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Lupinen statt Fleisch

Die blauen Süßlupinen können trotz ihres Namens weiß blühen. Die Samen sind reich an Eiweißen und günstigen Fettsäuren.

Auf den Punkt

  • Burkhard Voss suchte nach einem alternativen Betriebszweig, zusätzlich zur Schweinehaltung.
  • Die Lupine passt zum Standort und eignet sich mit den Inhaltsstoffen gut als Lebensmittel.
  • Die Leguminosen vermarktet er als vegetarischen Fleischersatz an Gastronomen und Geschäfte.

Auf den ersten Blick unterscheidet sich das Hamburgerpatty nicht besonders von ähnlichen Produkten aus Fleisch. Es wirkt heller und die Konsistenz ist etwas anders. Statt einer Rügenwalder Mühle prangt auf der schwarzen Verpackung aber ein typisch münsterländischer Fachwerkspeicher. „Es hat viele Anläufe gebraucht, bis wir das passende Rezept für den Bratling gefunden haben“, sagt Landwirt Burkhard Voss. Er vermarktet vegetarischen Fleischersatz unter der eigenen Marke „Eickenbecks Hofgenuss“. In der realen Welt steht der alte Speicher von der Verpackung draußen auf seinem Hof bei Rinkerode im Münsterland. Die Marke spielt auf den Namen der Bauerschaft an.

Burkhard und Viktoria Voss haben als Logo für ihre Produkte den alten Fachwerkspeicher des Hofes gewählt.

Burkhard Voss und seine Frau Viktoria bewirtschaften gemeinsam den landwirtschaftlichen Betrieb mit 170 ha Ackerbau und 250 Sauen im geschlossenen System. Dazu kommen ein weiterer Standort mit 70 ha, 1.650 Mastplätze, sowie eine Beteiligung an einer Biogasanlage.

Lupine statt Mehlwürmer

Seit 2010 beschäftigt sich Burkhard Voss außerdem mit nachhaltigen Alternativen zur Schweinehaltung. Zu der Zeit wurden in der Umgebung noch viele Ställe gebaut. Er suchte nach einem neuen Betriebszweig, der mehr Nachhaltigkeit bietet als noch ein neuer Schweinestall.

Über Fischfarmen kam er schließlich zu In- sekten als alternativer Proteinquelle. Er besichtigte Insektenfarmen in den nahen Niederlanden und knüpfte zahlreiche Kontakte zum Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung in Witten und zur Bielefelder Food Processing Initiative, die Lebensmittelhersteller bei der Umsetzung innovativer Verfahren begleitet.

2018 war schließlich alles bereit für die Züchtung von Mehlwürmern als Speiseinsekten. Das Ziel waren insektenbasierte Bratlinge. Dazu war aber ein passendes Rezept nötig. Der Landwirt wandte sich an den Ernährungswissenschaftler Prof. Guido Ritter vom Fachgebiet Ökotrophologie der Fachhochschule (FH) Münster. Die beiden verglichen verschiedene Varianten und stellten fest, dass neben Insekten immer auch Soja in den Rezepten enthalten ist. Voss wollte aber lieber ein regionales Produkt auf der Basis eigener Feldfrüchte. So fiel die Wahl schließlich auf die Lupine. „Die Lupine hat unter den Eiweißfrüchten den höchsten Proteingehalt, wenig Kohlenhydrate und ein günstiges Aminosäurenverhältnis“, zählt Voss die Vorteile der Kultur auf. Außerdem lässt sie sich auf dem Standort anbauen. Er entschied sich für die Süßlupine – eine alkaloidarme Form der Blauen Lupine. Voss muss in der Lebensmittelverarbeitung Alkaloid-Grenzwerte einhalten.

Der Anbau selbst hielt keine größeren Schwierigkeiten bereit. „Die Lupine ist eine unkomplizierte Kultur“, sagt er rückblickend. Im April 2019 ersetzte Voss 3 ha Mais durch Süßlupinen, ohne recht zu wissen, was auf ihn zukam. Mittlerweile sind es 7 ha Lupinen.

Die Süßlupine steht in der Fruchtfolge nur alle fünf Jahre auf der gleichen Fläche, um der Leguminosenmüdigkeit vorzubeugen. Dazu kommt, dass die Blaue Lupine nicht anthraknosetolerant ist.

Nach der Getreideernte im vorherigen Herbst bearbeitet der Landwirt die Flächen flach mit dem Strohstriegel. Danach lockert er den Boden tief mit einem Paraplow auf. Anschließend folgt die Scheibenegge. Seit einigen Jahren schon bewirtschaftet Voss seine Äcker pfluglos. Die Lupine kommt gut damit zurecht.

Der Landwirt drillt die Lupinensamen im April, bei möglichst warmen, trockenen Verhältnissen. Damit sich die Knöllchenbakterien richtig entwickeln, impft Voss die Lupinen mit dem Impfmittel Radicin. Das er bringt er kurz vor der Aussaat mit der Pflanzenschutzspritze auf der Krume aus.

Vor dem Auflaufen spritzt er ein Herbizid. Danach muss die Lupine die Unkräuter selbst unterdrücken. „Meist sind nur ein paar Kornblumen da“, berichtet Voss. Mit Krankheiten und Schädlingen hatte er bislang noch keine Probleme. Da die Lupine eine Leguminose ist, reichert sie den Boden mit Stickstoff an und kommen ohne zusätzlichen Dünger aus.

Hülsen platzen bei Hitze

Im Juni blühen die Lupinen weiß und Anfang August sind die Hülsen schließlich reif für die Ernte. Voss drischt sie nach dem Weizen. Ein Problem bereitet die ungleichmäßige Abreife. Während ein Teil der Samen noch nicht vollständig gereift ist, platzen die reifen Hülsen bei heißen Temperaturen häufig auf; die wertvollen Samen gehen verloren. Das und die zum Teil noch grünen Pflanzenteile machen den Drusch zu einer Herausforderung für den Lohnunternehmer. Der Ertrag liegt am Ende bei rund 2 t/ha. Nach dem Reinigen und Trocknen lagert Voss die Ernte in Bigbags in der Scheune.

Der Einstieg in die Lebensmittelherstellung war eine ganz neue Erfahrung für die Familie. Zunächst war ein Hygienekonzept nötig, um die strengen Vorgaben der Behörden zu erfüllen. In den Altgebäuden ließ sich kurzfristig kein passender Raum herrichten. Fußboden und Wände müssen abwaschbar und der Raum muss geschützt vor Insekten sein. Schließlich baute die Familie einen leeren Lkw-Anhänger zu einem Mahlraum um. Voss suchte lange, bis er die passende Mühle zum Vermahlen und Schroten der Lupinensamen gefunden hatte. Das Vermahlen der Eiweißfrüchte ist eine Herausforderung. Mit Lupinenschrot und -mehl war das Produktportfolio aber noch nicht komplett. Das Ziel war ein Burgerpatty aus eigenen Lupinen. Um das Projekt umsetzen zu können, stellte Voss einen Antrag auf Förderung durch das Programm Mittelstand Innovativ & Digital des Landes Nordrhein-Westfalen. Davon hatte er über sein Netzwerk erfahren.

Prof. Ritter und das foodlab der Fachhochschule Münster unterstützten Familie Voss beim Entwickeln eines Bratlings. Für die FH war es die erste Kooperation mit einem Landwirt. Die Studierenden der Ökotrophologie benötigten mehrere Anläufe, um die passende Rezeptur für einen Lupinenbratling zu entwickeln. Dabei kam es nicht nur auf die Würzung und den Geschmack an. Die Pattys müssen auch ansprechend aussehen und dürfen beim Braten nicht auseinanderfallen.

42 Probanden durften die Bratlinge ver- kosten. Das Ergebnis der Befragungen bestätigte den Landwirt. „36 Teilnehmer sagten nach der Verkostung, sie würden die Produkte sofort kaufen“, berichtet Voss. Falafel, Hummus und Lupinennudeln folgten. Knapp zwei Jahre nach der ersten Idee war es schließlich so weit. Mitten in der Corona-Pandemie brachte Familie Voss ihre Lupinenprodukte auf den Markt.

Produkte sind nicht kopierbar

„Nudeln kann jeder, aber unsere Produkte lassen sich zum Glück nicht so leicht kopieren“, sagt Voss. Die Herstellung der Produkte hat die Familie ausgelagert. Ein Fleischer aus der Region stellt Bratlinge und Falafel her. Er hat das Knowhow und geeignete Räumlichkeiten, um den Fleischersatz hygienisch in größerer Menge herzustellen. Die Nudeln stellt eine Pastamanufaktur im nahegelegenen Münster her.

Mit dem Ruhrgebiet fand sich ein geeigneter Absatzmarkt vor der Haustür. Zusätzlich gibt es einen Onlineshop. Der Großteil der Vermarktung läuft über Hofläden, Feinkostgeschäfte und Gastronomen in der Region. Trotz der Corona-Krise griffen sie dankbar auf die bratfertigen Pattys und Falafel zurück. Außerdem legten viele Verbraucher seit der Corona-Krise viel Wert auf hochwertige regionale Produkte. Voss blickt gespannt in die Zukunft: „Wir fragen uns natürlich, wie lange das mit der aktuellen Situation noch so bleibt.“

Mittelfristig hat sich Familie Voss zum Ziel gesetzt, mit dem neuen Betriebszweig genügend zu verdienen, um dafür eine eigene Arbeitskraft einzustellen. Kern des Betriebs soll aber weiterhin die Landwirtschaft bleiben. Auch die Schweinehaltung auf dem Betrieb gehört für Voss dazu, obwohl er Spezialitäten für Vegetarier und Veganer herstellt. Er sieht aber auch, dass der Anteil der Menschen, die ihre Ernährung ändern, steigt. Auch traditionelle Gastronomen in der Region suchen mittlerweile nach fleischfreien Alternativen für die vegetarische und vegane Kundschaft.

„Wir Landwirte können fast alles herstellen. Die Schwierigkeit ist aber, die Produkte an den Mann zu bringen“, ist Voss‘ Fazit. „Dazu braucht es auch ein gutes Netzwerk, das einem bei Fragen weiterhilft.“ Pläne für weitere Spezialitäten gibt es schon. Demnächst sollen Snackriegel und eine Grillsauce das Sortiment von Eickenbecks Hofgenuss erweitern. ●

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