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MIT VIDEOS 

Follower, Fotos und harte Fakten

Emotionen gehören bei Maren Osterbuhr dazu. Sie zeigt gern, dass ihr ihre Tiere am Herzen liegen – so wie Schwein Rosalie, das bei den Followern regelmäßig Herzchen-Kommentare erntet.

Am Anfang hat es Mut gebraucht, das sagen beide: Amos Venema, der als „Amos aus Ostfriesland“ für My KuhTube Videos dreht, und Maren Osterbuhr, die unter dem Namen „Maren.opunkt“ im Sozialen Netzwerk Instagram aktiv ist. Doch Menschen, denen die Landwirtschaft fern ist, ihre Arbeit näherzubringen, ist ihnen wichtig.

Seit gut einem Jahr erzählt Maren Osterbuhr auf Instagram, was sie als Landwirtin bewegt – und betreibt damit quasi Öffentlichkeitsarbeit für ihren Beruf. „Viele haben richtig Lust, hinter die Türen eines landwirtschaftlichen Betriebes zu gucken“, hat die Betriebsleiterin aus Strackholt (Landkreis Aurich) festgestellt. Dass sie mit ihren Tieren auf Tuchfühlung geht, mit Kühen und Schwein Rosalie kuschelt, kommt dabei gut an. „Ich zeige Emotionen; das ist meine Art“, erklärt die 32-Jährige. „Viele Verbraucher glauben, dass wir Landwirte alle riesige Betriebe führen und nur auf Profit aus sind. Ich will zeigen, dass das nicht so ist. Manche Follower schreiben mir dann: ‚Du bist eben anders.‘ Aber das bin ich nicht.“

Zusammen mit ihrem Vater führt Maren Osterbuhr in einer GbR den elterlichen Milchviehhof; sie ist Landwirtin „in 12. oder 13. Generation“. Auf Instagram erklärt sie ihren mehr als 8.000 Followern, was es bedeuten würde, sollten ihre Weiden Naturschutzgebiet werden, was ein Kalb im Verkauf einbringt, wie das mit dem Melken vor sich geht.

„Viele haben keinerlei Berührungspunkte mit der Landwirtschaft. Einmal kam die Frage, welche Hormone die Kühe kriegen, damit sie Milch geben. Dass Kühe die Milch wegen der Kälber bekommen, war nicht bekannt.“ Umso wichtiger ist es ihr, aufzuklären. „Manche Leute denken bei Landwirten sofort an Tierschänder und Umweltverschmutzer, wissen aber nicht, wie viel Arbeit es ist, einen Liter Milch zu produzieren. Mein Berufsstand wird teils extrem in den Dreck gezogen, das erschreckt mich.“

Guter Empfang in Ostfriesland: Mal vom Spaziergang mit dem Hund, mal direkt von der Arbeit postet Maren Osterbuhr die Videos für ihren Instagram-Account.

Bauernhof ohne Filter

Ihr Gegenmittel: Transparenz. Fast täglich postet sie Stories, also kleine Videos. „Das läuft so mit, ich hab das Handy ja immer dabei.“ Zwischendurch beantwortet sie Fragen ihrer Follower – von Fütterung, Medikamenteneinsatz und Düngung bis hin zu der Frage, ob sie einen Freund hat. Hat sie. Er und ihr Vater treten auf ihrem Account jedoch nicht in Erscheinung.

Sie entscheidet, ob sie mit ihren Followern auch unbequeme Ereignisse teilt. „Zum Beispiel, als ein Kalb eingeschläfert werden musste. Das gehört zum Leben auf dem Hof dazu. Tiere werden krank, genau wie Menschen. Ich sehe aber die Gefahr, dass man sich kaum mehr traut, kranke Tiere auf die Weide zu lassen, weil jemand sie filmen und der ‚Soko Tierschutz‘ melden könnte, statt erstmal den Landwirt zu fragen, was da los ist.“

Schnell ein Foto für Instagram schießen. Die Arbeit für das soziale Netzwerk – Fotografieren, Texte schreiben, Videos drehen und Nachrichten beantworten – ist für Maren Osterbuhr Alltag.

Die Macht der Bilder

Maren Osterbuhr hat bisher kaum negative Rückmeldungen erhalten. „Viele Follower schreiben, dass sie sich auf meine Posts freuen.“ Der „Star“ ist ganz klar Rosalie: Das inzwischen etwa anderthalb Jahre alte Schwein ist Osterbuhrs als Ferkel zugelaufen, nachdem es dem Erzeugerbetrieb beim Verladen ausgerissen war. Die Fotos, wie Rosalie im Matsch wühlt und sich offensichtlich sauwohl fühlt, ernten in schöner Regelmäßigkeit jede Menge Herzchen in den Kommentaren. Aber in den Texten zu den idyllischen Bildern denkt die Vegetarierin Maren Osterbuhr über den Strukturwandel in der Landwirtschaft nach und darüber, wie Tierschutzprobleme ins Ausland verlagert werden, wenn kleine Schweinebauern aufhören und es kaum mehr ländliche Schlachthöfe gibt. Damit setzt sie bei ihren Followern Diskussionen in Gang über Zusammenhänge, die vielen so vorher nicht klar waren.

Doch auch für sie selbst sind die Einblicke in die unterschiedlichsten Kuhställe per Instagram spannend. Nicht wenige der Landwirte dort folgen sich gegenseitig, machen so eigene Follower auf Berufskollegen im Netz aufmerksam und kommentieren untereinander die Beiträge und die Erlebnisse etwa bei Kälbergeburten, mit neuen Landmaschinen oder auf dem Acker.

„Wenn wir nicht erzählen, wie es wirklich in der Landwirtschaft zugeht und was etwa der Niedersächsische Weg für uns bedeutet, wer soll es dann machen?“, fragt Amos Venema.

Neues aus dem Kuhstall und seine Gedanken zur Landwirtschaft teilt Amos Venema seit 2013 bei My KuhTube – er hat das Projekt der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsen e.V. damals mit ins Leben gerufen. Jeden Dienstag und Donnerstag veröffentlicht einer von 18 teilnehmenden Milchbauern dabei ein Video von der täglichen Arbeit oder über Themen, die unter den Nägeln brennen.

In einem seiner Kurzfilme geht Venema beispielsweise der Frage nach, was Kühe glücklicher macht: Stall oder Weide. In einem anderen beschäftigt sich der Milchbauer mit der „Macht der Bild-Manipulation“, wenn er nämlich ein Video von Kühen im Stall statt farbig in Schwarz-weiß zeigt und es mit dramatischer Musik unterlegt: Schon wird eine völlig andere Wirkung erzielt.

Der 51-Jährige kommentiert für LAND & FORST und agrarheute sowie für Magazine, Fernseh- und Radiosender, wenn Experten aus der Landwirtschaft gefragt sind. „So verschaffe ich unserem Berufsstand Öffentlichkeit und Gehör. Die Medien suchen sich Themen und Ansprechpartner über das Internet, da läuft alles über die Person und Emotionen“, weiß Venema und räumt ein: „Als Landwirte haben wir diese Art der Selbstdarstellung lange komplett vernachlässigt.“

Dabei sei Öffentlichkeitsarbeit ganz einfach: „Es müssten nur alle, die mit Landwirtschaft zu tun haben, jeden Dienstag und Donnerstag die neuen Videos bei My KuhTube anklicken, dann wären wir ganz oben in den Youtube-Charts und viel sichtbarer. Das kostet nur Disziplin.“ Venema trägt beim Einkaufen ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Milchhof Venema“ und ein Käppi der Molkerei. Gesicht zeigen ist ihm wichtig. „Wenn das mehr Landwirte machen, sind wir nicht mehr die Randgruppe, von der man nur bei Treckerdemos etwas mitbekommt.“ Diese betrachtet er darum auch kritisch: „Es genügt nicht, nur Blech auf die Straße zu bringen. Wir müssen unsere Geschichten erzählen. Ich finde, wir sind noch zu anonym.“

In seinen Videos für My KuhTube nimmt „Amos aus Ostfriesland“ die Zuschauer mit in den Stall, zum Mähen und zu den Kühen auf die Weide – was gerade anliegt.

Sich zu öffnen, macht jedoch auch angreifbar. Teils beleidigende Post und Kommentare zu seinen Artikeln gibt es durchaus, etwa wenn er über Gänsefraß auf seinen Flächen schreibt. Natürlich bekommt das seine Familie mit – Venema ist verheiratet und hat zwei Kinder. Auch seine Eltern helfen noch mit auf dem Hof. „Aber sie alle finden es wichtig, was ich mache“, betont er. „Und wenn Beleidigungen bestimmte Grenzen überschreiten, gehen die Inhalte an meinen Anwalt.“

Keine Probleme hat er, wenn er um Selfies gebeten wird. Manchmal kommen auch Leute auf den Hof, die mal bei „Amos aus Ostfriesland“ gucken wollen. Venema sieht das entspannt: „Alle Aktivitäten im Netz ersetzen nicht das direkte Gespräch von Mensch zu Mensch“, so seine Meinung.

Landwirte aktiv im Internet

  • Maren Osterbuhr (32) hat Agrarwissenschaften in Göttingen studiert. Sie führt mit ihrem Vater einen Milchviehbetrieb mit 250 Rindern in Strackholt (Landkreis Aurich) und zeigt ihren mehr als 8.000 Followern den Alltag auf ihrem Hof im Sozialen Netzwerk Instagram.
  • Amos Venema (51) hat Agrarwissenschaften in Osnabrück studiert. Er führt mit seinem Bruder Jan einen Milchviehbetrieb in Jemgumgeise (Landkreis Leer) mit rund 170 Kühen und Nachzucht. Er kommentiert unter anderem in LAND & FORST und dreht Videos für My KuhTube, die meist mehr als 3.000 Aufrufe erzielen. Sein Video „Die Macht der Bild-Manipulation“ wurde mehr als 30.000 Mal angeklickt.
  • Die Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsen e.V. (LVN) hat das Portal My KuhTube im Jahr 2013 aufgesetzt. Seitdem sind mehr als 600 Filme der 18 Milchbauern gelaufen; mehr als 26 Millionen Klicks wurden erzielt. Auf YouTube folgen My KuhTube aktuell mehr als 58.000 Abonnenten, auf Instagram mehr als 14.000 und auf Facebook mehr als 15.000.

Antje Wilken

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