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Wenn der Boden mit uns sprechen will

An Zeigerpflanzen lassen sich Standorteigenschaften und Bodenprobleme erkennen.

Auf den Punkt

  • Je mehr Zeigerpflanzen für einen Standortfaktor vorhanden sind, desto sicherer ist die Aussage.
  • Die Aussage gilt nur für die Bodenschicht, in die die Wurzel reicht.
  • Zeigerwerte sind abhängig vom Standort und von der Bodenbeschaffenheit.

Unkraut auf dem Acker – das will niemand haben. So macht man sich in der Landwirtschaft weltweit viele Gedanken und Mühen, es aus den Kulturen fernzuhalten, angefangen beim Werkzeugkoffer der Agrarchemie über die mechanischen Möglichkeiten der Unkrautbekämpfung, wie hacken und striegeln, bis hin zu exotischen Maßnahmen wie dem Abflam- men von unerwünschten Pflanzen.

Das Spektrum an Möglichkeiten wird immer breiter. Auch die Pflanzenzüchtung zielt mit verschiedenen Maßnahmen darauf ab, die Kulturpflanzen konkurrenzfähig gegenüber den „Mitbewerbern“ um Wasser, Platz und Nährstoffe auf den Ackerflächen zu machen. Anders gesagt: Die letzten Jahrzehnte wurde viel Energie in die Forschung gesetzt, wie man die Konkurrenten bekämpfen kann.

Die Frage, warum die Pflanzen da sind, wurde dabei vernachlässigt. Ist die alleinige Anwesenheit der Pflanzen oft ärgerlich und gefährdet Erträge und Wirtschaftlichkeit, kann sie in der Praxis doch helfen, verschiedenen Ursachen auf den Grund zu gehen. Zeigerwerte sind keine messbaren Größen, sondern stehen als Ursache für das Vorkommen einzelner Arten eines Pflanzenbestands an einem Standort. Einige Zeigerwerte stehen sogar im engen Zusammenhang miteinander.

Seitens der Wissenschaft wird nur der Standort beschrieben, der Praktiker vor Ort kann mithilfe von Zeigerpflanzen die Wirkung und Auswirkung der Bearbeitung erkennen. Ausgiebig untersucht wurden die Standortansprüche unter anderem von Heinz Ellenberg. Er ermittelte für die höheren Pflanzenarten Mitteleuropas sogenannte ökologische Zeigerwerte für bestimmte Bodeneigenschaften wie Stickstoffgehalt, Bodenreaktion, Feuchte und Salzgehalt sowie für spezifische Standorteigenschaften wie Licht, Temperatur und Kontinentalität.

Die Bedingungen für die Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert und werden dies auch künftig tun. Das liegt nicht nur am Klimawandel, sondern auch an den veränderten Methoden der Landbewirtschaftung. Ackerbauliche und ökologische Bewertungen stimmen dabei oftmals nicht überein.

Es heißt deshalb: Mit der Bewertung und Beurteilung von Ackerflächen ist differenziert umzugehen. Eine Auseinandersetzung mit Pflanzengesellschaften ist Pflicht. Nur wenn der Zeigerwert durch das Vorhandensein von mehreren Arten bestätigt wird, kann eine relativ genaue Aussage getroffen werden.

Das Lesen lernen

Zuerst einmal muss man sich intensiv mit seinem Standort und dessen Besonderheiten auseinandersetzen. Hier spielen Ausgangsgestein, Witterung, Art der Bodenbewirtschaftung und viele weitere Aspekte eine Rolle. Manche Unkräuter keimen oder wachsen beispielsweise bevorzugt in Halmfruchtkulturen (Winter- und Sommerkulturen unterscheiden), andere wiederum in Hackfruchtkulturen. Durch einen beträchtlichen Samenvorrat im Boden oder andere Strategien warten diese Pflanzen auf die für sie optimalen Verhältnisse.

Die vielen Tausend Pflanzenarten, die bei uns vorkommen, lassen sich unter anderem nach ihrem ökologischen Optimum gruppieren. Jede Pflanze hat ihr eigenes, spezielles ökologisches Optimum, also die optimalen Standortgegebenheiten für ihre Entwicklung So gibt es zum Beispiel Pflanzen, die viel Wärme und reichlich Nährstoffe benötigen, oder Pflanzen, die Trockenheit und Schatten tolerieren.

Wer den Boden verstehen will, muss ihn lesen lernen. Jeder Standort muss individuell betrachtet werden.

Leonhard Rösel, Landwirt

Manche Pflanzen haben ein weites Optimum. Sie wachsen fast überall. Andere hingegen haben ein enges Optimum, weil sie ganz spezielle Bedingungen benötigen. Diese Arten sind besonders aufschlussreich und zählen zu den Zeiger- oder Indikatorpflanzen. Ihr Vorkommen zeigt zuverlässig Standorteigenschaften wie Bodenqualität, Lichtverhältnisse oder Wasserversorgung an.

Wer also mehr über seinen Boden und die am Standort vorherrschenden klimatischen Bedingungen wissen möchte, muss sich anschauen, was ohne sein Zutun darauf wächst. Das gilt für Land- und Forstwirte sowohl für Acker- und Forst- als auch für Grünlandflächen. Es ist also durchaus sinnvoll, vor den ersten Bewirtschaftungsmaßnahmen im Frühjahr die auf der Fläche wachsenden Arten zu sichten, Zeigerpflanzen zu identifizieren und daraus Rückschlüsse zu ziehen.

Lass Pflanzen sprechen

Stellt man fest, dass gewisse Pflanzen vermehrt auftreten, und fragt nach dem Grund, kann dies verschiedenste Ursachen haben. Im einfachsten Fall können das folgende Faktoren sein:

  • Bodenverdichtung
  • Versauerung oder Kalkmangel
  • Nährstoffmangel oder -überschüsse
  • Sauerstoffmangel

Weiter können Zeigerpflanzen Aufschluss über pflanzenbauliche Maßnahmen wie zu dünne oder zu mastige Bestände liefern. Auch lassen sie über ihr „Verhalten“ Rückschlüsse auf die Nähstoffverfügbarkeit während der Vegetation zu. Manche Pflanzenarten zeigen eine enge Bindung an spezielle Standortqualitäten und wachsen nur auf bestimmten Böden mit ganz spezifischen Bedingungen.

Zeigerpflanzen können nur über die Bodenschicht Auskunft geben, die von ihnen durchwurzelt wird.

Wer die Eigenschaften seiner Fläche kennt, kann zielgerichtet handeln. Entweder man orientiert sich bei der Kulturartenwahl an den Standorteigenschaften oder man ergreift Maßnahmen, um den Mangel oder Überfluss zu beseitigen. Werden diese grundlegenden Regeln beachtet, ist das eine Voraussetzung für erfolgreichen Anbau.

Bei den Zeigerpflanzen muss man zwischen Auf- und Abwertungspflanzen unterscheiden. Aufwertungspflanzen zeigen gute Ackereigenschaften und Abwertungspflanzen einen degenerierten Ackerstandort an.

Es muss nicht alles weg

Gerade im Ökolandbau ist es sogar gewünscht, dass ein gewisser Anteil an Unkräutern in den Kulturen vorhanden ist. Neben dem Aspekt der Biodiversität gibt es noch verschiedene andere Aufgaben, die Unkräuter übernehmen. Dazu gehören Wurzelexsudate, Nährstoffspeicher, Erosionsschutz und Tiefenlockerung des Bodens.

Und noch mehr: Jedes Unkraut ist genetisch so beschaffen, dass es einen bestimmten Mangel ersetzt. Sauergräser wie Moorbinsen oder Wollgräser wirken einem Kalkmangel entgegen. Breitblättrige Unkräuter weisen auf unausgewogene Verhältnisse zwischen Phosphat und Kalium hin – und diese sind sehr häufig vorhanden.

Pflanzen finden an ihrem Standort nicht immer günstigste Bedingungen für ihr Wachstum vor. Die meisten Pflanzen entwickeln sich aber nur dann sehr gut, wenn sie beispielsweise ein optimales (nicht maximales) Nährstoffangebot haben. Dennoch sind viele Pflanzen in der Lage, sich in einem bestimmten Maß an ihre jeweilige Umgebung anzupassen.

Zeigerpflanzen können eine preiswerte und zeitsparende Methode sein, um den ackerbaulichen Zustand und mögliche Probleme zu erklären – allerdings nur, wenn man sich intensiv mit der Thematik auseinandersetzt. Vorsicht ist geboten, denn es darf nicht nur die aktuelle Situation des Standorts beurteilt werden. Zeigerwerte sind keine messbaren Größen, sondern stehen als Ursache für das Vorkommen einzelner Arten. ●

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