Logo agrarheute digitalmagazin

Artikel wird geladen

Brennpunkt

Zukunftskommission: Die große Versöhnung?

Einstimmig haben Agrar- und Umweltseite sich auf einen Weg zur ökologischen Transformation der deutschen Landwirtschaft geeinigt.

Seit die Zukunftskommission Landwirtschaft am 30. Juni ihren Abschlussbericht vorgelegt hat, ist einiges passiert: In den Medien sind auf einmal viele gemeinsame Botschaften von Vertretern der Umwelt- und Agrarseite zu hören. Möglich gemacht hat die Zukunftskommission Landwirtschaft dieses kleine Wunder, indem sie eine Rolle als fairer Makler eingenommen und in fachlicher Arbeit Gemeinsamkeiten ausgelotet hat.

Es gibt Landwirte, die sagen, die landwirtschaftlichen Organisationen hätten sich über den Tisch ziehen lassen. Es gibt die Umweltaktivisten von Greenpeace, die sich aus der Zukunftskommission Landwirtschaft zurückgezogen haben und lieber auf spektakuläre Stunts setzen – auch wenn sie, wie bei der Fußball-EM, damit Menschen gefährden – als inhaltlich etwas beizutragen.

Beide Gruppen sind, meiner Meinung nach, im Unrecht. Wer einen Satz finden will, an dem man Anstoß nehmen kann, wird diesen im Abschlussbericht wahrscheinlich entdecken. Doch wer das große Ganze liest, wird erkennen, wie ausgewogen der Bericht der Zukunftskommission Landwirtschaft letztlich ist. Kein Wunder, dass er von allen Seiten einstimmig angenommen wurde.

Alte Feinde zu neuen Partnern

Die Landwirtschaft hat momentan die Chance, aus dem Fadenkreuz der Umweltaktivisten herauszukommen. Ja, sie muss dafür von einigen ihrer Maximalforderungen abrücken, aber die andere Seite muss das auch. Viele Details zur Umsetzung der Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft sind selbst nach Veröffentlichung des Abschlussberichts noch offen. Sie müssen von der Politik im Rahmen der nächsten Koalitionsverhandlungen geklärt werden.

Zum ersten Mal gibt es jedoch einen Plan, wie wir die Landwirtschaft modernisieren können, ohne gleich wieder in die nächste Nachforderung von Aktivisten zu stolpern. Das ist die große Leistung der Zukunftskommission. Dieser Weg erfordert Vertrauen und Offenheit auf allen Seiten, aber er ist es wert, versucht zu werden.

Wenn Umweltschützer und Landwirte nicht länger als Feinde, sondern als Partner wahrgenommen werden, wäre das eine unschätzbar wertvolle Investition in die deutsche Agrarbranche. Mag sein, dass dieser Prozess noch irgendwann scheitert, aber wenn man es nicht versucht, dann hieße das, der Versöhnung gar keine Chance zu geben.

Alte Partner zu neuen Feinden

Wer seitens der Landwirtschaft überlegt, was denn die Umweltseite davon hat, hier den Weg der Zukunftskommission Landwirtschaft ehrlich und offen zu begleiten, der denke an die wirtschaftliche Entwicklung: Die Bauern werden immer weniger und die Tierzahlen auch. Eine immer kleinere Gruppe von Menschen, selbst wenn sie den wirtschaftlich hoch attraktiven Grund und Boden besitzt, kann irgendwann nicht mehr glaubhaft für so viele Übel der Gesellschaft verantwortlich gemacht werden. Am Horizont zeichnet sich bereits ab, wer die neuen Feinde der Umweltseite sein könnten. Eine kleine, nicht abschließende Auswahl:

  • Flugreisende – vor allem die Vielflieger – und die Unternehmen, die sie in die Luft bringen;
  • Hersteller und starke Nutzer von Plastik, nicht nur wegen dessen Produktion aus Erdöl, sondern auch wegen der langfristigen Auswirkungen, etwa durch Mikroplastik;
  • Einfamilienhausbesitzer, die gestern noch die Umweltschützer unterstützten, um die Umgehungsstraße oder das Windrad in ihrer Nachbarschaft zu verhindern, die aber morgen stigmatisiert werden, weil sie zu viel Fläche, Baustoffe und Energie verbrauchen.

Niemand kann gegen die ganze Welt auf einmal kämpfen. Deswegen hat die Umweltseite ein Interesse daran, sich mit der Landwirtschaft auszusöhnen. Rund um den Abschlussbericht der Zukunftskommission Landwirtschaft ist die Chance der Landwirte, weiter an dieser Aussöhnung zu arbeiten, denn auch die Bauern haben neue Verbündete dringend nötig.

Es geht um Milliarden – und mehr

Schließlich geht es um Milliarden, die im Sinne einer ökologischen Transformation in die Landwirtschaft fließen müssen. Die Zukunftskommission Landwirtschaft selbst geht von 5 bis 8 Mrd. Euro jährlich aus. Selbst nachdem die nationalen und europäischen Beihilfen abgezogen sind, blieben 1,5 bis 4,5 Mrd. Euro an zu leistenden Transfers übrig. Intensiv über die Nutzung dieser Gelder mitzureden, ist nicht nur wegen der Fördermittel an sich wichtig.

Staatliche Gelder sollen nur das Mittel zum Zweck sein, um einen Markt für nachhaltig produzierte Lebensmittel zu schaffen. Diesen Markt braucht es, wenn die ökologische Transformation der Landwirtschaft langfristig gelingen soll. Dabei mitzureden, wie sich dieser Markt entwickeln soll, um langfristig tragfähig und nicht nur ein vorübergehender planwirtschaftlicher Tagtraum zu sein, ist eine der wichtigsten Aufgaben der Agrarwirtschaft. Die Chance dazu besteht und es wäre töricht, sie verstreichen zu lassen oder jemand anderem zu erlauben, die Landwirte als Verweigerer darzustellen. ●

Digitale Ausgabe agrarheute

Schön, dass Sie in die digitale agrarheute reingelesen haben. Ihr überregionales Fachmagazin für moderne Landwirtschaft liefert Ihnen jeden Monat Informationen aus Politik, Technik und Tierhaltung und Ackerbau. So bleibt Ihnen mehr Zeit für das Wesentliche: die Landwirtschaft.

✔ Immer und überall verfügbar
✔ Artikel teilen
✔ Zusätzliche digitale Inhalte gegenüber der gedruckten Ausgabe
✔ Artikel merken und später lesen