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Tiere haben nur Rechte

Schäferidyll: Andreas Smietana vermittelt auch die schönen Seiten seines Berufs.

Andreas Smietana ist Wanderschäfer in der dritten Generation. Mit den 250 Merinolandschafen der Landwirtschaftlichen Lehranstalten Triesdorf, ihren Lämmern und seinen Hütehunden zieht er vor allem durch die Gegenden rund um seinen Heimatort . Er bildet Schäfer aus. Wichtig ist ihm, wie er selbst sagt, gesund zu arbeiten, effizient und wirtschaftlich.

„Wir sind den Tieren gegenüber verpflichtet, nicht die Tiere uns gegenüber. Sie sind auf mich angewiesen.“

Andreas Smietana

Herr Smietana, Schafe wirken auf den ersten Blick freundlich und kuschelig. Welche Eigenschaften prägen diese Herdentiere?

Schafe sind friedliebende Herdentiere. Ein Schafbock macht aber durchaus seinen Anspruch und seine Rangordnung deutlich, indem er sich vor seine Herde stellt. Auch Mutterschafe werden immer versuchen, ihre Lämmer zu schützen. Die Tiere sind deswegen nicht aggressiv. Sie folgen ihrem Instinkt und geben deutliche Signale. Wenn ein Tier mit den Vorderbeinen aufstampft und den Kopf senkt, drückt es damit aus: „Hey, ich mag das nicht! Komm mir nicht zu nahe.“ Es ist die Aufgabe des Schäfers, die Anzeichen richtig zu deuten und umsichtig zu agieren.

Wie sieht richtiges Verhalten in so einem Fall aus?

Soweit sollte es gar nicht kommen. Besser ist es, sich den Tieren grundsätzlich ohne Hektik und selbstbewusst zu nähern, den Schafbock und die Mutterschafe bei der Arbeit im Blick zu behalten und eine Distanz zu wahren, sodass die Tiere entspannt bleiben. Ein Schafbock wird immer versuchen, einen Angriff zu vermeiden, wenn der Mensch den passenden Abstand einhält. Muss ich nahe an einzelne Tiere heran, etwa zum Separieren, bereite ich mich vor und nutze zum Beispiel Gatter. Ist es trotz aller Vorsicht zu einer angespannten Situation gekommen, entferne ich mich möglichst ruhig und langsam. Wenn möglich nutze ich Hecken oder Bäume als Schutz.

Gibt es Situationen, wo dies nicht möglich ist?

Klar kommen diese Situationen auch vor, zum Beispiel wenn ein fremder Hund in die Herde kommt. Aber auch dann sollte man sich lieber erst mal kurz orientieren, bevor man entgegenwirkt. Bei mir kommt dieser Fall selten vor. Denn ich wirke dem schon im Vorfeld entgegen.

Erste Hilfe auf der Wiese: Andreas Smietana legt gekonnt, aber sanft das Schaf auf die Seite, um dessen Klauen sauber zu machen.

Was kann man dann tun?

Es ist zum Beispiel wichtig, dass man mit den Leuten kommuniziert und mit Hundehaltern redet und sie bittet einen anderen Weg zu nehmen als direkt an der Herde vorbei. Auch kann man Schilder aufstellen, auf denen man darauf hinweist, dass man in ein paar Tagen mit seinen Schafen an dieser Wiese ist. Dadurch kann man auch vermeiden, dass frischer Hundekot in den Wiesen ist. Man kann viele Stresssituationen also durch gutes Planen vermeiden. Doch, wenn sie eintreten, kann man keinen wirklichen Plan empfehlen. Es hängt immer von der jeweiligen Situation ab. Aber die Ausbildung zum Schäfer bringt mit sich, dass man genau weiß, wie man sich gegenüber Herdentieren verhält.

Das Bild des Schäfers oder der Schäferin weckt Sehnsucht nach der guten alten Zeit. Machen sich die Menschen falsche Vorstellungen von diesem Beruf?

Ohne Naturverbundenheit und Tierliebe geht es natürlich bei uns nicht. Trotzdem leben wir aber in der Gegenwart. Früher war nicht alles besser. Ältere Schäfer erinnern sich an ihr entbehrungsreiches, einsames Leben im kalten, nassen Schäferkarren ohne Heizung. Da lässt die Romantik schnell nach. Solche Probleme haben wir heute nicht. Wir stehen mit beiden Beinen fest im Leben. Laptop und Smartphone gehören zu unserem Beruf und zu unserem Leben. Wie jeder Unternehmer organisieren wir unseren Büroalltag.

„Ältere Schäfer erinnern sich an ihr entbehrungsreiches, einsames Leben im kalten, nassen Schäferkarren. Da lässt die Romantik schnell nach.“

Was hat sich in den letzten Jahrzehnten noch verändert?

Verändert haben sich auch die Rahmenbedingungen unserer Arbeit. Die Besiedelung ist dichter, das Verkehrsaufkommen viel höher. Wir müssen vorausschauend planen. Zum Beispiel als Verkehrsteilnehmer, wenn wir Straßen oder Schienen mit der Herde kreuzen. Hier sind rechtzeitige Absprachen mit der Straßenmeisterei oder der Polizei die beste Lösung, damit die entsprechenden Verkehrswege für diese Zeit gesperrt werden.

Gibt es etwas, das aus Ihrem heutigen Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken ist?

Wenn es schnell gehen muss, dann hilft uns das Handy sehr. Auch wenn wir sehr kurzfristig einen Tierarzt brauchen. Mit dem Handy kann ich alle Ansprechpartner schnell anrufen oder anschreiben. Umgekehrt sind auch wir gut erreichbar.

Gibt es noch weitere Maschinen, die Schäfer heutzutage unterstützen?

Nach wie vor müssen Schäfer schwere Arbeit leisten. Aber Hilfsmittel, wie zum Beispiel Behandlungseinrichtungen, bei denen die Arbeitshöhe angepasst werden kann, erleichtern Tätigkeiten wie die Klauenpflege sehr. In den Ställen müssen die Futterbänder nicht mehr von Hand befüllt werden. Das übernimmt der Futtermischwagen. Der Hoflader ersetzt die Schubkarre. So arbeiten wir gesünder, effizienter, wirtschaftlicher und können unseren Beruf länger ausüben.

Welche Kenntnisse und Fähigkeiten muss man haben, um für den Beruf geeignet zu sein?

Grundsätzlich müssen sich Schäfer – wie alle Tierhalter – stets bewusst sein, dass wir den Tieren gegenüber verpflichtet sind, nicht die Tiere uns gegenüber. Sie beschäftigen ihre Halter rund um die Uhr. Schäfer müssen die Grundversorgung der Tiere jederzeit sicherstellen und sich in der Tierzucht sowie der Vermarktung auskennen. Sie müssen die Gesundheit der Tiere fördern und Krankheiten erkennen. Die Tiere sind auf mich angewiesen. Ich muss die Haltungs- und Fütterungsbedingungen schaffen, die dem Tier gerecht werden. Dazu muss man Tiere wirklich lieben. Ich kann meine Schafe bei Problemen nicht einfach im Stich lassen. Die beste Voraussetzung, um diese Aufgabe zu bewältigen, ist eine Ausbildung zum Tierwirt mit Schwerpunkt Schafhaltung und die ständige Weiterbildung. Daneben braucht es Geduld, Ausdauer, Verantwortungsgefühl und Belastbarkeit.

Ist die Schafhaltung eine Männerdomäne?

Eine gute körperliche Konstitution ist hilfreich, aber nicht entscheidend. Viele Frauen führen erfolgreich Betriebe. Ihr Organisationstalent und ihre Weitsichtigkeit sind bemerkenswert.

Warum ist gute Planung so wichtig?

Organisation und Planung zahlen sich aus, weil sie vor Arbeitsunfällen und Überlastung schützen. Ich muss die möglichen Risiken einer Tätigkeit abschätzen, bevor ich mit der Arbeit beginne und überlegen, was kann ich selber machen, was vergebe ich an externe Dienstleister. Das Klauenschneiden und die Schur müssen zum Beispiel sehr zügig und routiniert gemacht werden, um das Tierwohl zu gewährleisten. Das kann ich alleine nicht leisten und hole mir deshalb Helfer.

Welche Risiken gehen mit Ihrem Beruf einher, woran wird mitunter häufig nicht gedacht?

Unfälle ergeben sich vor allem durch Stolpern oder Ausrutschen auf dem natürlichen Boden. Weitere Risiken sind Zecken und im Stall das Hantavirus. Wanderschäfer sind der Witterung sehr stark ausgesetzt. Beim Klauenschneiden, Schlachten und Scheren kann es zu Schnittverletzungen kommen, wenn keine oder nicht die richtigen Schutzhandschuhe getragen werden.

Das klingt nach viel Risiko im Alltag. Wie kann man dem als Schäfer oder Schäferin begegnen?

Nicht immer bedenken Schäfer, wie wichtig Selbstfürsorge und Verantwortung sich selbst gegenüber sind. Gerade einzelne Schäfer, die als Privatunternehmer arbeiten, überfordern sich. Dabei ist es wichtig, die Betriebsabläufe so zu strukturieren, dass man gesund bleibt. Ich muss außerdem einen Notfallplan haben, der greift, wenn mir etwas passiert.

Wie sieht dieser Notfallplan denn aus?

Ich muss wissen, wie es dann mit meinen Schafen weitergeht. Die Tiere müssen ja weiter versorgt werden. Dieser Notfallplan kann auch einfach eine Liste sein, auf der steht, wann welche Böcke eingesetzt werden, wann die Schafe ablammen, wann welche Flächen beweidet werden und wie die Tiere wann gefüttert werden sollten. Hier kann auch ein kleiner Kalender mit Notizen ausreichen. Das Führen eines solchen Kalenders war früher üblich. Heute kommt das oft zu kurz. Dabei kann man hier wunderbar zurückschauen, was in den letzten Wochen war und was auf einen zukommt, wann man zum Beispiel zuletzt Kraftfutter bestellt hat und wann man es wohl wieder bestellen muss. Ebenso sinnvoll wäre ein Ordner mit Betriebsanleitungen und wichtigen Kontaktadressen von Tierarzt, TBA und Benutzerkennungen für den PC.

Nachwuchs: Wanderschäfer Andreas Smietana bildet derzeit die 27-jährige Lea Wahl als Schäferin aus.

Wie schützen Sie sich vor Unfall- und Gesundheitsgefahren?

Das ergibt sich individuell aus der Gefährdungsbeurteilung. Für mich ist Wetterschutz sehr wichtig. Je nach Witterung trage ich zum Beispiel Hut, Poncho, Regenmantel und auf jeden Fall leichte, wasserabweisende, knöchelhohe Sicherheitsschuhe. Gegen UV-Strahlung trage ich langärmlige Staubhemden und nutze Sonnencreme. Hier frage ich auch nach der Qualität und setze nicht auf Billigprodukte. Bei extremer Hitze im Sommer, wird die Herde zur Mittagszeit in einem Schattenplatz mit Wasser untergebracht. Diese Zeit nutzen wir sodann für eine Mittagspause. Danach wird die Herde bis in die Abendstunden weitergehütet.

Wie halten Sie sich noch gesund?

Gegen FSME bin ich geimpft. Außerdem helfen Abwehrmittel wie Autan gegen Zecken und Insektenstiche. Um mich vor dem Hantavirus zu schützen bekämpfe ich im Stallbereich Schadnager und vermeide den Kontakt mit Staub. Gegebenenfalls trage ich dann eine Maske. Draußen hilft, dass wir die Herde führen, statt sie zu treiben. So laufen wir vor der Herde und nicht im Staub.

Gibt es spezielle Berufskrankheiten? Wie kann man diesen vorbeugen?

Die meisten Tierbereiche sprengen das Stundenpensum unheimlich. Dadurch droht Überlastung. Dann fällt man in ein Loch, in dem man keine Lösungen mehr sucht. Ich nehme mir trotz aller Arbeit regelmäßig Urlaub. Aus diesem Freiraum komme ich dann mit Energie und neuen Ideen zurück. Manche Schäfer haben auch das Problem, dass sie fast rund um die Uhr arbeiten und der Partner, der zum Beispiel eine 35-Stunden-Woche hat, drängt, mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Auch das schafft Druck.

Zum Bild von Schäfer und Herde gehört auch ein Hund. Wie wichtig ist der Hütehund?

Sehr wichtig. Meine Schäferhunde und ich, wir sind ein Team. Jeder hat seinen eigenen, besonderen Charakter und besondere Stärken. Ein älterer Hund hat ganz andere Qualitäten als so ein Jungspund. Mit Hund ist man nie alleine. Schäfer und Hund sind eine wahnsinnig lange Zeit zusammen. Der Hund muss zum Schäfer passen. Er sollte den Schäfer spiegeln. Manche mögen sehr aktive Hunde, andere eher ruhigere. Der Hund muss genauso wetterfest und geeignet für seine Arbeit sein wie der Schäfer.

Worauf legen Sie bei der Wahl eines Hundes wert?

Die meisten meiner Hunde züchte ich selbst. Wichtig ist mir hier, dass die Hunde leicht lernen und gut zu sozialisieren sind. Das ist besonders wichtig, weil ich oft in Naherholungsgebieten unterwegs bin. Außerdem sollen sie ausdauernd und wetterfest sein. Dass wir selbst züchten und die Hunde selbst ausbilden, hat auch für unsere Lehrlinge Vorteile. Denn hier bekommen sie vieles mit, was ihnen im Prüfungsteil Hüten etwas bringt.

Es ist ein seltenes Erlebnis, einem Schäfer oder einer Schäferin mit Herde zu begegnen. Droht der Beruf auszusterben oder ist der Nachwuchs gesichert?

Ich denke, in den nächsten Jahren werden mehr Schäfer aufhören, als nachkommen. Ob der Beruf ausstirbt, das sei dahingestellt. Die Weidetierhaltung ist weltweit eine wichtige Grundlage der Lebensmittelproduktion. Bei uns ist darüber hinaus die Landschaftspflege ein großes Thema. Diese Schäfer haben strenge Regeln einzuhalten und müssen sich in Landschaftsschutzfragen sehr gut auskennen. Truppenübungsplätze werden beweidet, um die Brandgefahr gering zu halten. Ebenso dient die Schafbeweidung dem Erhalt von Kulturlandschaften wie Mager- und Trockenrasen, Streuobstbeständen, Deichen, oder ähnliches.

Ihr Sohn Alexander hat auch den Beruf des Schäfers gelernt. Wie haben Sie die Begeisterung dafür weitergegeben?

Wir spielen als Familie vor, dass unser Beruf viel Spaß macht. Unsere Kinder sind mit der Schäferei aufgewachsen und haben dadurch früh das Für und Wider dieses Berufes kennengelernt. Anscheinend haben wir sie für Tiere begeistern können. Alexander macht gerade seinen Meister als Tierwirt mit dem Schwerpunkt Schafhaltung und ist bei einem Schäfer in der Nähe angestellt.

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