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„Bauernstand kann Tierwohl nicht alleine tragen“

Junglandwirtin Julia Göggelmann bewirtschaftet mit ihren Eltern einen Milchviehbetrieb mit Direktvermarktung in Bayern. Über beide Themen bloggt für agrarheute.

Kannst du den Ruf der Verbraucher nach mehr Tierwohl verstehen?

Wenn ich von mir selbst als Verbraucher ausgehe, dann lassen mich die vielen Skandale in den Medien am Tierwohl zweifeln. Da ist es meiner Meinung nach nachvollziehbar, sich als Verbraucher mehr Tierwohl zu wünschen.

Wie siehst du das Thema als Landwirtin?

Mir – und ich denke, da spreche ich für den Großteil meiner Kollegen – liegt das Wohl der Tiere sehr am Herzen. Ich würde lügen, wenn ich sage, dass mir jede Kuh egal ist, die ich abgeben muss. Ich will, dass es ihnen so gut wie möglich geht, solange sie bei mir auf dem Hof sind. Nur dann sind sie auch leistungsbereit. Tierwohl ist also allein schon aus betriebswirtschaftlicher Sicht wichtig.

Wie setzt ihr auf eurem Betrieb Tierwohl um?

Wir legen großen Wert aufs Herdenmanagement. Zudem schauen wir natürlich, wie wir unsere Haltungsbedingungen stetig weiterentwickeln können. In diesem Jahr haben wir unsere Laufflächen zum Beispiel mit Gummimatten ausgelegt. Es fängt ja aber auch schon damit an, dass der Stall nicht überbelegt ist und man ordentliche Boxenpflege betreibt.

Werden wir beim Thema Tierwohl irgendwann am Ende angelangt sein?

Aktuell sind Tierwohlställe in aller Munde, sie sollen das Nonplusultra sein. Das macht den Anschein, als ob Tierwohl endlich ist und die Möglichkeiten irgendwann ausgeschöpft sind. Trotzdem denke ich, dass wir Landwirte uns ständig hinterfragen müssen, wie wir unsere Tiere halten. Ich persönlich sehe es als Lebensaufgabe, dass es meinen Tieren gut geht.

Welche Faktoren limitieren das Tierwohl?

Zuerst würde ich Arbeitszeit nennen. Nehmen wir unseren Trockensteherstall als Beispiel: Früher haben wir einfach ein Gatter aufgemacht und die Kühe in den Trockensteher- bereich getrieben. Letztes Jahr haben wir den Trockenstehern mit einem eigenen Stall einen Wellnessbereich geschaffen. Dorthin müssen wir sie einmal quer über den Hof treiben. In der Summe kostet das bedeutend mehr Zeit. Und dann ist da auch der finanzielle Aspekt. Große Investitionen ins Tierwohl müssen sich am Ende auch beim Verkaufspreis unserer Produkte bezahlt machen. Als dritten Punkt sehe ich die individuellen Gegebenheiten der Betriebe. So ist beispielsweis nicht jeder Hof von wunderschönen Weideflächen umgeben.

Muss die Gesellschaft akzeptieren, dass dem Tierwohl Grenzen gesetzt sind?

Ja, irgendwie schon und das müssen wir auch entsprechend kommunizieren. Jedoch muss der Verbraucher auch selbst weiterdenken. Wenn jemand einen Hund hält, sind die Möglichkeiten an Tierwohl ja auch irgendwann ausgeschöpft: qualitativ hochwertiges Futter, ein passendes Körbchen, regelmäßiger und angemessener Auslauf etc. Und so ist es bei unseren Nutztieren eben auch. Ab einem gewissen Punkt kann man einfach nur noch an ganz kleinen Stellschrauben drehen.

Was wird passieren, wenn die Gesellschaft weiterhin immer mehr Tierwohl fordert?

Puh, schwere Frage. Entweder Tierwohl ist uns als Gesellschaft wirklich wichtig und wir bezahlen das auch entsprechend Oder es wird weiterhin gefordert, aber nicht bezahlt. Damit kommen wir in eine Abwärtsspirale, die vielen Betrieben zu schaffen machen wird. Tierwohl ist nötig und möglich, aber es muss einfach gesamtgesellschaftlich mitgetragen werden. Der Bauernstand kann nicht allein umsetzen, was alle fordern.

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