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Geheimnisvolle blaue Doppelbeere

Haskapbeeren, auch Mai-, Lenz- und Kamschatka- oder Sibirische Blaubeere genannt, lassen sich vergleichsweise früh frisch genießen. Sie schmecken aber auch verarbeitet als Fruchtaufstrich oder Saft.

Ungewohnt sehen sie aus: langezogen, etwas wie Heidelbeeren. So ähnlich schmecken sie auch. Michael Decker nascht die blaue Frucht gern. Die Doppelbeeren haben bei uns noch recht wenige Verbaucher probiert. Kein Wunder, wurden sie doch erst 2018 mit der EU-Novel-Food-Verordnung als neues Lebensmittel zugelassen.

„Haskap, das bedeutet in der Sprache der japanischen Ureinwohner so viel wie Beere des ewigen Lebens und der guten Sehkraft“, sagt Decker. Der Agraringenieur ist Direktvermarkter und setzt voll auf Sonderkulturen wie die exotische Beere. In der Egerer-Decker GbR baut er Spargel, Erdbeeren und Kürbisse an. Als er in den Familienbetrieb einstieg, hat er das Geschäft mit Sonderkulturen kräftig ausgebaut. Auf einer Messe stieß er zufällig auf die exotische Beere.

Sie zeichnet sich durch gute Frosthärte und zeitige Blüte im Frühjahr aus. „Die Früchte sind oft schon im Mai erntereif, viel eher als gängige Beerenarten. Darum kommen sie früher ins Angebot“, so Decker. Und überdies sind sie sehr gesund. Diese Eigenschaften haben ihn überzeugt. So war schnell klar: „Die Haskapbeere ergänzt unser Sortiment im Hofladen perfekt.“

Der Anbauer öffnet die Tür zum Verkaufsraum, wo schon jede Menge Schälchen auf die frischen Früchte warten. Die süßlichen Beeren sind reich an Vitamin C. „Mit Anthocyanen schützen sie sich vor UV-Strahlen. Weil die Beeren unter den Blättern wachsen, bleiben mehr davon in den Beeren“, sagt Decker. „Das ist gut für die Konsumenten.“ Die Beeren enthalten zudem wertvolle Antioxidantien als Mineralstoffe, Vitamine und Polyphenole. Antioxidantien wehren freie Radikale im Körper ab und schützen Zellen.

Biozertifiziert und regional

Bis der Anbau auf dem Biohof starten konnte, musste Michael Decker einige Hürden nehmen. Um die Doppelbeeren „regional und biozertifiziert“ anbieten zu können, hat er sich viel Know-how angeeignet und ließ sich von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft beraten, die schon 2017 Anbauversuche durchführte.

„Ein Problem war zunächst, dass die Kultur offiziell noch nicht behördlich zugelassen war“, so der Biobauer. Dennoch pflanzte er die erste 4-ha-Plantage 2017 auf eigenes Risiko. Erst mit der EU-Novel-Food-Verordnung wurde der Anbau im Dezember 2018 „amtlich genehmigt“. Mittlerweile gehört Decker mit 14 ha zu den größten Anbauern in Deutschland.

In der Plantage erzählt er, dass er als Vorfrucht Kleegras wählte. Um den blauen Beeren einen guten Start zu ermöglichen, düngte er die Grundnährstoffe auf Gehaltsklasse C auf. Gepflanzt hat er im Herbst einjährige Sträucher, wobei das auch im Frühjahr möglich ist. Für eine maschinelle Ernte wählte der Haskap-Pionier einen Reihenabstand von 4 m und einen Pflanzabstand von 1 m in der Reihe. So stehen auf jedem Hektar rund 2.000 Pflanzen.

Sie blühen im Frühjahr prächtig. Dann fliegen Hummeln und andere Insekten umher. Um die Plantage hat Decker zusätzlich Blühstreifen und Insektenhotels angelegt. Gegen Verbissschäden ist die Fläche eingezäunt. Zudem läuft eine Tröpfchenbewässerung gegen Pflanzenausfälle durch Dürren.

In der Pflanzreihe zieht Michael Decker eine Gewebefolie hoch, die er gegen Unkraut verlegt hat: Die Beere ist da konkurrenzschwach. Sie ist zwittrig, aber dennoch fremdbestäubend. „Zur Sicherheit kommen daher mehrere Sorten auf eine Plantage.“

Der erste Ertrag ist ab dem dritten Standjahr zu erwarten. Die Ernte steigert sich jährlich. Decker erntet die Beere hauptsächlich von Mitte Juni bis Mitte Juli. Noch geschieht dies mithilfe der Familie von Hand, weil die Sträucher in den ersten Standjahren noch zu empfindlich für den Vollernter sind. Künftig ist maschinelle Ernte angedacht.

Zurück im Hofladen zeigt Decker, was er vor Ort und in seinem Onlineshop mittlerweile an Leckereien und Spezialitäten anbietet: Säfte, Wein, Essig oder Aufstriche aus den Beeren, weiter Brände und Liköre, alles unter der eigenen Marke Haskapella und dem Motto: „Haskap, eines der leckersten Beerengeheimnisse der Welt“. Ob als Pulver im Müsli, im Smoothie zwischendurch oder als Fruchtaufstrich – alles selbst gemacht.

Neueinsteigern rät Michael Decker aber zur Vorsicht, da die Haskapbeere den meisten Verbrauchern „noch wenig bekannt und eher fremd“ sei. Darum ist sie ein recht erklärungsbedürftiges Produkt. Am sinnvollsten sei daher die Vermarktung direkt ab Hof, ganz frisch gepflückt oder in verarbeiteter Form. „Ein Abnehmermarkt wie bei Spargel oder Erdbeeren“, sagt Michael Decker „existiert für unsere blauen Beeren hierzulande noch nicht.“ (kb) 

Steckbrief: Haskapbeere

Die Haskapbeere (Lonicera caerulea var. kamtschatica) gehört zu den Geißblattgewächsen. Sie ist mit ihrem heidelbeerähnlichen Aroma oft nur Feinschmeckern bekannt und gilt als früheste Strauchbeerenart.

Die Doppelbeere stammt ursprünglich von der sibirischen Halbinsel Kamtschatka und ist vor allem in Japan, Kanada, USA und Polen verbreitet. Der Anbau beträgt global etwa 3.000 ha. In Europa sind es rund 250 ha in eigenen Plantagen.

Standort

Humose, nicht zu trockene Böden ohne Staunässe mit pH-Werten von 6 bis 6,5 sind ideal. Die bis –5 °C frostharten Sträucher brauchen einen ausgeglichen gedüngten Boden, der bei den Grundnährstoffen mindestens in Versorgungsstufe C eingestuft ist.

Anbau

Je Hektar stehen 2.000 bis 4.000 Sträucher mit mindestens zwei verschiedenen Sorten für sichere Befruchtung. Die wichtigsten Sorten sind Morena, Fialka, Vostorg, Jugana und Mailon. Der Reihenabstand liegt bei 3,50 bis 4 m für die maschinelle Ernte. In der Reihe sind es 0,50 bis 1 m Abstand. Die Spindeln werden mit zwei bis drei Trieben je Strauch erzogen. Sinnvoll ist eine Tröpfchenbewässerung.

Pflege

Der Anbau auf Bändchengewebe ist von Vorteil, da die Pflanze in der Jugend- entwicklung konkurrenzschwach ist. Die Reihenzwischenräume müssen regelmäßig gemäht oder gemulcht werden. Die Förderung von bestäubenden Insekten wirkt sich sehr positiv auf den Ertrag aus.

Pflanzenschutz

Eine Einzäunung reduziert den Verbiss durch Wild. Im konventionellen Anbau sind in Johannisbeeren zugelassene Pflanzenschutzmittel mit einzelbetrieblicher Ausnahmegenehmigung einsetzbar. Gegen Vogelfraß an den reifen Früchten helfen nur Netze. Der Frostspanner lässt sich biologisch mit Mitteln auf Basis von Bacillus thuringensis bekämpfen. Mehltau an den Blättern in feuchten Jahren ist meist nicht ertragsrelevant.

Ernte/Lagerung

Die Ernte der länglich-ovalen, etwa 2 cm langen Früchte mit rund 1 cm Durchmesser beginnt ab Anfang Juni ab einem Brixwert von 13 °Bx. Bei manueller Ernte für den Frischverzehr wachsen die Beeren unter dem Blätterdach. Die maschinelle Ernte ist nur bei älteren, stabilen Anlagen für Verarbeitungsware möglich. Der Vollertrag liegt bei rund 1 kg pro Strauch und zwei Erntedurchgängen pro Woche. Frische Früchte sind nicht lange haltbar.

Wirtschaftlichkeit

Die Anlagekosten für eine Plantage liegen bei rund 15.000 Euro/ha. Das Preisniveau von Haskapbeeren liegt etwa bei dem von Heidel- und Himbeeren, da die manuelle Ernte sehr zeitaufwendig ist. Die blauen Beeren bieten vielfältige Verarbeitungsmöglichkeiten und eignen sich gut für die Direktvermarktung. Sie müssen jedoch gut beworben werden.

Die Doppelbeeren blühen zeitig im Frühjahr, die blauen Früchte sind bereits im Mai erntereif, viel früher als andere Beerenarten. Das bringt Vorteile in der Vermarktung.

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