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Fitte Ferkel, gute Mütter

Claus-Peter und Ulrike Schmidt züchten auf Mütterlichkeit.

„Besser 14 gesunde und homogene Ferkel an der Sau als 18 schlechte“, sagt Claus-Peter Schmidt. Damit ist er längst nicht allein. Jahrzehntelang war die Anzahl der geborenen und abgesetzten Ferkel pro Sau und Jahr das Maß aller Dinge. Doch mehr und mehr wird umgedacht. Es geht um Faktoren wie Mütterlichkeit, Aufzuchteffizienz und Langlebigkeit der Sauen.

Heute fragen sich die Landwirte, wie sich eine Sau verhalten muss, damit von den lebend geborenen Ferkeln möglichst viele überleben und als vitale Ferkel abgesetzt werden können. Wie lässt sich die Homogenität der Würfe verbessern? Wie sieht die Sau mit der besten Gesamtrentabilität aus?

„Aber es geht um mehr als nur um Rentabilität. Vom Tierschutzgedanken her möchte ich wieder eine Sau, die ihre Ferkel selbst aufziehen kann“, sagt Claus-Peter Schmidt. Der Landwirt aus Neuenstein im Hohenlohekreis hält zusammen mit seiner Frau Ulrike 140 bis 150 Sauen. „Unser Hauptbetriebszweig ist die Vermarktung von Hybrid-Jungsauen aus dem German Genetic-Konzept.“

Möglichst geringe Saugferkelverluste und vitale Ferkel wünscht sich das Ehepaar Schmidt.

Igor Herrmann beobachtet schon lange das Verhalten der Muttersauen. Das sei aber zu einem großen Teil erlernt.

Tobias Peter hat seit Einführung des Maternal-Faktor viel über seine Sauen gelernt.

Ruhige, robuste, mütterliche und umgängliche Sauen sind das Ziel.

Mütterlichkeit gefragt

Claus-Peter Schmidt setzt im Schnitt über 30 Ferkel pro Sau und Jahr ab. Er will die über die Jahre gestiegenen Wurfleistungen damit verbinden, dass es der Sau gut geht. „Obwohl wir Jungsauenvermehrer sind, möchten wir Sauen, die möglichst lange im Betrieb bleiben. Unsere älteste Sau säugt derzeit ihren 16. Wurf, im Schnitt schaffen die Sauen zehn Würfe.“

Mit den Themen Mütterlichkeit und Umgänglichkeit befassen sich auch zwei neue Ansätze: German Genetic als Genetiksparte des Schweinezuchtverbands Baden-Württemberg hat den Maternal-Faktor für Muttertierrassen entwickelt. Er bildet die Aufzuchtleistung einer Sau ab.

In einem EIP-AGRI-Projekt geht es ebenfalls um diese Themen. Ziel ist die Entwicklung eines Züchtungskonzepts zur Verminderung von Verlusten und Förderung der Vitalität, wie das Interview auf Seite 14 zeigt.

Ein Ursprung der besonderen züchterischen Bearbeitung der Mütterlichkeit war eine Kundenumfrage. Die Sauenhalter waren mit der Zahl der lebend geborenen Ferkel sehr zufrieden; jetzt wünschten sie sich ruhigere Sauen und geringere Ferkelverluste. Ziel ist es, die Differenz zwischen lebend geborenen und abgesetzten Ferkeln zu verringern und damit die Aufzuchtleistung effektiv zu steigern. Hier spielen die Milch- und Säugeleistung sowie das Verhalten von Sauen eine Rolle.

1996 hat Claus-Peter Schmidt seine Ausbildung als Landwirtschaftsmeister abgeschlossen. „Wir mussten verschiedene Szenarien unserer Betriebsentwicklung durchrechnen.“ Hauptkriterium sei natürlich die Zahl der abgesetzten Ferkel pro Sau und Jahr gewesen. „Wir waren Welten von dem entfernt, was wir heute leisten.“

Das bestätigt Tobias Peter aus Pfullendorf im Landkreis Sigmaringen. Er hat zusammen mit seiner Frau Daniela den Herdbuchzuchtbetrieb seines Onkels übernommen. Heute betreibt das Ehepaar ihn als Nukleus- beziehungsweise Basiszuchtbetrieb und vermarktet schwerpunktmäßig Zuchtsauen der Deutschen Landrasse (DL). „Seit zwei Jahren züchten wir mit einer kleinen Herde auch das Deutsche Edelschwein (DE)“, sagt Tobias Peter. „Wir haben natür- lich ebenfalls versucht, die Anzahl der lebend geborenen Ferkel zu erhöhen und gleichzeitig die Aufzuchteffizienz im Blick zu behalten. Das haben wir auch geschafft.“

Der Maternal-Faktor

Beide Landwirte haben also auch vorher auf die Mütterlichkeit der Sauen selektiert. „Aber das beruhte immer nur auf unserer persönlichen Einschätzung“, sagt Tobias Peter. Deshalb war es für sie selbstverständlich, die Entwicklung und züchterische Umsetzung des Maternal-Faktors auf ihren Betrieben praktisch zu begleiten. Dieser beruht auf einer mathematischen Zusammenfassung folgender vier Teilzuchtwerte:

  • abgesetzte Ferkel im erster Wurf,
  • abgesetzte Ferkel im zweiten Wurf und in den Folgewürfen,
  • Aufzuchteffizienz im ersten Wurf,
  • Aufzuchteffizienz im zweiten Wurf und in den Folgewürfen.

Die Aufzuchteffizienz ist dabei mit 60 Prozent gewichtet und beschreibt, wie viele der lebend geborenen Ferkel die Sau auch wirklich absetzt. Damit lassen sich Rückschlüsse auf die Mütterlichkeit schließen. Denn Sauen, die ihre Ferkel beißen oder erdrücken, setzen am Ende weniger ab.

„Für uns ist die Tier-Mensch-Interaktion während der gesamten Säugezeit, die wir für das EIP-Projekt beobachten, wichtig“, sagt Tobias Peter. Wie verhalten sich die Sauen, wenn man die Ferkel behandeln muss oder das Absetzen ansteht? „Im letzten Durchgang hatten wir zwei Jungsauen, die haben kaum die Augen aufgeschlagen, als wir abgesetzt haben. Solche Sauen wünschen wir uns.“

Die Ergebnisse stimmen zuversichtlich. Sauen mit hohem Maternal-Faktor weisen in der Praxis die geringsten Ferkelverluste auf und setzen somit die meisten Ferkel ab. Das ist laut Hans Faber, Zuchtleiter des Hybridzuchtprogramms bei German Genetic, über die Gesamtpopulation genauso zu beobachten wie auf jedem einzelnen Betrieb.

„Bei uns hatten nach der ersten Auswertung 10 Prozent der Sauen einen negativen Maternal-Faktor. Die haben wir dann nicht mehr belegt“, sagt Claus-Peter Schmidt. „Unser Ziel ist es, kontinuierlich die gesamte Herde zu verbessern.“

Hans Faber zufolge können damit zum Beispiel die Ferkelverluste pro Wurf um 4,5 Prozent gesenkt werden. Man hat also ein wirksames Werkzeug, mit dem man rechnerisch über den Zuchtwert Maternal-Faktor vorselektieren kann und genau die Sauen findet, mit denen weitergezüchtet werden soll – natürlich nur zusammen mit dem Auge des Züchters. Claus-Peter Schmidt sagt: „Wir führen Listen von Sauen, die Verhaltensauffälligkeiten aufweisen. Vergleichen wir die Listen mit der Auswertung zum Maternal-Faktor, sehen wir, dass diese Sauen durchweg negativ bewertet sind.“

Die Erfahrung des Züchters

„Das Auge ist ganz wichtig. Denn das Verhalten der Sau ist nur zum Teil auf die Genetik zurückzuführen, vieles ist erlernt“, erklärt Igor Herrmann. Er verwaltet zusammen mit seiner Frau Susanne den Gutshof Großtissen (Landkreis Sigmaringen).

Aufgrund der Besonderheit, dass der Hof denkmalgeschützt ist, konnten sie nicht weiter wachsen. Es reifte die Idee, auf ökologische Schweinehaltung nach Naturland-Richtlinien umzustellen, verbunden mit einer Bestandsabstockung und Änderung der Haltungsform auf freies Abferkeln.

„Uns war klar, dass wir bei der Selektion Hilfe brauchen. So kamen wir mit Hans Faber ins Gespräch und arbeiten in dem EIP-AGRI-Projekt mit (siehe Interview Seite 14). Hans Faber ergänzt: „Für uns ist das wichtig, weil wir außer mit der alternativen Sauenherde in Boxberg kaum Betriebe mit freier Abferkelung zur Datenerhebung für das Projekt hatten.“

Natürlich beeinflusse die Genetik das Verhalten der Sauen, aber es sei auch immer eine Antwort darauf, was sie erleben. „Ich musste meine Arbeitsweise gegenüber den Tieren umstellen. Anders funktioniert es in der freien Abferkelung nicht“, sagt Igor Herrmann. „Wir sind auf die Kooperation der Sauen angewiesen und legen deshalb sehr viel Wert auf das Verhalten der Tiere.“

Es gehe darum, wie und wo die Sauen sich ablegen und ob sie ihre Ferkel vorher warnen und sie ins Ferkelnest schicken – um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Robuste Sau bringt viele Ferkel

„Ich bin froh über den neu geschaffenen Maternal-Faktor und die ersten Ergebnisse aus dem EIP-Projekt überzeugen mich“, sagt Tobias Peter. „Wir werden die neu erworbenen Kenntnisse weiter nutzen“, ergänzt Igor Herrmann. Es ist vorstellbar, dass künftig über die Basis- und Hybridvermehrungszuchtbetriebe hinaus auch züchterisch interessierte Eigenremontierer mit Blick auf Mütterlichkeit und Aufzuchteffizienz arbeiten.

Damit wurden die Zeichen der Zeit erkannt. Mit diesen objektiven Werkzeugen, ergänzend zum eigenen Beobachten und Umgang mit den Tieren, können die Sauenhalter in die Zukunft starten. „Wir wollen eine umgängliche Sau, die für das freie Abferkeln und Belegen geeignet ist“, lautet der gemeinsame Tenor.

Die so selektierten Sauen bringen gute Voraussetzungen für die gesellschaftlich gewünschten Haltungsformen der Zukunft – wie das freie Abferkeln – mit. Es sindgesunde und robuste Sauen, die dank hoher Aufzuchtleistungen eine lange Nutzungsdauer und hohe Lebensleistungen versprechen. Gleichzeitig erhöht sich die Ferkelqualität und die Homogenität der Würfe. ●

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