Erste Hilfe auf dem Hof
Ein Sturz von der Leiter, ein Tritt von der Kuh, ein Schnitt in der Werkstatt: Täglich kommt es auf den landwirtschaftlichen Betrieben Deutschlands zu Unfällen. 2020 zählte die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau für alle Arbeitsbereiche 64.064 meldepflichtige Unfälle, also Arbeitsunfälle mit mehr als drei Tagen Arbeitsunfähigkeit.
Die häufigsten Verletzungen passieren beim Getroffenwerden, Sichschneiden, Umknicken, Ausrutschen und Herunterfallen. Oft muss mehr oder weniger schnell beziehungsweise umfangreich Erste Hilfe geleistet werden. Goldene Regeln sind dabei:
- Ruhe bewahren!
- Unfallstelle absichern beziehungsweise den Verunfallten gegebenenfalls aus der Gefahrenlage retten!
- Eigenschutz beachten!
Prinzipell haben lebensrettende Maßnahmen Vorrang vor allgemeinen Erste-Hilfe-Maßnahmen oder der Versorgung von einfachen Wunden. Bei der Wundversorgung gilt zudem:
- Sitzt die verletzte Person, dann steht der Helfer. Liegt der Verunfallte, kniet der Helfer davor.
- Zum eigenen Schutz trägt der Helfer bei der Wundversorgung Handschuhe.
- Der einzige Fremdkörper, der entfernt werden darf, ist eine Zecke.
Im Folgenden zeigen wir anhand der wichtigsten Erste-Hilfe-Maßnahmen, wie Sie bei einem Unfall auf dem Hof schnell und fachgerecht helfen können.
Kleinere Wunden verbinden
Zum Glück ist nicht bei allen blutenden Wunden ein Druckverband nötig. Auch oberflächliche Blutungen wollen jedoch korrekt verbunden werden, um Schmutz und Erreger von der Wunde fernzuhalten:
- Sterile Kompresse öffnen und auf die Wunde legen. Dabei nur am äußersten Rand anfassen.
- Verletzten bitten, die Wundauflage selbst festzuhalten.
- Fixierbinde nehmen und direkt unterhalb der Wundauflage einige Bindengänge zum Befestigen durchführen. Dann schräg über die Kompresse wickeln.
- Im weiteren Verlauf die Binde kreuzförmig über die Wundauflage (in unserem Beispiel zum Handgelenk) führen. Zum Abschluss das Ende der Binde mit einem Pflasterstreifen fixieren.
Druckverband anlegen
Die Handkreissäge verkantet und schon ist es passiert: ein tiefer Schnitt im Unterarm. So hilft man dabei fachgerecht:
- Gefahrenquelle entfernen und die Kreissäge – falls dies noch nicht geschehen ist – ausschalten und weglegen.
- Blutverlust reduzieren, indem man die blutende Stelle wenn möglich sofort hochhält. Es gilt: Die Blutung muss höher gelagert sein als das Herz. Zudem sollte man sofort provisorisch Druck auf die Wunde ausüben und zum Beispiel einen Pulli oder ein Verbandtuch in die Wunde pressen, bis der Helfer Kompresse und Binde bereit gelegt hat.
- Provisorischen Druckverband ersetzen und Pulli und Co. von der Wunde nehmen. Stattdessen Wundkompresse auf die Wunde legen und die Binde einige Male darum wickeln. Dann verpackte Mullbinde oder Dreiecktuch direkt auf die Wundstelle legen und dieses Druckpolster mit restlicher Binde fixieren. Das drückt die Wunde von außen zu.
- Zum Verknoten des Verbands den letzten halben Meter der Fixierbinde doppelt legen. Das doppelte Ende festhalten und das einfache Ende in die entgegengesetzte Wickelrichtung führen. Beide Enden auf dem Druckpolster fest verknoten, damit sich der Verband nicht löst.
- Beine erhöht lagern und den Verletzten mit einer Rettungsdecke gegen Auskühlen schützen.
- Notruf absetzen, falls das ein weiterer Helfer noch nicht getan hat.
- Bis zum Eintreffen der Rettungskräfte den Verband immer wieder kontrollieren und ihn beim Durchbluten mit einem weiteren Druckpolster verstärken.
Brüche Stabilisieren
Tiere sind unberechenbar. Schnell kann es passieren, dass zum Beispiel eine Kuh tritt und das Bein ist verletzt. Man schleppt sich noch aus dem Laufstall auf den Futtertisch. Möglicherweise ist der Knochen gebrochen. Zum Glück weiß der herbeigerufene Helfer, was zu tun ist:
- Überblick über die Lage verschaffen, gegebenenfalls weitere Gefahrenquellen entfernen.
- Notruf absetzen.
- Den Patienten möglichst nicht bewegen, insbesondere wenn der Verdacht einer Verletzung von Wirbelsäule, Becken oder Beinen besteht.
- Eventuell Kältekompresse vorsichtig auf die Bruchstelle legen.
- Den Bruch abpolstern. Dabei Kleidungsstücke, Wolldecken etc. beidseitig an die Bruchstelle legen. Zum Stabilisieren Werkzeugkisten, Holzklötze, Feuerlöscher oder Ähnliches von außen an das Polstermaterial stellen.
- Bei Bedarf Rettungsdecke um den Verletzten wickeln, um ihn warm zu halten. Dabei ist es optimal, wenn die goldene Seite nach außen zeigt.
- Beim Patienten bleiben, bis die Rettungskräfte eintreffen.
Stabile Seitenlage
Patienten können in den verschiedensten Situationen bewusstlos werden. Bei einem Sturz von der Leiter zum Beispiel, oder der Verletzte verliert bei einem Knochenbruch vor lauter Schmerzen das Bewusstsein. Ist die Atmung dabei stabil, ist es in dem Fall wichtiger, die stabile Seitenlage als lebenserhaltende Maßnahme anzuwenden. Bei Bewusstlosigkeit fühlt der Verletzte zum einen keinen Schmerz mehr, zum anderen heilt ein Bruch wieder - auch wenn er für die stabile Seitenlage bewegt werden muss.
- Patienten laut ansprechen, anfassen und anschauen, um Bewusstlosigkeit festzustellen.
- Mit beiden Händen an Stirn und Kinn fassen und Kopf vorsichtig überstrecken. Falls die Zunge erschlafft und nach hinten gerutscht ist, kann sie so die Atemwege nicht mehr verschließen.
- Atemkontrolle durchführen. Dabei mit dem Kopf so über den Betroffenen beugen, dass man mit der Wange die Atmung fühlen, mit dem Ohr die Atmung hören und mit Blick auf den Brustkorb die Atmung sehen kann.
- Bei normaler Atmung mit der stabilen Seitenlage beginnen. Dabei den Arm des Verunfallten seitlich neben seinen Kopf legen, sodass der Oberarm parallel zum Körper verläuft und zwischen Ober- und Unterarm ein rechter Winkel entsteht. Die Innenfläche der Hand zeigt nach oben.
- Handgelenk der zweiten Hand unter die Wange legen. Die Hand des Helfers verbleibt an der Hand des Verletzten.
- Mit seiner zweiten Hand greift der Helfer dem Betroffenen außen an den Oberschenkel und zieht den Patienten zu sich her, bis das Knie den Boden berührt.
- Kontrollieren, ob der Kopf noch überstreckt ist und der Mund den tiefsten Punkt bildet.
- Notruf absetzen, falls dies ein weiterer Helfer noch nicht getan hat.
- Patienten warm halten und regelmäßig überprüfen, ob er noch atmet.
- Bleibt die Atmung nicht normal, den Patienten wieder in die Rückenlage bringen und Wiederbelebungsmaßnahmen starten.
Sascha Jordan
Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau
E-Mail: sascha.jordan@svlfg.de
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