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Biostimulanzien selbst testen

Arbeitsbesprechung im Feld im thüringischen Westerengel: Biostimulanzien können sich bei hohen Düngerpreisen schnell bezahlt machen.

Zu Boden- und Pflanzenstimulanzien gibt es bisher wenig unabhängige Versuchsergebnisse. Wer sich damit befasst, wird schnell in der Esoterik-Ecke verortet. Warum testen Sie, Herr Wickenhagen, trotzdem „energetisch angereicherte“ Biostimulanzien?

Das stimmt. Sofort weht einem ein kräftiger Wind gehöriger Skepsis entgegen. Wir liegen mit unserem Betrieb aber im Nitrat-Überschussgebiet, also im nitratsensiblen roten Gebiet, in dem wir die Stickstoffdüngung einschränken müssen. Da greift man nach jedem Strohhalm.

So sind Sie auf Biostimulanzien gekommen?

Ja, Hand aufs Herz, wer hat nicht schon versucht, mit Naturheilmitteln, Vitaminen oder Globuli den Unpässlichkeiten des Lebens zu begegnen? Klar, der Placebo-Effekt ist nicht zu unterschätzen und er wirkt bei uns Menschen sogar, auch wenn wir wissen, dass nichts weiter als Milchzucker in der Pille enthalten ist.

Mathias Wickenhagen

Mathias Wickenhagen ist Geschäftsführer im Betrieb in Greußen-Westerengel mit 40 Mitarbeitern und 1.750 ha, davon 15 ha Grünland. Dazu zählen 820 Kühe mit Nachzucht, Futterbau mit 250 ha Mais, 200 ha Luzerne und rund 1.000 ha Marktfruchtanbau.

E-Mail: info@agrar-westerengel.de

Ackerbauern selbst können sich täuschen, aber wie sieht es bei Pflanzen und Böden aus?

Denen kann man ja schwerlich die Erwartungen, die man an die Wirkung der Biostimulanzien und Hilfsmittel hat, mit in die Applikation geben. Hier zählen für mich nur messbare Werte und Daten.

Die liefern zwar immer mehr Hersteller von Biostimulanzien, aber unabhängig sind sie nicht. War das der Grund, die Mittel selbst zu testen?

Grund dafür sind die zunehmenden Restriktionen, die wir mit der Düngeverordnung und beim Pflanzenschutz einhalten müssen. Da schaut man sich nach Alternativen um und experimentiert damit. Auf alle Fälle kommt der Markt hier in Bewegung.

Bei Ihnen hat ein Versuchsansteller einen Langzeitversuch mit den Produkten einer Schweizer Firma angelegt. Wie sieht der Versuch aus?

Eingesetzt wurden zwei Biostimulanzien des Anbieters Penergetic in einem On-Farm-Versuch auf über 40 ha, durchgeführt von Feiffer Consult. Dabei handelt es sich zum einen um eine Bodenstimulanz, welche die Aktivität der Bodenbiologie erhöhen soll. Rottevorgänge und Humusaufbau werden gefördert und die für die Pflanzenernährung wichtigen Mykorrhizen sollen gezielt angeregt werden.

Und das zweite Präparat?

Dabei handelt es sich um ein Pflanzenstärkungsmittel, welches das Immunsystem der Pflanzen positiv stimulieren soll. Die Pflanzen sollen damit in Symbiose mit den Mykorrhizen besser auf die bodengebundenen Nährstoffe zugreifen können.

Woraus bestehen die Produkte?

Der Grundstoff ist Sikron, ein fein vermahlener Quarz. Auf der großen Oberfläche des Trägerstoffs lassen sich „ausgewählte elektromagnetische Frequenzen“ aufbringen, die wiederum bei der Applikation positive Effekte auf Boden und Pflanzen anschieben sollen. Wie das geschieht, ist ein „Betriebsgeheimnis“.

Wann und wie werden die Mittel ausgebracht?

Spätestens zehn Tage vor der Saat oder nach der Ernte. Möglich ist das auch in Kombination mit herkömmlichen Pflanzenschutzmitteln. Der Aufwand liegt bei 500 bis 1.000 g/ha.

Wie wurde der Versuch bei Ihnen durchgeführt?

Die 40 ha große Versuchsfläche wurde in fünf Varianten unterteilt, mit Wiederholungen auf drei Schlägen. Darunter gab es eine unbehandelte Kontrolle, die keinerlei Biostimulanz erhielt. Weiter wurde eine Placebo-Variante angelegt. Dort wurde nur das reine Quarzmehl ausgebracht, ohne aufgebrachte Frequenzen.

Was wollten Sie genau wissen?

Wir wollten wissen, ob nicht schon allein das Trägermaterial Veränderungen bewirken könnte. In der Humanmedizin sind fein vermahlene Gesteinsmehle ja dafür bekannt, Giftstoffe im Körper zu binden.

Wie sah der Grundaufbau des Versuchs aus?

Es gab neben der unbehandelten Kontrolle ohne Boden- und Pflanzenstimulanzien und betriebsüblicher Stickstoffdüngung eben die weiteren Versuchsglieder. Alle wurden im ersten Versuchsjahr betriebsüblich gedüngt und im zweiten mit 30 Prozent weniger Stickstoff.

Was enthielten die anderen Versuchsglieder?

Die dritte, vierte und fünfte Variante erhielten sowohl die Bodenstimulanz wie auch das Pflanzenstärkungsmittel. Die drei Varianten unterscheiden sich dadurch, dass die Pflanzenstimulanz gar nicht, in einfacher und in doppelter Menge appliziert wurde, frei nach dem Motto: Viel hilft viel. Im zweiten Versuchsjahr wurde dann die N-Menge um 30 Prozent reduziert, außer in der unbehandelten Kontrolle. Sie wurde betriebsüblich gedüngt.

Warum wurde der Versuch so aufwendig angelegt?

Damit haben wir versucht, einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen. Dies geschah einfach aus dem Grund, weil wir den Pflanzenhilfsstoffen sehr skeptisch gegenüberstanden und eine Wirkung häufig auf subjektiven Erfahrungen beruht. Deshalb sollten möglichst viele messbare Daten ermittelt werden.

Welche Parameter haben Sie messen lassen?

Es wurden Parameter vom Boden über das Wachstum, die Erträge bis hin zur Druscheignung und den Korninhaltsstoffen erfasst. Ziel war es, die Wirkweise der Biostimulanzien mithilfe der verschiedenen Parameter besser interpretieren zu können. So wurden neben den klassischen Bonituren auch Bodenproben gezogen, die Bodenfeuchte gemessen, Verrottungsversuche angestellt. Drohnenflüge oder Korninhaltsanalysen kamen hinzu. Zuletzt wurden beim Drusch Mähdrescherleistung, Verluste und Kraftstoffverbrauch gemessen.

War das nicht etwas viel des Guten?

Zugegeben ist das etwas überbordend. Doch am Ende will man ja an Funktionsweisen nicht nur glauben, sondern es tatsächlich wissen.

Welche Ergebnisse haben sich gezeigt?

Um es gleich vorweg zu nehmen: Es hat im ersten und zweiten Jahr funktioniert. Wir wissen aber nicht wirklich, warum. Im ersten Versuchsjahr zeigte sich ein Trend zu höheren Erträgen bei denjenigen Varianten, die mit den Biostimulanzien angeregt wurden.

Wie hoch waren die Mehrertäge in Ihrem Betrieb?

Gegenüber der unbehandelten Kontrolle lagen die Mehrerträge bei 1 bis 9 Prozent. All unsere Untersuchungen konnten dafür aber keine eindeutige Erklärung liefern. Einzig der Normalized Difference Vegetation Index (NDVI) war in den Versuchsgliedern mit Biostimulanzien erhöht. Er misst die Reflexion im nahen Infrarotbereich der Blätter. Je vitaler die Pflanzen, desto größer ist der NDVI.

Biostimulanzien können sich durchaus zur Alternative für Probleme bei Düngung und Pflanzenschutz mausern.

Was ergaben die Drohnenflüge genau?

Eine Drohne hat die Flächen zweimal überflogen. Im Mai gab es noch keine Unterschiede, aber gut einen Monat später waren Unterschiede zu erkennen. Die bessere Vitalität der Kultur sehen wir im Zusammenhang mit den erhöhten Erträgen. Im darauffolgenden Jahr haben wir bei diesen Varianten die Stickstoffdüngung eben um 30 Prozent gesenkt. Lediglich die unbehandelte Kontrolle wurde betriebsüblich weitergeführt.

Was zeigte sich dabei?

Hier war interessant, dass die Placebo-Variante, die nur das reine Gesteinsmehl ohne die Botenstoffe erhielt, mit Ertragsabfall reagierte, natürlich auch wegen der verringerten Düngung um 30 Prozent. Die stimulierten Versuchsglieder waren dagegen im Ertrag gleichauf mit der unbehandelten Kontrolle, welche die volle Stickstoffdüngung erhalten hatte.

Was machte das in Euro pro Hektar aus?

In unserem Versuch mit 30 Prozent weniger Stickstoffdüngung machte das immerhin etwa 55 Euro/ha aus. Bei inzwischen verdreifachten Düngerpreisen liegt der Nutzen nun bei gut 100 Euro/ha. Im Gegenzug kosteten die Biostimulanzien 15, 28 und 40 Euro/ha. Da sie einfach zugemischt werden konnten, ergaben sich keine Extraüberfahrten.

Warum wurde der Versuch nicht weitergeführt?

Das dritte Versuchsjahr wurde wegen großer Nester mit Trespe nicht gewertet. Außerdem wurde die Düngung zuletzt nur in der letzten Qualitätsgabe um 30 Prozent gesenkt. Wir glaubten, dass die zuvor gedüngte Gülle noch genügend mobilisiert. Da haben wir uns verspekuliert und der Proteingehalt war in den reduzierten Varianten geringer.

Welches Fazit ziehen Sie aus Ihren Versuchen?

Die zweijährigen Ergebnisse waren in ihrer Konstanz überraschend für uns, weil wir eher mit Skepsis an die Sache herangegangen sind. Die Reduzierung der Düngung lässt sich vielleicht in einem Jahr verkraften. Bisher zeigen die Bodenuntersuchungen noch keine Defizite durch die reduzierte Düngung. In welcher Höhe die Biostimulanzien jedes Jahr Nährstoffe pflanzenverfügbar mobilisieren können – bei gleichzeitig abgesenkter Stickstoffdüngung, das müssen weitere Versuche über einen längeren Verlauf erst noch zeigen.

Sie werden Biostimulanzien also auch weiterhin testen?

Ja, auf jeden Fall. Sollten sich die bisherigen Ergebnisse bestätigen, könnten sich Stimulanzien zu einer Alternative bei der Problemlösung für Pflanzenschutz und Düngung entwickeln.

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