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Praxisfall des Monats

Influenza: Husten, Fieber und hohe Verluste im Flatdeck

Nachdem die Infektionsketten erfolgreich unterbrochen wurden, traten bei den Ferkeln keine Atemwegsinfektionen mehr auf.

Auf den Punkt

  • Atemwegsprobleme in einem Flatdeck waren in erster Linie auf Influenza zurückzuführen.
  • Teil des Sanierungsplans war neben der Impfung der Sauen ein strenges Hygienekonzept.
  • Damit gelang es, die Infektionsketten zu unterbrechen und das Problem zu lösen.

Die Situation wurde für Landwirt Schulte (Name geändert) unhaltbar. In seiner Ferkelaufzucht traten über fast ein Jahr wiederholt Atemwegsinfektionen auf, die von Hirnhaut- und Gelenkinfektionen begleitet wurden. Der Schweinehalter sah sich gezwungen, immer wieder antibiotisch gegen diese Erkrankungen vorzugehen.

Mehrere Tiergruppen mussten sogar wiederholt behandelt werden. Mit einem Behandlungsindex von 74,24 befand sich der Betrieb im obersten Feld des vierten Quartils. Trotz zeitintensiver Tierbetreuung und zahlreicher Einzeltierbehandlungen stieg die Verlustrate im Flatdeck auf über 5 Prozent an.

41 °C Fieber nach dem Einstallen

Landwirt Schulte bewirtschaftet 1.600 Ferkelaufzuchtplätze und wird 14-tägig mit 350 bis 400 Absetzern beliefert. In zehn Abteilen unterschiedlicher Größe halten sich phasenweise bis zu vier Altersgruppen auf. Zwar werden die Abteile zum Ende der Aufzuchtperiode komplett geräumt, gereinigt und desinfiziert. Jedoch müssen immer wieder einzelne leichtgewichtige Tiere zur nächstjüngeren Gruppe zurückgestallt werden.

Dann war das Problem da: Etwa eine Woche nach dem Einstallen begannen die Ferkel zu husten und zeigten dabei bis zu 41 °C Fieber mit einer verstärkten Bauchatmung. Die sich häufig anschließenden Gelenk- und Hirnhautentzündungen konnten per Sektion einer Streptokokkeninfektion zugeordnet werden.

Influenza- und PRRS-Nachweis

In der Diagnostik ließ sich anhand von Speichelproben (Oral fluids), die mittels Kaustricken von frisch erkrankten Tieren gewonnen wurden, ein Influenza-A-Virus vom Subtyp H1N1 (aviärer Typ) bestimmen. Außerdem wurde diese schwerwiegende Infektion zeitgleich durch eine PRRSV- Infektion begleitet.

Somit wurde der Atemwegskomplex maßgeblich durch zwei virale Leitinfektionen beeinflusst, die wiederum das Immunsystem der Tiere überforderten. Bakterielle Sekundärinfektionen und vereinzelt auch das porzine Circovirus (PCV2) wurden somit maßgeblich getriggert. Hinzu kam: Alle Impfungen, die die Ferkeln kurz vor der Erkrankung erhielten – gegen Mykoplasmen, PCV2 und PRRS – schlugen fehl oder wirkten nur teilweise. Der Krankheitsverlauf innerhalb der Gruppe war extrem schleppend und erstreckte sich über die gesamte Aufzuchtphase bis in die ersten Wochen der Mast hinein. Dabei erkrankten nicht alle Tiere zeitgleich, wie man es von früheren Influenzaverläufen kannte, sondern immer nur Teilgruppen, die nicht einmal einen direkten Kontakt zueinander benötigten. Aufgrund der Abfolge der klinischen Symptome und der Laborbefunde wurde schnell klar, dass die Influenza als die Primärerkrankung einzustufen war, die alle folgenden Infektionen anbahnte.

Sauen gegen Influenza geimpft

Um das Virus zu bekämpfen, wurden als erste Maßnahme die Sauen im Ferkellieferbetrieb bestandsweise zweimal im Abstand von drei Wochen gegen Influenza geimpft. Zum Einsatz kamen die Vakzinen „Respiporc flu 3“ und „Respiporc flu pan H1N1“. Dem Virusfund entsprechend hätte die Impfung mit dem Dreifachimpfstoff Flu 3 zwar gereicht. Der Ferkelerzeuger strebte aber einen zusätzlichen Schutz für seine Sauenherde gegen den pandemischen Virustyp H1N1 pdm an. Im Vorbericht gab es Hinweise, dass bereits im Sauenbestand Erkrankungen aufgetreten waren, die vermutlich auf das gefundene Influenzavirus beruhten.

Eine Impfung der Ferkel gegen Influenza kam nicht in Betracht. Wissenschaftliche Untersuchungen und eigene Erfahrungen haben nämlich gezeigt, dass diese Impfung bei jungen Ferkeln infolge der lang anhaltenden maternalen Immunität (bis zu sieben Wochen) nach einer Feldinfektion oder Impfung unwirksam ist. Zwar können die Ferkel bereits sehr früh, sprich vor dem Absetzen, erstmals geimpft werden. Die Auffrischungsimpfung ist jedoch erst im Alter von etwa acht Wochen möglich. Der Schutz beginnt erst zwei Wochen später.

Bei einer reproduktionsorientierten Impfung der Sauen in der Hochträchtigkeit sind die Ferkel ab der achten Lebenswoche wieder voll empfänglich. Damit bliebe in jedem Fall eine mindestens zweiwöchige Immunitätslücke, in der die Tiere nach einer Infektion erkranken.

Infektionswege ermittelt

Eine Ursache des Problems: Die Verladerampe liegt unterhalb des Giebelfensters, von wo aus die Zuluft in den Zentralgang geleitet wird. So gelangten mit Virus beladene Aerosole in den Stall.

Außerdem ist zu bedenken, dass eine Impfung nur vor einer Erkrankung, jedoch nicht vor einer Infektion schützt. Auch wenn die Dynamik des Erregers, mit der er sich vermehrt und verbreitet, durch den maternalen Schutz abgeschwächt wird, bleibt anfangs immer ein Virusreservoir im Bestand. Um es erfolgreich zu bekämpfen, muss eine Infektion in der ungeschützten späten Aufzuchtphase verhindert werden. Dazu sind als Erstes mögliche Infektionswege zu ermitteln.

Die größte Schwachstelle im Betrieb Schulte war das regelmäßige Zurückstallen der leichten Ferkel in der Abverkaufsphase. Zudem vereinten sich der Luft- und der Triebweg. So wurde die Zuluft über ein Giebelfenster in den Zentralgang geleitet, von dem sie über eine Türganglüftung in die Abteile gelangte.

Die Folge: Wurden infizierte Ferkel zum Verkauf über den Zentralgang getrieben, gelangten gleichzeitig mit Virus beladene Aerosole über die Lüftung in die bislang gesunden Abteile. Nachteilig war auch die Anordnung der Verladerampe unterhalb des Giebelfensters.

Erfolgreich saniert

Nachdem alle möglichen Infektionswege analysiert und identifiziert waren, wurde ein Sanierungsplan erstellt. Erste Maßnahme war ein Einstallungsstop für vier Wochen, wodurch ein Zurückstallen von Ferkeln vorübergehend vermieden werden konnte. Verkaufsreife Tiere wurden auch leichter als sonst umgehend verkauft. Die verbliebenen zwei Gruppen verbrachte man in einen separaten Stalltrakt.

Gleichzeitig wurde der Zentralgang durch eine verschließbare Tür getrennt und ein Außenfenster im Gang für die Belüftung geöffnet. Somit war der ursprünglich gemeinsame Luftweg unterbrochen. Alle nachfolgenden Gruppen wurden in dem Bereich untergebracht, der an die Ver- laderampe angrenzt. Die separierten infizierten Ferkel wurden nicht wie gewohnt über die Rampe unterhalb der Zuluftöffnung verladen, sondern verließen den Stall über eine seitliche Tür in Richtung Osten. Die Tür, die den Zentralgang teilte, wurde während der Umtriebe nicht geöffnet.

Für beide Stallbereiche galt jeweils eigene Stallkleidung und es gab für jeden Bereich eigene Gerätschaften (Schaufeln, Besen, Treibbretter, Spritzen, etc.). Im täglichen Arbeitsablauf wurde erst der Bereich mit den jüngeren Ferkeln und erst danach der Bereich mit den älteren Ferkeln betreten (dem Alter nach aufsteigend).

Der Erfolg dieser Maßnahmen ließ nicht lange auf sich warten. Nach dem Abverkauf der separierten Gruppen war die Infek- tionskette offensichtlich gebrochen. Die wiederkehrenden Atemwegsinfektionen traten nicht mehr auf. Zeitgleich reduzierten sich die Begleiterkrankungen erheblich. Nur noch wenige Tiere mussten antibiotisch behandelt werden und die Tierverluste im Flatdeck verringerten sich auf 2 Prozent. (br)

Influenza: Infektionsketten unterbrechen

Infektionen mit dem Influenzavirus führen weltweit zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden in den Schweinebeständen. Mittlerweile sind die durch Influenza ausgelösten bakteriellen Sekundärinfektionen der häufigste Grund für antibiotische Behandlungen in der Ferkelaufzucht und Mast. In Europa wurden bislang ausschließlich Influenza-A-Stämme in Schweinebeständen gefunden. Dabei wird mittlerweile zwischen pandemischen und aviären (von Vögel stammenden) Typen differenziert. Während aviäre Typen sich nur von Schwein zu Schwein verbreiten, können pandemische Typen auch den Menschen infizieren. In den meisten Fällen infizieren sich die Schweine dann durch den erkrankten Tierbetreuer.

In Deutschland sind zwei Impfstoffe zugelassen. Die Auswahl richtet sich nach dem isolierten Feldtyp (pandemisch oder aviär). Während die Impfung bei Sauen und Mastschweinen sehr häufig erfolgreich ist, glückt sie bei Aufzuchtferkeln meist nicht. Grund dafür ist die lang anhaltende maternale Immunität (sieben Wochen). Somit bleibt hier nur die Möglichkeit, Infektionsketten zu unterbrechen, die von einer Impfung der Muttersauen in der Hochträchtigkeit begleitet werden muss.

Eine besondere Rolle spielen dabei die Treib- und Luftwege, die möglichst getrennt werden sollten. Gelingt das nicht einwandfrei, sollten in Peressigsäure (Wofasteril + Alcapur) getränkte Türvorhänge während des Umtriebs zum Einsatz kommen. Verschärfte Hygieneregeln für das betreuende Personal und das Vermeiden eines Zurückstallens während der Sanierungsphase verstehen sich von selbst.

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