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Brennpunkt

Plötzlich im roten Gebiet

Haben Sie in den letzten Wochen Post bekommen oder in die entsprechenden Karten im Internet geschaut? Ist Ihr Betrieb weiterhin oder sogar neu im roten Gebiet? Sind sie außerdem Nutztierhalter und haben mehr Gülle, als Sie im verbleibenden Zeitfenster ausbringen können?

Wenn ja, treibt Sie das Thema wahrscheinlich gewaltig um: Betriebe, die Gülle aufnehmen, sind nicht überall leicht zu finden. Geld, um in große zusätzliche Lagerkapazitäten zu investieren, liegt bei Ihnen wahrscheinlich nicht herum – ganz zu schweigen davon, dass es nicht leicht ist, eine Baufirma dafür zu finden oder schnell eine Genehmigung zu bekommen. Doch was können Sie jetzt noch tun?

Klagen oder nicht?

Natürlich können Sie gegen die Festlegung der roten Gebiete klagen. Gerade wenn Sie gegen die Düngeverordnung demonstriert haben, ist dieser Wunsch verständlich. Entsprechende Interessengemeinschaften gibt es bereits. Allerdings sind Gutachter teuer und kaum ein Anwalt wird es Ihnen ehrlich sagen, wenn eine Klage geringe Erfolgsaussichten hat. Sicher ist: Selbst eine erfolg- reiche Klage dauert Jahre.

Atmen Sie also vor dem Gang zum Anwalt erst einmal tief durch. Analysieren Sie, was das rote (oder gelbe) Gebiet bedeutet und wie Sie betrieblich darauf reagieren können. Selbst wenn Sie erfolgreich klagen, werden sie voraussichtlich zwei bis vier Jahre mit der neuen Gebietseinteilung leben müssen.

Falls Sie trotzdem klagen wollen, überlegen Sie ganz genau warum: Sind Sie im roten Gebiet aufgrund neu bestimmter Messstellen, auf die die Landwirtschaft Einfluss hat? Wenn ja, sind die Erfolgsaussichten nicht gut. Sind sie im roten Gebiet, ohne dass neue Messstellen berücksichtigt wurden, etwa wegen einer geschätzten regionalen Stickstoffbilanz? Dann könnten sie größere Erfolgsaussichten haben. Oder sind Sie im roten Gebiet, weil ihr Bundesland die geforderte Binnendifferenzierung doch nicht bis zum 31. Dezember 2020 geschafft hat? Auch dann könnte es Chancen geben.

Besprechen Sie sich aber in jedem Fall mit anderen Landwirten und mit landwirtschaftlichen Organisationen, die eine Klage unterstützen könnten. Bundes- und Länderrecht sind beim Thema sehr stark verwoben und Erfolgsgarantien kann niemand geben. Am Ende steht wahrscheinlich ein juristischer Flickenteppich, der sich von Bundesland zu Bundesland stark unterscheidet.

Offen ist auch, ob man wegen eigener Grundwasseruntersuchungen, etwa den Messwerten am Hofbrunnen, aus dem roten Gebiet herauskommen kann. Ich könnte mir vorstellen, dass eine „gute“ Messstelle eher in das Gesamtergebnis der Grundwasserwerte einfließt und dem Einzelbetrieb wenig nützt. Sicher ist das aber nicht.

Nehmen Sie die Länder in die Pflicht

Lassen Sie sich auf jeden Fall beraten, wie Sie mit den konkreten Anforderungen des roten (oder gelben) Gebiets auf Ihrem Betrieb umgehen. Nehmen Sie hier auch die Länder in die Pflicht, zügig Angebote zu schaffen. Lassen Sie es nicht gelten, wenn diese sich auf die Förderung des Bundes zur Investition in moderne Ausbringungstechnik, Lagerung und Aufbereitung von Gülle herausreden. Hierfür stehen über vier Jahre zwar insgesamt 816 Mio. Euro bereit. Angesichts der Vielzahl an Betrieben, Maschinenringen und Lohnunternehmern die sich bewerben können, wird die Nachfrage aber wahrscheinlich größer als das Angebot.

Reden Sie auch mit den Kommunen, wenn Sie das nicht ohnehin schon getan haben. Bei der Festlegung von Messstellen haben die Gemeinden ein Wörtchen mitzureden. Falls es immer noch schlecht ausgewählte Messstellen gibt, die das Gesamtergebnis negativ beeinflussen, können die Kommunen helfen nachzusteuern.

Stoßen Sie Kooperationen an

Schließlich bleibt Ihnen noch, bestehende Kooperationen zu nutzen oder neu anzustoßen. Güllebörsen gibt es bereits und überbetrieblich beziehungsweise über den Maschinenring mag sich auch die Separierung von Gülle lohnen. Gülle durch das Land zu fahren ist zwar sicher nicht der tiefere Sinn des Gesetzgebers gewesen, als die Düngeverordnung reformiert wurde, aber angesichts der Kürze der Zeit, in der die roten Gebiete nachjustiert werden, ist es eine logische Konsequenz.

Klar ist natürlich, dass Landwirte handeln müssen, falls durch Ihr Tun die Nitratwerte im Grundwasser wirklich schlecht sein sollten. Auch hier könnte es helfen, durch Gespräche mit Berufskollegen die Einhaltung der fachlichen Praxis in einer Gegend zu verbessern. Inwieweit das etwas bringt, kann aber auch von Faktoren abhängen, auf die die Landwirte keinerlei Einfluss haben – insbesondere die Niederschläge.

Verschlimmerung vermeiden

Schließlich sollten Sie sich aktiv einbringen, damit nicht alles noch schlimmer wird und sich die Politik von einer praxisgerechten Regelung noch weiter wegbewegt. Glauben Sie nicht, dass mit den jetzigen roten Gebieten das Maximum erreicht ist. Wie Recherchen von agrarheute zeigen, müssen Düngegesetz und Stoffstrombilanz bereits 2021 erneut angepasst werden. Aktive Beteiligung am politischen Dialog bleibt für alle Landwirte eine wichtige Pflicht. ●

Im „Brennpunkt“ kommentiert die agrarheute-Redaktion regelmäßig ein aktuelles Thema von hoher politischer oder gesellschaftlicher Brisanz.

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