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Automatische Zukunft

In der Mitte des Stalls befindet sich der Innenfuttertisch. Hier füttert der Roboter sechsmal täglich.

Auf den Punkt

  • Der im Oktober 2020 in Betrieb genommene Boxenlaufstall ist voll automatisiert.
  • Durch den Neubau konnte der Betrieb die Milchleistung von 19,5 auf 27 l steigern.
  • Seit 2009 wirtschaftet die bäuerliche Produktionsgemeinschaft Saßleben ökologisch.

Am anderen Ende des Stalls biegt der Fütterungsroboter langsam um die Ecke. Die Kühe haben sich erwartungsvoll am Innenfuttertisch des neuen Boxenlaufstalls positioniert. Die Stille ist ungewöhnlich. Sie ist ein positiver Nebeneffekt des vollautomatischen Stalls. Insgesamt sechsmal täglich füttert der Roboter sowohl auf dem Innen- als auch auf den beiden Außenfuttertischen.

Seit 2020 setzt die bäuerliche Produktionsgemeinschaft im brandenburgischen Saßleben auf den vollautomatischen Stall. „Wir standen 2017 vor der Wahl, alles dicht zumachen oder komplett zu erneuern“, erklärt Helmut Richter, der seit 31 Jahren als Geschäftsführer für die ehemalige LPG tätig ist.

Seit 2009 ökologisch

„1991 hatten wir komplett neue Melktechnik eingebaut. Die Kühe standen aber nach wie vor in den Altställen von 1956. Da mir die Milchwirtschaft am Herzen lag, haben wir uns dann dazu entschieden, neu zu bauen.“ Richter war dabei wichtig, die Arbeiten im Stall so einfach wie möglich zu halten. „Der Entschluss, den Betrieb vollautomatisch zu gestalten, hat für uns den Vorteil, dass wir nicht mehr so stark auf die Arbeit anderer angewiesen sind“, sagt der 63-Jährige. Im Juni 2019 wurde der Grundstein für den neuen Boxenlaufstall gelegt. Am 3. Oktober 2020 zogen die Kühe in ihr neues Zuhause ein. Die 280 Tiere sind hier in zwei verschiedene Gruppen, in Niedrig- und Hochleistende, eingeteilt. In einem der vier Melkroboter lassen sie sich im Schnitt 2,7-mal pro Tag melken. „Jeder Roboter ist mit 70 Kühen besetzt. Das ist schon die obere Grenze“, erklärt der Geschäftsführer.

Helmut Richter ist Geschäftsführer der bäuerlichen Produktionsgemeinschaft und sieht den Neubau als Chance für eine wirtschaftlichere Zukunft.

Da die bäuerliche Produktionsgemeinschaft seit 2009 ökologisch wirtschaftet und eine geringere Milchleistung als konventionelle Betriebe aufweist, gibt es trotz der höheren Belegung am Roboter keine Probleme. „Die Umstellung auf Öko hat uns herausgefordert, war ein wichtiger Schritt in Richtung wirtschaftlichere Zukunft,“ sagt Richter. Derzeit erhält er von seiner Molkerei einen Milchgrundpreis von 46,5 Cent brutto.

Laufgangbelag für 150.000 Euro

Während die Kühe darauf warten, gemolken zu werden, positioniert sich der Einstreuroboter über den Liegeboxen. Das Stroh rieselt langsam in die Hochboxen. „Wir verwenden kein Häckselstroh. Unsere Großballenpresse ist auf 9 cm Schnittlänge eingestellt“, erzählt der Betriebsleiter. Für die Gülle ist die Länge unproblematisch. „Wir sind zwar noch in der Findungsphase, aber hatten bis jetzt keine Probleme mit Stroh in den Güllequergängen.“

Das Stroh für die Liegeboxen wird in der Großballenpresse auf 9 cm geschnitten. Es wird vor dem Einstreuen weder gehäckselt noch geschrotet.

In den planbefestigten Laufgängen kümmern sich Schieber durchgehend um den anfallenden Mist. „In den Laufgängen haben wir einen neuartigen Gummiboden einbauen lassen. Er ist mit Schlitzen versehen, in denen der Urin der Kühe abläuft. Durch die um 80 Prozent verringerte Verdunstungsfläche gibt es weniger Ammoniakemissionen und Geruch im Stall“, erläutert Helmut Richter. Die Investition hat den Betrieb zusätzlich 150.000 Euro gekostet. Für die Produktionsgemeinschaft war es ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Tierwohl und Emissionsminderung.

„Wir hatten ursprünglich Betonlaufflächen geplant. Nachdem wir uns Betriebe mit dem Gummibodenbelag angeschaut haben, haben wir uns dafür entschieden.“ Die Vorteile sind für ihn die trockeneren Klauen und weniger Pfützen auf den Laufflächen. „Die Kühe haben einen sicheren Stand. Sie rutschen nicht so schnell aus und die Brunst lässt sich besser erkennen“, sagt der studierte Landwirt.

Der Fütterungsroboter füttert die Kühe sechsmal pro Tag. Im Notfall gibt es zwei Außenfuttertische, die mit dem Futtermischwagen befahren werden können.

Doch nicht nur hier kann man den Wunsch nach mehr Tierwohl erkennen. So haben die Kühe nicht nur Weidegang, sondern auch eingestreute Auslaufbereiche auf beiden Seiten des Stalls. „Wir haben die Außenfuttertische so angeordnet, dass die Kühe auch vom Auslauf aus Futter aufnehmen können“, erklärt Richter. Das hat jedoch noch einen anderen praktischen Grund: „Man muss als vollautomatisierter Betrieb immer einplanen, dass die Technik versagen kann. Daher war es für uns sehr wichtig, die Tiere im Notfall mit dem alten Futtermischwagen füttern zu können.“

Blinkende Halsbänder

Entlang des Futtertischs erkennt man an den Kühen eine weitere Besonderheit: Sie tragen Halsbänder, die mit einer Lampe versehen sind. „Im Februar sind zwei Führungskräfte ausgefallen und ich musste die Arbeit im Stall selbst übernehmen. Da habe ich erst gemerkt, wie schwierig es ist, Kühe zu finden, die noch nicht im Melkroboter waren“, sagt der Betriebsleiter. Auch hier wollte Richter gerne eine automatische Lösung und wendete sich an das Unternehmen, das bereits die andere Technik geliefert hatte.

Die LED-Lampen des FullBeacon-Halsbands sind mit dem Herdenmanagementsystem verknüpft und können wahlweise in Grün, Gelb und Rot leuchten. So kann man beispielweise auch Tiere für Trächtigkeitsuntersuchungen, Klauenpflege und medizinische Versorgung farblich markieren. Die Lampen blinken dabei in der Regel nicht durchgehend, sondern können zuvor in unterschiedlichen Zeiträumen definiert werden. Die melkunwilligen Tiere blinken beispielsweise automatisch für 9 bis 10 Sekunden. „Man kann mit dem Treiben vorne im Stall anfangen bei den Tieren, die nah am Roboter stehen, das spart Zeit“, sagt Helmut Richter.

Die Halsbänder mit unterschiedlicher Farbmarkierung weisen auf melkunwillige oder zu behandelnde Kühe hin.

Von 19,5 auf 27 Liter

Ein Mitarbeiter ist damit beschäftigt, die Tränken der Tiere zu reinigen. Ein seltenes Bild, denn im Stall arbeiten insgesamt nur vier Leute. „Sowohl in der Morgenschicht von 4 bis 13 Uhr als auch in der Nachmittagsschicht von 16 bis 23 Uhr gibt es je eine Per- son, die für Nachtreiben, Reinigungsarbeiten und das Füttern der anderen Tiere zustän- dig ist. Zusätzlich gibt es noch jemand, der sich um die Kälber kümmert, und eine Herdenmanagerin“, erklärt Helmut Richter.

Dass er Arbeit einspart, ist nicht der einzige Vorteil im Hightech-Stall. „Wir hatten früher mit 19,5 Litern eine geringe Milchleistung, mittlerweile liegen wir bei mehr als 27 Litern mit 3,44 Prozent Eiweiß und 4,2 Prozent Fett“, sagt der Geschäftsführer. Für die bäuerliche Produktionsgemeinschaft Saßleben habe sich die Investition in die Zukunft gelohnt. Während Richter die Vorteile erläutert, bewegt sich fast geräuschlos der Fütterungsroboter Richtung Futterküche, um die nächste Portion anzumischen. ●

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