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Coole Gene

Mit einem kürzeren, glatteren Haarkleid vertragen Kühe mit dem Slick-Gen die Hitze besser.

Auf den Punkt

  • Hitzestress bei Milchkühen wird auch in unseren Breiten zunehmend zu einem Problem.
  • Ein spezielles Gen kann die Kühe toleranter gegenüber Hitzestress machen.
  • Mittlerweile konnte dieses Gen in Holsteinversuchsherden etabliert werden.

Die züchterische Selektion auf immer höhere Milchleistungen – speziell bei Holsteinrindern – hat in den letzten Jahrzehnten dazu beigetragen, dass die Tiere empfindlicher gegenüber Hitze sind. Das führt auch dazu, dass die Schwelle, ab der Kühe unter Hitzestress leiden, kontinuierlich sinkt. Hitzestress stellt hochleistende Milchkühe vor erhebliche Probleme. Die Wärme, die durch den hohen Futterverbrauch und den zugehörigen sehr intensiven Stoffwechsel erzeugt wird, erschwert es hochleistenden Milchkühen, die normale Körpertemperatur aufrechtzuerhalten. Schon Lufttemperaturen von nur 26 bis 27 °C in Verbindung mit einer hohen Luftfeuchte können deshalb bereits dazu führen, dass die Körpertemperatur einer Kuh steigt. Das führt zu einer geringeren Futteraufnahme, einer geringeren Milchleistung und einer schlechteren Fruchtbarkeit.

Offene Ställe, leistungsstarke Großraumlüfter und Vernebelungsanlagen tragen dazu bei, die Wärmebelastung in den Rinderställen zu reduzieren. Diese Kühlmechanismen beseitigen jedoch hier vorhandene Probleme oft nur unvollständig. Nun sollen auch spezielle züchterische Maßnahmen helfen, Hitzestresssituationen bei hochleistenden Holsteinrindern besser in den Griff zu bekommen.

Gen für glattes Haarkleid

Hier könnte das sogenannte „Slick-Gen“ künftig helfen, die Hitzeempfindlichkeit hochleistender Kühe zu reduzieren. Slick stammt aus dem Englischen und bedeutet ins Deutsche übersetzt glatt. Das Slick-Gen tragende Tiere besitzen ein kurzes, glattes Haarkleid. Das Slick-Gen fand man zuerst in der Senepol-Rasse auf der Insel St. Croix, einer amerikanischen Jungferninsel. Die Senepol-Rasse ist eine Rinderrasse mit einem hohen N’Dama-Anteil aufgrund von Rinderimporten aus Senegal und einem zusätzlichem Zebu-Anteil. Zwischenzeitlich konnte mittels molekular- genetischer Studien gezeigt werden, dass eine Mutation im Prolaktinrezeptor-Gen diesen Haarkleid-Phänotyp begünstigt. Dieses Gen wird dominant vererbt, was eine Zuchtbe- wertung deutlich vereinfacht.

Mitte der 1980er-Jahre startete Prof. Tim Olson von der Universität von Florida ein spezielles Zuchtprogramm, bei dem Senepols mittels Bullensperma in dortige Holsteinversuchsherden eingekreuzt wurden. Durch gezielte Rückkreuzungen mit reinrassigen US-Holsteins wurden dann solche Tiere weiter herausgezüchtet, die mit ihrem Leistungspotenzial überzeugten. Die heutigen Versuchsrinder aus diesem speziellen Zuchtprojekt sind zwischenzeitlich fast wieder reine Holsteins mit einem Genanteil von über 92 Prozent US-Holstein. Ihre Besonderheit besteht allerdings darin, dass sie alle das Slick-Gen tragen.

Slick-Gen gegen Hitzestress

Neuere Studien belegen nun, dass die Holsteins mit dem Slick-Gen deutliche Hitzestresssituationen besser aushalten können als reinrassige Holsteins. So zeigen diese Tiere bei Hitzestress niedrigere Körpertemperaturen (siehe Grafik „Einfluss der Slick-Mutation“). Sie liegt bei den Tieren mit Slick-Gen etwa 0,6 °C niedriger als bei Holsteinkühen ohne Slick-Gen. Im Vergleich zu diesen reinrassigen Holsteinkühen hatte der Hitzestress auch einen geringeren Einfluss auf die Milchleistung der Slick-Holsteins.

Sperma von mehreren Slick-Holsteinbullen, die an der Universität von Florida gezüchtet wurden, steht zwischenzeitlich auf dem US-amerikanischen Markt zur Verfügung. In Milchviehherden in tropischen und subtropischen Gebieten ist es mehr und mehr gefragt. Der erste Bulle, der aus diesem Zuchtprogramm vermarktet wurde, ist Slick-Gator Blanco (551HO03574). Sein Sperma ist bei ST-Genetics in den USA erhältlich. Blanco ist heterozygot für die Slick-Mutation. Das bedeutet, dass er nur eine von zwei Kopien des Slick-Gens an die Nachkommen überträgt, ähnlich wie wir es bei uns von den heterozygot hornlosen Vererbern kennen. Die Hälfte der Nachkommen von Blanco ist daher „slick“, die andere Hälfte hat ein normales Haarkleid. Die Universität von Florida verfolgt nun das Ziel, Vererber zu züchten, die für Slick homozygot sind, sodass alle Nachkommen dieser reinerbigen Slick-Vatertiere das kurze, glatte Haarkleid tragen.

Slick-Gen in Holsteins

Interessierte Züchter und Zuchtunter- nehmen außerhalb der Universität von Florida haben die Vorteile des Slick-Allels längst zur Kenntnis genommen. Sie entwickeln aktuell eigene Slick-Holsteinzuchtprogramme. Zwischenzeitlich wurde die Slick-Holsteingenetik auch in einige weitere Rinderrassen in Mittel- und Südamerika, beispielsweise in Venezuela und Brasilien, eingekreuzt.

Einer der ersten vermarkteten Slick-Holstein- bullen ist Slick-Gator Blanco.

Die US Holstein Association hat zusätz- lich ein Forschungsprojekt zwischen der Universität von California-Davis und der Universität von Florida finanziert, um die Leistung von Holsteins, die das Slick-Gen tragen, sowohl in der heißen als auch kühlen Jahreszeit in großen Milchviehbetrieben in Kalifornien und Florida weiter zu untersuchen. Die ersten Tiere aus diesem Projekt sind jetzt in Milch. Damit stehen immer mehr Daten über die Eignung der Slick-Mutation zur Bewältigung von Hitzestress zur Verfügung. Die kann hochleistenden Holsteinrindern langfristig helfen, mit der Slick-Genetik langfristig cool zu bleiben.(wh)

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