das schreiben jedenfalls Richard Fuchs und eine Gruppe Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in der Zeitschrift Nature.

Fuchs sagt: „Der Import von Agrarprodukten, die unter weitaus schlechteren Standards erzeugt werden, würde drastisch zunehmen. Damit verlagert die EU ihre Umweltprobleme einfach in andere Länder und Weltregionen.“ Außerdem würden für die Produktion der importierten Agrarerzeugnisse weitere Wälder abgeholzt, sind die Forscher überzeugt. Die Umweltprobleme würden also einfach ausgelagert. Stattdessen schlagen die Wissenschaftler eine „nachhaltige Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion zur Steigerung der Erträge“ vor und die Zulassung moderner Technologien wie etwa die Genom-Editierung (Crispr).

Weniger Einkommen und hohe Kosten

Das wäre ein völlig anderer Weg, als die EU-Kommission ihn gehen will. Ihr Konzept wäre mit erheblichen Einkommensverlusten für die Bauern und möglicherweise mit stark steigenden Verbraucherpreisen verbunden. Das zeigt eine Folgenabschätzung der Wissenschaftsabteilung des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums (USDA) unter Leitung von Jayson Beckman.

Dabei kommt unter anderem heraus: Die landwirtschaftliche Produktion in der EU würde um 7 bis 12 Prozent einbrechen und die Wettbewerbsfähigkeit würde sich drastisch verschlechtern. Die Einkommen der europäischen Bauern würden um 16 Prozent schrumpfen, während anderswo Produktion, Agrarpreise und Einkommen steigen würden.

„Doch es gäbe auch Folgen, die weit über die EU hinausgehen“, sagt Beckman. Unter anderem würden die weltweiten Lebensmittelpreise kräftig steigen, und damit auch die Kosten für die Verbraucher. Außerdem ginge die Zahl der Menschen, deren Lebensmittelversorgung gefährdet wäre, deutlich nach oben, ist das USDA überzeugt.

Die Kommission selbst hat bisher noch keine wissenschaftlich begründete Folgenabschätzung des Green Deals vorgelegt. Nach ihren Plänen soll Europa bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent sein. Dafür will man die Landwirtschaft umweltfreundlicher machen. Die Nutzung erneuerbarer Energien soll kräftig ausgebaut werden.

Die EU will „dem Rest der Welt zeigen, wie man nachhaltig und zugleich wettbewerbsfähig ist“, sagt Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission. Hinter der Rhetorik lauern jedoch viele Probleme: für die Bauern, für die Verbraucher und für die übrigen Regionen der Welt.

Auslagerung der Probleme

Im Rahmen des Green Deals sollen die europäischen Bauern bis 2030 etwa ein Viertel der landwirtschaftlichen Fläche biologisch bewirtschaften. Zu bedenken ist dabei jedoch, dass der ökologische Landbau nur halb so hohe Erträge erzielt wie der konventionelle Ackerbau. Und es werden erheblich weniger Tiere gehalten. Außerdem soll der Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln um 20 beziehungweise 50 Prozent reduziert werden. „Diese Maßnahmen sind wichtig und sinnvoll“, sagt Richard Fuchs.

„Aber es wird auch notwendig sein, Außenhandelsziele festzulegen. Andernfalls werden wir das Problem nur auslagern und unseren Planeten weiterhin beschädigen“, betont der Wissenschaftler.

Dabei ist die EU schon jetzt stark von Agrarimporten abhängig. Nur China importiert mehr. Die hohen Einfuhren ermöglichen es den Europäern, weniger intensiv zu wirtschaften. Gleichzeitig fordert die EU in Handelsabkommen aber keine nachhaltige Produktion der importierten Güter. Das ist schlecht für die Umwelt und zugleich ein Wettbewerbsnachteil für die Bauern. Deshalb hat das Forscherteam die Nachhaltigkeitsbedingungen im Ausland mit denen in Europa verglichen und empfiehlt Maßnahmen, um die Produktionsbedingungen in einem standardisierten Verfahren zu vergleichen.

Import zu schlechteren Standards

Im Jahr 2019 importierte die Europäische Union etwa ein Fünftel der verbrauchten pflanzlichen Erzeugnisse aus Nicht-EU-Ländern. Hinzu kamen viele Fleischprodukte.

„Die Importe stammen meist aus Ländern, deren Umweltstandards weitaus weniger streng sind als die in Europa“, sagt Fuchs. „Bestimmte in Europa verbotene oder eingeschränkte landwirtschaftliche Praktiken sind bei den Importen ausdrücklich erlaubt und werden nicht einfach nur übersehen.“ Als Beispiel nennt Fuchs gentechnisch veränderte Organismen, die seit 1999 starken Einschränkungen in der EU-Landwirtschaft unterliegen. Dennoch importiert Europa gentechnisch veränderte Sojabohnen und Mais aus Brasilien, Argentinien, den USA und Kanada, schreiben die Wissenschaftler.

„Im Durchschnitt verbrauchen die europäischen Handelspartner mehr als doppelt so viel Düngemittel wie wir. In den meisten dieser Länder hat der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sogar zugenommen“, sagt Fuchs.

Seiner Meinung nach besteht das Problem darin, dass jede Nation Nachhaltigkeit auf ganz unterschiedliche Weise definiert. In Europa verbotene Dinge könnten anderswo durchaus erlaubt und akzeptiert sein. „Durch den verstärkten Import von Waren aus diesen Ländern lagert die EU Umweltschäden aber einfach nur in andere Regionen aus und verdient die Lorbeeren für ihre umweltfreundliche Politik im Inland“, betont der Umweltforscher.

Agrarpoltik muss liefern

Die Abhängigkeit der EU von Agrarimporten ist das Ergebnis jahrzehntelanger politischer Maßnahmen und Ereignisse, die die Anbaufläche gewollt verringert haben. „In der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) wurden die Subventionen auf der Grundlage der Fläche und nicht der Produktion festgelegt, mit dem ausdrücklichen Ziel, die Lebensmittelproduktion insgesamt zu verringern“, sagt Fuchs.

In Bezug auf die Importe empfehlen die Wissenschaftler der Nature-Studie deshalb, die Nachhaltigkeitsstandards dringend zu harmonisieren, um den Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren und Entwaldung anderswo zu vermeiden. „Die EU kann ihre Standards nicht in anderen Ländern durchsetzen, aber sie kann verlangen, dass Waren, die auf den europäischen Markt kommen, den EU-Anforderungen entsprechen“, sagt Richard Fuchs.

Die Forscher fordern deshalb, dass der CO2-Fußabdruck weltweit bewertet und anschließend verbessert werden müsse. Der Kohlenstoffausgleich gemäß dem Pariser Abkommen deckt nämlich nur Emissionen ab, die durch die inländische Produktion verursacht werden. Emissionen, die bei der Herstellung landwirtschaftlicher Importprodukte im Ausland entstehen, werden aber nicht berücksichtigt.

Darüber hinaus möchten die Wissenschaftler eine Reduzierung des Verbrauchs von Fleisch und Milchprodukten in der EU. Dies würde ihrer Meinung nach den Importbedarf landwirtschaftlicher Produkte verringern. „Solche Reduzierungen sind politisch allerdings schwer umzusetzen, wie die Diskussion für und gegen Fleischsteuern zeigt“, sagt Fuchs.

Die Produktion lieber steigern

Die Lösung: Für die Landwirtschaft in der EU schlagen die Wissenschaftler vor, die Inlandsproduktion nach definierten Standards auszubauen und zu steigern. „Zu diesem Zweck könnten Gebiete mit geringer Artenvielfalt oder bisher nicht landwirtschaftlich genutzte Fläche umgebaut werden“, heißt es in ihrem Vorschlag. Dies würde die Entwaldung außerhalb Europas verringern, die durch die Schaffung neuer landwirtschaftlicher Flächen verursacht wird.

„Die Ernteerträge könnten außerdem auch durch die Crispr-Gen-Editing-Technologie gesteigert werden“, ergänzt Fuchs. Diese Technik verbessere Masse, Ertrag, Wachstum und Schädlingsresistenz von Pflanzen, ohne Gene einer anderen Art zu verwenden. Im Gegensatz zu den USA und China behandelt die EU das Verfahren jedoch als konventionelle gentechnische Technologie.

Die Wissenschaftler sagen aber auch: „Nicht alle Maßnahmen sind einfach umzusetzen. Eine Neuausrichtung der landwirtschaftlichen Produktion würde jedoch dazu beitragen, die europäische Nahrungsmittelproduktion vor globalen Marktschwankungen, Störungen der Lieferkette und Auswirkungen des Klimawandels zu schützen.“

Nur so würde der Green Deal der EU-Kommission für ein klimaneutrales Europa sorgen, und zugleich für die europäischen Landwirte und für den gesamten Planeten zu einem guten Geschäft werden.

Leider verzichtet die Brüsseler Kommission bisher darauf, die Wechselwirkungen zwischen europäischer Agrarproduktion, Importen und Verbrauch zu erklären, und eine klare Strategie zu den Auswirkungen des Green Deals mit den Beteiligten zu diskutieren. ●

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