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Dauerbrenner PRRS

Die Bestandsimpfung der Sauen bietet immer noch den besten Schutz vor PRRS-bedingten Fruchtbarkeitsproblemen.

Auf den Punkt

  • Das PRRS-Virus ist sehr wandlungsfähig, was seine Bekämpfung nicht leicht macht.
  • Mit einer genauen Diagnostik und abgestimmten Impfkonzepten lässt sich das Virus beherrschen.
  • Hierfür bietet der Markt eine Reihe von Impfstoffen sowohl für Sauen als auch für Ferkel.

Seit der Entdeckung des PRRS-Virus im Jahr 1990 und den ersten großen „Seuchenzügen“ hat sich viel getan: Die Diagnostik wurde verbessert. Es wurden die verschiedenen Virusstämme charakterisiert sowie Impfstoffe und Sanierungsmöglichkeiten entwickelt. Trotz alledem ist es nicht gelungen, das Virus und damit die Erkrankung PRRS (porzines reproduktives und respiratorisches Syndrom) aus den Schweinebeständen zu verdrängen. Insbesondere in viehdichten Regionen und bei hohem Druck durch andere Erreger, zum Beispiel Influenza, scheinen die Probleme nur schwer zu beherschen sein.

Weltweit sind eigentlich nur Argentinien, Kuba, Neu Kaledonien, Australien, Neuseeland, die Schweiz und Skandinavien (ohne Dänemark) frei von dem Virus. In amerikanischen Studien wurden die Produktivitätsverluste infolge von PRRS in den USA auf jährlich 664 Mio. US-Dollar geschätzt. In Deutschland geht man von einem Schaden von etwa 116 Mio. Euro im Jahr aus.

Das macht das Virus so gefährlich

Woran liegt es nun, dass PRRS heute immer noch so viele Probleme bereitet? Ein bedeutender Faktor ist, dass das Virus über die Luft übertragen wird. Amerikanische Wissenschaftler konnten nachweisen, dass der Erreger bis zu 9 km entfernte Schweinebestände infizieren kann. Allerdings gibt es auch Berichte, zum Beispiel aus Spanien, wo positive und negative Herden direkt nebeneinander liegen, ohne dass es zum Virusübertritt kommt.

Hier scheint der jeweilige Virusstamm eine Rolle zu spielen, denn es gibt unterschiedliche Stämme mit unterschiedlichen Eigenschaften. Zudem hat das PRRS-Virus die Eigenschaften einer Quasispezies – kein Virus gleicht also dem anderen. Der Erreger verfügt über eine erhebliche genetische Variabilität und erweist sich als clever genug, einer Immunabwehr zu entkommen.

Nach der Infektion seiner Zielzellen, den Alveolarmakrophagen (Fresszellen des Immunsystems in den Lungenbläschen), haften die Proteine des PRRS-Virus nämlich nicht auf deren Oberfläche, sondern das Virus „versteckt“ sich quasi in der Zelle. Das erschwert eine Stimulation der Immunabwehr. Dies erklärt möglicherweise die bei manchen Tieren beobachtete Erregerpersistenz.

Schon in den 90er-Jahren war ziemlich schnell klar, dass sich die Stämme des US-Typs stark voneinander unterschieden. In einigen Betrieben verlief die Infektion deutlich milder als in anderen. Dagegen glaubte man zunächst, dass die europäischen PRRSV-Stämme (Typ 1) alle eng miteinander verwandt seien. Aber neuere Studien zeigen, dass es in Osteuropa (Litauen, Lettland, Weißrussland, Ukraine, Russland) mindestens vier verschiedene Virusstämme vom EU-Typ gibt.

In West- und Zentraleuropa wurde dagegen nur ein einziger genetischer Subtyp nachgewiesen. Dieser Subtyp 1 existiert auch in Nordamerika und Südostasien. Zudem wurde im Jahr 2006 in China ein Krankheitsbild von PRRS beobachtet, das mit dramatischen Verlusten und Aborten einhergeht. Die verantwortlichen Virusstämme werden als sogenannte Hp-PRRS-Stämme bezeichnet.

Diagnostik nicht ganz einfach

Da es sich bei einer PRRS-Infektion also um ein durchaus kompliziertes Geschehen handelt, ist auch die Diagnostik nicht gerade einfach. Vorab: Es ist wichtig, bei Fruchtbarkeits- und Atemwegsproblemen im Bestand nicht nur nach PRRS zu suchen. Zum einen können Erkrankungen wie Influenza ähn- liche Symptome zeigen. Zum anderen können neben dem PRRS-Virus auch andere Erreger gleichzeitig im Betrieb auftreten, sich gegenseitig beeinflussen und so die Situation verkomplizieren.

Bei der PRRS-Diagnostik unterscheidet man den Nachweis von Antikörpern per ELISA, den Erregernachweis über die PCR und die Sequenzierung von Stämmen. Als Material für die PRRS-Diagnostik eignen sich insbesondere Blut, Speichel aus Kaustricken und bei der Sektion gewonnenenes Organmaterial. Für die serologische Routinediagnostik wird in breitem Umfang ein ELISA-Test angewendet, der Antikörper gegen das N-Protein des PRRS-Virus findet.

Tot und lebensschwach geborene Ferkel können Folge einer PRRS-Infektion der Föten in der Gebärmutter sein. Mit dem richtigen Sauenimpfkonzept lässt sich dies verhindern.
Bei Mastschweinen zeigt sich PRRS oftmals in einer Bindehautentzündung der Augen.

Damit ist es jedoch nicht möglich, zwischen amerikanischem und europäischem Genotyp wie auch zwischen Impf- und Feldvirus zu unterscheiden. Weitere Nachteile des ELISA-Tests sind: Es kann aus der Höhe und dem Verlauf der Werte nicht sicher auf einen zurückliegenden Infektionszeitpunkt geschlossen werden. Zudem erlaubt der Test keinen direkten Rückschluss auf die Qualität der zum Beispiel durch Impfung hervorgerufenen Immunantwort.

Die PCR ermöglicht dagegen einen direkten Nachweis des PRRS-Virus und auch US- und EU-Stamm lassen sich damit voneinander unterscheiden. Die Analyse von Laborergebnissen (auch zwischen einzelnen Laboren) hat leider ergeben, dass nicht alle PCR-Protokolle gleich gut geeignet sind. So besteht in erster Linie die Gefahr falsch negativer Ergebnisse, da aufgrund der erheblichen genetischen Variabilität des Erregers die in der PCR verwendeten Primer (spezifische Startsequenzen für den Test) schon wieder veraltet sein können. Dies gilt insbesondere für die osteuropäischen Stämme. Um Feld- und Impfvirus weitergehend zu unterscheiden, insbesondere beim europäischen Genotyp, kann die Gensequenzierung (Darstellung des Erbguts) genutzt werden.

Trotz Impfung Probleme?

Wichtig zu wissen ist, dass die Diagnostik, auch die Sequenzierung, keine Hilfestellung bei der Auswahl des Impfstoffs bietet! Auch bei hohem Verwandtschaftsgrad zwischen Impfstoff und Virus lässt sich nicht direkt auf die Wirksamkeit des Impfstoffs schließen. Leider steckt die Forschung zur Immunabwehr bei PRRS noch in den Kinderschuhen. Also was tun, wenn trotz Impfung Probleme auftreten? Zunächst muss die Situation im Bestand genau abgeklärt werden:

  • Gibt es möglicherweise andere Erreger, die das Problem verursachen oder verkomplizieren? Der Tierarzt wird hierzu einen Diagnoseplan erarbeiten, um andere Erreger wie das Influenza- oder PCV2-Virus abzuklären.
  • Ist der Betrieb PRRS-stabil oder instabil? Hierzu werden Proben von Sauen, Saugferkeln und aus dem Flatdeck und der Mast per PCR auf Feldvirus untersucht (siehe Tabelle „PRRS-Status des Betriebs abklären“). Gegebenenfalls ist eine Sequenzierung erforderlich, um Feld- und Impfvirus klar abzugrenzen.
  • Verursachen „neue“ PRRS-Stämme das Problem? Sind die im Betrieb vorhandenen Stämme bereits sequenziert, lässt sich über eine aktuelle Sequenzierung feststellen, ob es sich noch um den gleichen Stamm handelt, sich dieser verändert hat oder ein Einbruch mit einem neuen PRRS-Stamm vorliegt.

Diese Maßnahmen einleiten

Sind diese Fragen geklärt, sind entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Steht fest, dass das Krankheitsgeschehen nicht ausschließlich durch PRRS verursacht ist, müssen der oder die anderen Erreger ebenfalls unter Kontrolle gebracht werden. Der Hoftierarzt wird dazu ein entsprechendes Impfkonzept erstellen.

Typische PRRS-Impfkonzepte sind hierbei die „Block“-Impfung aller Sauen alle vier Monate, bei hohem Erregerdruck besser alle drei Monate, oder das sogenannte 6-60-Konzept. Hier werden die Sauen am sechsten Tag nach der Geburt und am 60. Trächtigkeitstag geimpft. Ferkel werden typischerweise in der dritten Lebenswoche vakziniert. Eine Ausnahme bildet der Impfstoff Suvaxyn, der bereits ab der ersten Lebenswoche zugelassen ist (siehe Tabelle „Diese PRRS-Impfstoffe sind auf dem Markt verfügbar“).

Zusätzlich ist der Bestand über Maßnahmen der externen und internen Biosecurity zu stabilisieren. Das ist besonders bei PRRS-instabilen Herden sehr wichtig. Hierbei hilfreich ist zum Beispiel der von der Universität Gent entwickelte Biosecuritycheck. Der Check ist kostenfrei auf der Internetseite www.biocheck.ugent.be durchzuführen. Häufige Probleme sind vor allem die Jungsaueneingliederung, der Pig-Flow und Eintragsquellen wie die Verladerampe.

In Einzelfällen, wenn zum Beispiel ein neuer Stamm im Betrieb Probleme macht, kann es unter Umständen sinnvoll sein, den PRRS-Impfstoff zu wechseln. Hierbei ist allerdings zu bedenken, dass bei etwa 90 bis 95 Prozent der Stämme alle im Markt verfügbaren Lebendimpfstoffe „funktionieren“. Der vorhandene Totimpfstoff ist nicht in der Lage, ein klinisches Infektions- geschehen unter Kontrolle zu bringen (siehe Tabelle).

Da sich diagnostisch nicht abklären lässt, welcher Impfstoff wirksam ist, ist ein Wechsel immer Versuch und Irrtum. Aufgrund dieser Unsicherheit sollten erst alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft werden, bevor über einen Impfstoffwechsel nachgedacht wird. Ein Schnellschuss führt häufig nicht zum Erfolg. Vielmehr sollte gemeinsam mit dem Hoftierarzt ein strategischer Plan inklusive Impfkonzept erstellt werden, um das Problem in den Griff zu bekommen. (br) ●

Genaue Diagnostik unerlässlich

Gibt es trotz PRRS-Impfung im Schweinebestand Probleme, ist diagnostisch genau abzuklären, ob möglicherweise andere Erreger wie das PCV2- oder das Influenzavirus hierfür eine Rolle spielen. Abzuklären ist ebenso, ob der Bestand PRRS-stabil oder -instabil ist. Erst auf dieser Grundlage kann der Tierarzt ein wirksames Impfkonzept für den Betrieb erstellen.

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