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Damit es läuft

Neue emissionsmindernde Laufflächen fördern saubere Unterfüße und mindern so die Risikofaktoren für infektiöse Klauenerkrankungen.

Auf den Punkt

  • Bei Rindern ist die Außenklaue in der Regel 2,5 mm länger als die Innenklaue.
  • Damit die Außenklaue im Stall nicht noch höher wird, muss der Boden verformbar sein.
  • Moderne Gummiauflagen sollten diesen Zweck erfüllen und dafür sorgen, dass der Harn abläuft.

Wie schafft man die Voraussetzungen für eine gute Klauengesundheit und beste Bewegung der Kühe? Dazu sind zunächst die anatomischen Voraussetzungen zu betrachten. Beim Paarhufer sind nur noch zwei von fünf Zehen in Funktion. Im Vergleich mit der menschlichen Hand sind das der Ring- und der Mittelfinger. Hier besteht bei Rindern, die älter als drei Jahre sind, ein Längenunterschied von durchschnittlich 2,5 mm. Wenn die Klaue nicht auf verformbarem Naturboden einsinken kann, trägt hauptsächlich die Außenklaue das Gewicht. Daher treten dort auch die meisten mechanisch-traumatischen Erkrankungen auf.

Verschärft wird dies noch dadurch, dass das Gewebe auf Belastung mit Zellvermehrung reagiert. Das trifft auf den Knochen genauso zu wie auf die Haut. Daher bilden sich an der Unterseite des Klauenbeins der stärker belasteten Außenklaue Knochenzubildungen, sogenannte Exostosen, die schmerzhafte Druckpunkte darstellen. Insgesamt ist die Hornbildung an den äußeren Klauen höher als an den inneren, sodass sich ein Teufelskreis anbahnt, weil die Außenklaue immer mehr Last aufnehmen muss.

Befeuchtungseinrichtungen in Liegeboxen- oder Fressstandkanten ermöglichen ein gezieltes Befeuchten von Laufflächen. Das vermeidet Schmierschichten und verbessert Laufganghygiene und Trittsicherheit.

Verformbar und rutschsicher

Um Verhältnisse ähnlich der Natur zu schaffen, hat man verformbare Böden entwickelt, die sich zum Beispiel als Gummiauflagen auf planbefestigten wie perforierten Laufflächen seit Jahren in der Praxis bewähren. Wichtig für die gesunde Klaue ist außerdem, dass die Laufflächen rutschsicher sind. Nur so bewegen sich die Tiere vertrauensvoll fort. Dabei werden die Klauen gut durchblutet und adäquat mit Nährstoffen versorgt und die Tiere üben ein normales Brunst- und Körperpflegeverhalten aus.

Matten mit dachförmigem Gefälle auf Spaltenböden sorgen für eine zügige Harnableitung. Kleinere Schlitzanteile mindern Ammoniakemissionen.

Auf Naturboden sinkt die längere Klauenhälfte im Moment des Auffußens leicht ein, wodurch bei leicht überstehendem Tragrand eine gute Traktion entsteht. Danach unterstützt die Innenklaue und die Lastaufnahme erfolgt ausbalanciert. Profilierungen des Bodens sorgen im Stall ersatzweise für Rutschsicherheit. Allerdings ist dabei zu beachten, dass auf keinen Fall der Tragrand der Rinderklaue Schaden nimmt. Er hat, wie der Name schon sagt, eine elementare Funktion.

Da das Rind im Vergleich zum Menschen pro Quadratzentimeter die rund zehnfache Belastung auf den Boden bringt, sind besondere Mechanismen zur Stoßdämpfung notwendig. Das Rind steht nicht auf der Sohle, sondern hängt sozusagen im Hornschuh und fußt mit der Zehenspitze. Der sogenannte Aufhängeapparat überträgt das Gewicht fast vollständig auf die Klauenwand und schließlich auf den Tragrand. Der Sohle kommt eine Unterstützungsfunktion zu, wobei sie ein System aus Bindegewebe und Fetten vor Überbeanspruchung schützt. Leider gehören diese Polsterfette zu denjenigen, die bei Energiedefizit zu Beginn der Laktation abgebaut und später nicht mehr vollständig regeneriert werden. Für die Laufflächengestaltung bedeutet dies, dass rutschhemmende Profile den funktionell wichtigen Tragrand auf keinen Fall beschädigen und dadurch in der Funktion beeinträchtigen dürfen.

Das dreibeinige, schwanzwärts gerichtete Lecken gilt, neben der hohen Kopfhaltung und langen Schritten, als sicherer Indikator für rutschfest Böden.

Feuchte Laufflächen sind Gift

In den letzten Jahren hat sich die sogenannte Mortellarosche Krankheit (lateinisch Dermatitis Digitalis) weltweit ausgebreitet. Nur noch wenige Rinderbestände sind frei davon. Heilbar ist die Infektion nicht, denn die spiralförmigen Erreger verkapseln sich in der Haut, das heißt, sie nehmen Ruhestadien ein. Wird das Immunsystem belastet, bricht die Erkrankung plötzlich wieder aus, zum Beispiel nach Hitzestress oder Stoffwechselbelastungen.

Daher gilt es, die Keime möglichst nicht einzuschleppen, zum Beispiel durch Zukauf. Außerdem sollte es den Erregern nicht zu leichtgemacht werden, die Haut zu besiedeln. So besitzt aufgeweichte, gequollene Haut weniger gute Barriereeigenschaften. Außerdem ist bekannt, dass Kot und Harn die Hornzellen angreifen und deren Schutzwirkung herabsetzen.

Wie es um die Klauengesundheit in den Herden beschaffen ist, zeigt die Grafik „Lahmheiten in Rinderherden“. Eine Untersuchung von 2006 in 166 Betrieben mit Lahmheitsbeurteilungen bei 6.103 zufällig ausgewählten Kühen belegt, dass die Klauengesundheit stark verbesserungswürdig ist. So zeigen rund 20 Prozent der Tiere deutliche Lahmheiten und bei über 35 Prozent ist das Gangbild bereits leicht verändert.

Wie also sollten gute Laufflächen ausgestaltet sein? Damit sich die Tiere unbeeinträchtigt fortbewegen und ihre Klauengesundheit erhalten, sollten die Böden ein leichtes Einsinken erlauben, am besten so viel, dass der anatomische Längenunterschied von rund 2,5 mm ausgeglichen wird. Die Verformbarkeit sollte auch dazu beitragen, dass die Oberflächen rutschsicher sind. Sind Profilierungen nötig, dürfen sie den Tragrand nicht beschädigen.

Besonders wichtig ist die Laufganghygiene. Verschmutzte, feuchte Laufgänge sind zu vermeiden, denn sie erhöhen den Keimdruck. Auch wenn sich der Mythos vom zu geringen Abrieb auf Gummibelägen hartnäckig hält, ist es tatsächlich eine zu hohe Feuchtigkeit, die maßgeblich dafür verantwortlich ist, wenn das Gleichgewicht von Hornbildung und -abrieb aus der Balance gerät. Wenn Horn schnell Wasser aufnimmt und quillt, verändern sich die physikalischen Eigenschaften und der Abrieb nimmt ab. Dieser Zusammenhang ist aus der Tiefstreuhaltung bekannt. Je feuchter es wird, desto länger werden die Klauen. Was den Mythos vom geringeren Abrieb auf Gummimatten angeht: In schwedischen Studien wurde nachgewiesen, dass der Abrieb gegenüber rauen Betonoberflächen zwar tatsächlich etwas geringer ausfällt, aber durch verringerte Hornbildungsraten aufgrund der niedrigeren Belastung fast wieder vollständig ausgeglichen wird.

Neue Bodenausführungen, mit denen die Ammoniakemissionen gemindert werden sollen, bringen genau die gewünschten Eigenschaften mit. Damit Bakterien den Harnstoff aus dem Urin der Tiere nicht direkt zu Ammoniak verstoffwechseln, leiten neue Laufflächen den Harn rasch ab.

Dazu sind die Böden in der Regel mit Gefälle konstruiert und werden mit angepasster Entmistungstechnik häufig gereinigt. Wenn die harnableitende Lauffläche auf Basis von verformbaren Gummimatten in neue Ställe eingebaut oder bei vorhandenen Stallungen nachgerüstet wird, sind beste Voraussetzungen für die Klauen und die Mobilität der Kühe geschaffen. (mp) 

Wie Familie Hämmerle mit Gummiauflage und Mistroboter arbeitet, lesen Sie weiter unten.

Gummiauflage und Mistroboter

Die planbefestigten Flächen im neuen Stall der Familie Hämmerle räumen zwei Mistroboter. Damit der Kot im Sommer nicht antrocknet, haben die Landwirte Wasserrohre eingebaut, die die Laufflächen feucht halten.

Hubert Hämmerle bewirtschaftet den Betrieb mit seinem Sohn. Den Stall hat die Familie im Juni 2021 bezogen.

Hubert Hämmerle und Sohn Daniel bewirtschaften gemeinsam einen landwirtschaftlichen Betrieb in Adelshofen. 146 Kühe stehen im neuen Stall, den sie im Juni letzten Jahres bezogen. Derzeit werden 127 Tiere an zwei Melkrobotern gemolken. Der sechsreihige Boxenlaufstall mit außen liegenden Futtertischen weist einige Besonderheiten auf. Hierzu gehören ein Laufhof und ein zusätzlicher Aktivitätsbereich im Stallinneren. Außerdem befindet sich vor den Robotern ein Heukarussell, an dem die Tiere spielerisch Heu aufnehmen können. Das lockt sie vor die Melkroboter und erhöht damit die Besuchsfrequenz. Rund drei Melkungen je Kuh und Tag zählt der Milchviehhalter.

Die Laufflächen sind planbefestigt und mit Gummimatten ausgestattet. Die Entmistung im Stall erfolgt mittels zweier Roboter. Sie nehmen die Gülle mechanisch auf und entleeren die Tanks über dem Querkanal im Spaltenbereich vor den Melkrobotern. Die Mistroboter sammeln die Gülle alle 1,5 Stunden ein und haben eine Kapazität von bis zu 500 l. Hämmerle hat für jeden Tag sechs unterschiedliche Routen durch den Stall und auf dem Laufhof einprogrammiert. Da auch die Verbindungsflächen außerhalb der Entmistungsachsen sauber gemacht werden, ist wenig Handarbeit nötig. Alle Routen haben gemeinsam, dass sie den besonders frequentierten Fressgang immer mitreinigen. So erreicht Hämmerle hier die höchste Reinigungsfrequenz.

Im Fressgang fallen 70 Prozent der Kot- und Harnausscheidungen an. Hier ist die häufige Reinigung durch die Mistroboter besonders wichtig

Auch die Spaltenflächen vor den Robotern und am Übergang zur mittleren Liegeboxenreihe sind mit Gummiauflagen belegt. Deren Oberflächen sollen eine rasche Harnableitung begünstigen. Damit keine Gase aus dem Güllekeller nach oben kommen, ist der Schlitzanteil vermindert.

Im Sommer kann der Landwirt die Laufflächen befeuchten. In den Kotkanten der Liegeflächen sind Wasserrohre angebracht, die in einem Zeitintervall die Laufflächen benetzen. So bilden sich keine Schmierschichten und der Untergrund trocknet nicht aus. Insgesamt sind im Stall zwölf Wasserkreise verlegt, die nach und nach geöffnet werden. So kann in jedem Kreis ein ausreichender Wasserdruck aufrechterhalten werden, der dafür sorgt, dass das Wasser über die gesamte Breite der Laufgänge verteilt wird.

Für die Klauengesundheit ist das Bodenkonzept gut. „Wir haben keinen überbelegten Stall. Das ist ein Vorteil. Auch die Mortellarosche Krankheit kommt bei uns zum Glück nur selten vor, aber im Vergleich zum alten Stall ist die Gesundheit der Klauen noch einmal besser“, erklärt Hubert Hämmerle. Auch dort waren die Bodenoberflächen mit Gummibelägen ausgelegt. Aufgrund der positiven Erfahrungen haben die Landwirte sich auch im neuen Stall für einen Gummibelag entschieden. ●

Prof. Dr. Barbara Benz

Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen

E-Mail: barbara.benz@hfwu.de

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