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Mit AUDIO-Statement von Julia Klöckner

Mit Vertrag vertragen

Bundesagrarministerin Julia Klöckner (li.) und Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (Mitte) bei der Tagung der agrarpolitischen Sprecher von CDU und CSU in Sehnde bei Hannover.

Zwischen der Landwirtschaft und ihrem gesellschaftlichen Umfeld sei eine Kluft entstanden, die es zu schließen gilt. Geschafft werden solle das, wenn es nach den agrarpolitischen Sprechern der Fraktionen der CDU und CSU in den Bundesländern geht, durch einen Gesellschaftsvertrag. So wünschten sich weite Teile der Bevölkerung neben einer verlässlichen Versorgung mit hochwertigen und bezahlbaren Nahrungsmitteln vor allem mehr Tierschutz, Biodiversität sowie Klima- und Gewässerschutz, heißt es in der „Hannoverschen Resolution“, die vergangene Woche in Sehnde vorgestellt wurde. Die Landwirte sähen sich dagegen einem hohen wirtschaftlichen Druck ausgesetzt. Zudem fühlten sie sich durch die Fülle politischer Reformvorhaben, die aus den gesellschaftlichen Erwartungen resultierten, überfordert und beklagten einen Mangel an Wertschätzung ihrer Arbeit.

Die Agrarpolitiker der CDU/CSU halten deshalb einen neuen gesellschaftlichen Konsens für notwendig. „Wir brauchen starke Familienbetriebe, die von der Gesellschaft akzeptiert werden“, sagte Bundesagrarministerin Julia Klöckner. Deshalb wollen sich die Agrarier der CDU/CSU dafür einsetzen, dass Leitbilder entwickelt werden, an denen sich die Landwirtschaft und die Agrarpolitik der Zukunft orientieren können.

Zudem fordere man die Bezifferung der Mehrkosten, die aus der Umsetzung gesellschaftlich mehrheitsfähiger Leitbilder resultierten. Die Unionspolitiker wollen sich auch dafür einsetzen, dass Finanzierungs- und Vertragsmodelle entwickelt werden, die landwirtschaftlichen Betrieben die Erbringung von Gemeinwohlleistungen erlaubten und Planungssicherheit böten. Konzepte für eine soziale Flankierung veränderter Produktionsstandards gelte es außerdem zu entwickeln. Man werde sich dafür einsetzen, dass der Rechtsrahmen für die Entwicklung einer gesellschaftlich akzeptierten Landwirtschaft fit gemacht würde und man wolle mit allen gesellschaftlichen Anspruchsgruppen im fortlaufenden Austausch sein.

In zehn Punkten bewerten die Unionsagrarpolitiker die derzeitige Situation und stellen ihre Lösungsansätze vor. So solle es ein neuer Gesellschaftsvertrag den Landwirten ermöglichen, den gesellschaftlichen Erwartungen an die Branche gerecht zu werden und trotzdem wirtschaftlich erfolgreich zu sein.

Landwirtschaft erzeuge nicht nur Nahrungsmittel, sondern erbringe auch Gemeinwohlleistungen – vom Arten-, Natur- und Gewässerschutz über den Tier- und Klimaschutz bis zum Erhalt von Kulturlandschaften. Diese Leistungen sollen so honoriert werden, dass damit ein Einkommen erzielt werden könne. Dadurch werde gleichzeitig die Voraussetzung für eine weiterhin flächendeckende Landwirtschaft in Deutschland geschaffen, sind die Unionspolitiker überzeugt.

Leistungen honorieren

Um die Leitbilder der landwirtschaftlichen Produktion zu entwickeln, könnten Labeling- oder Zertifizierungssysteme hilfreich sein, heißt es in dem Papier. Eine Möglichkeit könne es sein, mehrstufige Kennzeichnungssysteme zu entwickeln, die unterschiedlichen Erwartungen beispielsweise an das Tierwohlniveau der Nutztierhaltung oder die ökologische Nachhaltigkeit des Ackerbaus Rechnung tragen. „Durch die EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands ist das Zeitfenster günstig, hier substanziell voranzukommen, da jede Honorierung über Herkunfts- und Qualitätsnachweise EU-konform umzusetzen ist. Wir dürfen in einem Binnenmarkt niemanden vom Marktzugang ausschließen“, betont Helmut Dammann-Tamke, agrarpolitischer Sprecher der niedersächsischen CDU.

Bezahlt werden sollen die höheren Kosten, die mit der Umsetzung gesellschaftlicher Erwartungen einhergehen, in erster Linie durch höhere Marktpreise, so die Politiker. Soweit dies jedoch nicht gelinge, müssten andere Finanzierungsquellen erschlossen werden. In Betracht kämen Steuereinnahmen, finanzielle Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik oder eine Abgabe, zum Beispiel für höhere Tierwohlstandards, die in Form eines prozentualen oder absoluten Aufschlags auf den Produktpreis beim Kauf erhoben werden solle.

Da die Landwirte Planungssicherheit benötigten, bedürfe es der Entwicklung verlässlicher Vertragsmodelle, die veränderungswilligen Landwirten eine sichere Finanzierung der Mehrkosten der erbrachten Gemeinwohlleistungen garantierten. Damit die Landwirtschaft die Gemeinwohlleistungen überhaupt erbringen könne, sei es zudem erforderlich, dass der Rechtsrahmen (zum Beispiel das Bau- und Immissionsschutzrecht) und gegebenenfalls notwendige Genehmigungsverfahren die notwendigen Veränderungen auch zulassen.

„Unsere Landwirte sollen den Erwartungen gerecht werden und gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich sein können. Ein ganz zentraler Baustein ist für mich deshalb eine Tierwohlabgabe. Die Betriebe brauchen Planungssicherheit und eine klare Ansage, wie ihre Investitionen in den Tierschutz vergütet werden. Das bedeutet aber auch: Eine Strategie wie der Gesellschaftsvertrag hört nicht an den Grenzen eines Bundeslandes auf, wir brauchen eine bundesweite Initiative“, betont Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast.

Neue Markteingagentur

Die Agrarier waren sich auch einig, dass eine fehlende Kommunikation über die moderne Landwirtschaft in den vergangenen Jahren gefehlt hätte. Sie schlagen deshalb die Gründung einer nationalen Marketingagentur vor. „Die Abschaffung der CMA vor etwa zehn Jahren führte zu einer Verschlechterung der Beziehung zwischen Verbrauchern und Landwirten“, erklärte Nordrhein-Westfalens Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser auf Nachfrage der LAND & FORST. „Ich würde mir wünschen, dass wir zur Finanzierung einer nationalen Marketingagentur die Restmittel aus der Abwicklung des Absatzfonds als Grundstock nutzen.“ Dieses Geld aus der Liquidation der Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) wird derzeit von der Landwirtschaftlichen Rentenbank verwaltet.

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