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Ein Leben lang Schwarzbunt

Der Niedersachse Klaus-Dieter Augustin zog im Jahr 1992 mit seiner Familie nach Kemnitz in Mecklenburg-Vorpommern.

Auf den Punkt

  • 1992 zog die Familie nach Kemnitz. Dieses Jahr feiern sie 30-jähriges Betriebsjubiläum.
  • Von November 2021 bis Februar 2022 hat Augustin 120 Färsen und Kühe verkauft.
  • Pro Jahr vermarktet der Züchter rund 60 bis 70 Zuchtbullen direkt aus dem Stall heraus.

Neugierig stecken zwei Kühe ihre Köpfe in Richtung des langen Futtertischs. Klaus-Dieter Augustin steht am Anfang des Stalls und lässt seinen Blick über die erste Gruppe schweifen. „Die beiden hier sind unsere aktuellen 100.000-l-Kühe“, erzählt der gebürtige Niedersachse, der im Frühjahr 1992 nach Mecklenburg-Vorpommern umzog. In den letzten 30 Jahren hat seine Herde über 60 dieser Spitzenkühe hervorgebracht.

Tochter Kristina unterstützt Klaus-Dieter Augustin im Herdenmanagement. Auch der Enkel ist mit dabei.

„Mir ist es sehr wichtig, dass sich die Kühe von Laktation zu Laktation weiterentwickeln, dass sie jugendlich bleiben und balanciert sind.“ Vor allem im Hinblick auf dreimaliges Melken, das hohe Leistungsniveau und eine einheitliche Ration für alle 600 Kühe liegt ihm der Persistenzzuchtwert am Herzen.

Seine Milchkühe besamt er nicht nach einer festgelegten Rastzeit, sondern bei abfallender Leistung. Sobald Färsen unter 40 und Mehrkalbskühe unter 50 l liegen, wird erneut besamt. Seine Zwischenkalbezeit liegt dadurch „jenseits von Gut und Böse.“

Am Eingang des Melkhauses bekommt man einen Eindruck von den vielen Erfolgen der Rinderzucht Augustin KG.

Bei einer Milchleistung von etwa 38 bis 40 l in der Milchleistungsprüfung ist dieser Punkt für den Züchter aber nicht entscheidend. „Mehr Geld kann man meiner Meinung nach nicht verdienen, als wenn solche jungen Kühe eine so hohe Persistenz haben, gut melken und gesund und munter dabei sind. Warum soll ich die besamen?“

725 Tage in Milch

Auf dem Weg Richtung Färsengruppe bleibt Augustin vor einer Kuh mit weißer Blesse stehen. „Die Kuh Ballerina hier zum Beispiel ist grade 278 Tage in Milch und gibt noch knapp 44 l“, erzählt der Züchter stolz und blickt durch den Stall. „In der hinteren Gruppe steht die Kuh Julie P. Sie ist 725 Tage in Milch und melkt immer noch 33 l.“

Der neue Boxenlaufstall wurde im Jahr 2017 fertiggestellt und die Herde in dem Zuge von 300 auf 600 Milchkühe aufgestockt.

Ein weiteres gutes Beispiel dafür ist seine Jungkuh Beste, die bereits über ein Jahr in Milch ist und in der letzten Kontrolle 55 l erreichte. Seine Liste wird von drei Erstkalbinnen mit durchschnittlich 251 Melktagen und im Schnitt 51 Litern angeführt. Sobald das Leistungsniveau der Tiere abgeflacht ist, besamt Augustin die Tiere in der Regel mit gesextem Sperma.

In Zukunft möchte er seine Strategie bei den Färsen noch anpassen. „Ich möchte bei Erstkalbinnen mehr darauf achten, dass ich sie erst besame, wenn die Leistung nicht weiter steigt. Das kann eventuell auch erst nach einem Jahr der Fall sein“, erklärt der Betriebsleiter. Mittlerweile ist seine Herde von 300 auf 600 Milchkühe gewachsen. Die Tiere sind in Gruppen von je 96 Tieren im Boxenlaufstall von 2017 untergebracht. „Das kommt dann beim Melken genau hin.“

Bereits seit 30 Jahren lebt er mit seiner Frau Kirsten und den drei Kindern in Kemnitz am Greifswalder Bodden. Der begeisterte Züchter hat seine Leidenschaft auch an seine Kinder weitergegeben. Seine Tochter Kristina unterstützt ihn beim Herdenmanagement und sein Sohn Niklas besucht die landwirtschaftliche Fachschule. Seine älteste Tochter Wiebke ist in der Industrie tätig.

Die Zucht macht auf dem Betrieb neben der Produktion von Milch einen nicht unerheblichen Anteil aus. Früher waren etwa 25 Prozent des Betriebseinkommens auf die Zucht zurückzuführen. Durch das Aufstocken des Bestands ist der Wert gesunken. „Wir produzieren jährlich knapp 6,5 Mio. l Milch. Dieser Produktionszweig ist daher der Wichtigste. Mal sehen, ob die Zucht in den nächsten Jahren wieder in Richtung 20 Prozent ansteigt“, sagt Augustin.

Von Mitte November 2021 bis Anfang Februar 2022 hat er insgesamt rund 120 Färsen und Mehrkalbskühe verkauft. Zum Verkauf der weiblichen Tiere kommen pro Jahr gut 60 bis 70 Zuchtbullen dazu. Um diese Werte erreichen zu können, setzt der Züchter auf eine sehr gute Reproduktionsrate, fruchtbare Bullen und gesextes Sperma.

Fernab des Mainstreams

In den letzten Jahren hat sich auch die Bullenauswahl gewandelt. So setzt der Landwirt jetzt wieder vermehrt auf töchtergeprüfte Bullen mit guten Euter- und Fundamentzuchtwerten. „Ich mag die alten Bullen. Väter von Färsen und Kühen, die hier im Betrieb gut funktionieren, setze ich gerne erneut ein“, erklärt er. Um auch immer einen Anteil frischer, junger Bullen im Bestand zu haben, nimmt er am Testherdenprogramm der Rinderallianz teil. „Das bietet für uns nicht nur einen züchterischen Vorteil, sondern gibt uns auch die Möglichkeit, unseren Kunden Zuchtbullen mit topaktuellen Papieren vermitteln zu können.“

Er selbst ist ein Freund der alten Zuchtlinien. „Wir setzen auch immer noch ganz alte Bullen ein. Wir haben noch eine Blackstar-Tochter in Milch und gerade noch Elevation-Kälber bekommen“, berichtet Augustin. Aktuell gehören der Bulle Bonum und einige kanadische Bullen wie Fuel, Sidekick, Alligator und Gymnast zu seinen Favoriten. Als fernab des Mainstreams beschreibt der Züchter seine Bullenwahl. „Die Bullen aus der zweiten Reihe haben bei uns immer besser funktioniert.“

Als Beispiel benennt er den Bullen Supershot, der in den 2000er-Jahren auf vielen Betrieben eingesetzt wurde. Aufgrund der höheren Exterieurwerte hatte sich Augustin damals für den unbekannten Bruder Superstyle entschieden. „Die ersten drei Töchter haben mittlerweile das dritte Kalb und wurden auf Anhieb mit exzellent eingestuft“, sagt der Züchter.

Auch bei seinem eigenen Zuchtbullen setzt er nicht auf hohe Milchzuchtwerte. „Wir setzen hier einen Rad-Sohn ein. Rad hat einen Milchzuchtwert von minus 500, macht aber alles gut, was wir in den letzten Jahren in der Zucht vernachlässigt haben“, sagt der Landwirt. Dazu gehört für ihn beispielsweise die Beckenlage, die Strichstellung und die Strichlänge. Auch der Bulle Sidekick hat es ihm trotz eines Milchzuchtwerts von minus 1.000 angetan. „Wir standen auf der Topliste des VIT nach dem Exterieurzuchtwert RZE eine Zeit lang mit einer Sidekick-Tochter ganz oben.“

Im Stall deutet er auf eine große, schlanke Färse. „Das hier ist eine Sidekick-Tochter. Er neigt teilweise zu großen Tieren mit etwas mehr Winkel im Bein. Darauf muss man beim Anpaaren achten“, erklärt der Betriebsleiter.

Wurzeln aus Stade

Die Wurzeln seiner Zucht bilden neben seiner Stammkuh Bella auch einige Linien aus dem elterlichen Betrieb in Stade. Bella hatte er im Jahr 1989 als Embryo aus Amerika importiert. Sie hat insgesamt 126 weibliche und männliche Nachkommen erzeugt und ist 19 Jahre alt geworden. „In Zeiten der 300-köpfigen Herde hatte mindestens ein Drittel der Tiere Bella-Blut. Viele unserer Spitzenkühe gehen auf sie zurück.“

Der G- und der O-Stamm sind hingegen auf den elterlichen Betrieb zurückzuführen. Grille war der erste Schauerfolg bei den Nachzuchten in Verden. Ortrud und Otti haben beide über 100.000 l Milch und viele Nachkommen produziert. Sie sind ein weiteres Beispiel dafür, dass die niedrigen genomischen Zahlen nicht immer ausschlaggebend sind. „Ich finde es schade, dass diese alten Kühe genomisch immer so runtergerechnet werden, obwohl sie für die Zucht so wertvoll sind“, sagt Klaus-Dieter Augustin.

Züchter Klaus-Dieter Augustin ist mächtig stolz auf seine 130.000-l-Kuh. Für ihn spielt der Persistenzzuchtwert eine wichtige Rolle.

Seine Zucht gibt ihm Recht. Mit einer jährlichen Milchleistung von 12.500 l bei 4 Prozent Fett und 3,5 Prozent Eiweiß gehört er zu den Spitzenbetrieben. Auch die Lebensabgangsleistung von 46.000 l zeigt, dass er mit seiner Zuchtstrategie erfolgreich ist. Für ihn wird die Leistung im deutschen Zuchtwertsystem allerdings zu stark fokussiert. „Es werden immer mehr Merkmale mit in die Zucht gepackt, die am Ende nicht ausschlaggebend für den Erfolg in der Herde sind“, sagt der Züchter.

Über 1.000 verkaufte Zuchtbullen, unzählige verkaufte Färsen und Mehrkalbskühe, über 70 Kühe mit dem Prädikat EX und über 60 Kühe, die eine Milchleistung von 100.000 l erreicht haben, kann der Betrieb aufweisen. Am 1. April 2022 erreicht eine Kuh sogar die 150.000-l-Marke. Der Blick auf seine Herde führt Klaus-Dieter Augustin nicht nur die aktuellen Spitzentiere vor Augen, sondern lässt ihn auch auf 30 erfolgreiche Jahre als Züchter zurückblicken. ●

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