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DORFLEBEN 

Mit Pflug und Pferd über das Feld

Dieter Kuhlemann (li.) und Konrad Strohschnieder kombinieren historische Arbeitsweise mit neuerer Technik.

Kaszimir und Bolle stehen gelassen da und genießen es von ihren Besitzern gestriegelt zu werden. Schließlich sind sie alte Hasen im Zuggeschäft und wissen genau, dass gleich das Geschirr angelegt wird. Wallach Bolle ist ein Belgisches Kaltblut der Rasse Brabanter und acht Jahre alt. Kaszimir ist eine 9 Jahre alte Alt-Oldenburger Stute. Ihr Besitzer Dieter Kuhlemann erzählt stolz, dass sie aus polnischer Zucht kommt und ihr Stammbaum sich bis ins Jahr 1947 zurückverfolgen lässt.

Dieter und Anita Kuhlemann betreiben in Westoverledingen im Kreis Leer einen Pferdehof. Regelmäßig richten sie Kurse für Arbeits- und Fahrpferde sowie deren Besitzer aus. Dieter Kuhlemann ist lizensierter Ausbilder und Mitglied der Interessengemeinschaft Zugpferde IGZ und leitet auf seinem Hof die seit 2019 angebotenen Kurse. Die Interessengemeinschaft Zugpferde hat für die Ausbildung von Fuhrleuten ein Kursprogramm entwickelt. Auf eine Grundausbildung folgen Kurse für die Fachbereiche Forst, Landwirtschaft und Fahren. Jeder Kurs endet mit einer Prüfung durch zwei Richter.

Heute steht der praktische Teil für das Modul Grünlandbearbeitung an. Sechs Kurs-teilnehmer sind teils mit eigenen Pferden angereist. Konrad Strohschnieder, dem Wallach Bolle gehört, ist einer von ihnen. „Mein Pferd steht hier auf dem Hof in Stallgemeinschaft“, erzählt er. Er kommt aus Papenburg und ist schon erfahren in der Arbeit mit Zugpferden. Denn die Prüfung für das Fahrabzeichen Klasse 5 und für den Kutschenführerschein Klasse B hat er hier schon abgelegt. Seine Familie hat früher ein gewerbliches Unternehmen für Planwagen betrieben. So sitzt jeder Handgriff und das Pferd ist schon angeschirrt.

Annonce in der Zeitung

„Pferde und Besitzer sollen die Arbeit mit Vorderwagen und verschiedenen Geräten für die Heuernte kennenlernen“, erklärt Dieter Kuhlemann. Es gehe dabei auch um Technik und Sicherheit. Beides wird nun mit dem bodenangetriebenem Mähwerk getestet. Das Gerät wurde 2016 in der Schweiz gebaut und ist eine Leihgabe der Interessengemeinschaft Arbeitspferde der Grafschaft Bentheim in der auch Strohschnieder Mitglied ist. „Es gibt so wenige, die mit Zugpferden arbeiten. Da ist jeder auch wieder in einer anderer Gemeinschaft Mitglied“, erklärt er.

Historische Landtechnik: Stolz präsentiert Dieter Kuhlemann auf seinem Hof den alten Gabelwender, der von den Amischen in Nordamerika gebaut wurde.

Und so gehören die Kursteilnehmer wiederum der Gruppe „Buurenpeerd“ an, die sich rund um das Arbeitspferd engagiert. „An jedem Montag ist hier auf dem Hof unser Fahrertreffen mit etwa 20 Leuten“, berichtet Pferdwirt Kuhlemann. Die Liebe zum Arbeitspferd ist eher zufällig entstanden. „Der Pflug des Großvaters stand noch auf der Diele“, erzählt der 65-Jährige. „Ich habe dann ein Springpferd davor gespannt, das im Galopp davonstürmte.“ Der Nachbar hatte alles beobachtet und lachte sich ins Fäustchen. Aber ein Haflinger vermochte die Aufgabe zur Zufriedenheit aller zu meistern. Damit war bei dem gelernten KFZ-Mechaniker die Leidenschaft für die Arbeit mit Zugpferden geweckt. „Dann habe ich einen Text in die Zeitung gesetzt und es haben sich viele Interessierte gemeldet“, erinnert er sich. So war 2012 die Arbeitsgemeinschaft „Buurenpeerd“ geboren.

1992 hatten Dieter und Anita Kuhlemann das frühere landwirtschaftliche Gulfhaus des Großvaters übernommen. Als Nebenerwerbslandwirt baute er darauf eine vom Bundesverband für Pferdesport und Pferdezucht (FN) geprüfte Pferdepension auf. Heute gehören zum Betrieb die FN-geprüfte Pferdehaltung, die FN-geprüfte Fahrschule und die FN-geprüfte Reitschule. Neben Ehefrau Anita sind auch Sohn, Schwiegertochter und Tochter im Pferdebetrieb tätig. Für Teilnehmer von Kursen rund ums Fahrpferd stehen eine Ferienwohnung und zwei Einzelzimmer zur Verfügung, sowie ein Seminarraum für den theoretischen Teil der Kurse. Auch Teilnehmer aus Bayern und Schleswig-Holstein waren schon hier.

Pferde und Besitzer sollen die Arbeit mit Vorderwagen und verschiedenen Geräten für die Heuernte kennenlernen.

Dieter Kuhlemann

Bolle und Kaszimir werden nun vor den Messerbalkenmäher gespannt. Für den Einsatz sind zwei Personen erforderlich. Einer lenkt das Gespann und der andere bedient das Mähwerk. Das hat eine Schnittbreite von 1,90 m bis 2,40 m. Auf dem Trainingsplatz für Gespannfahrer stehen insgesamt sieben Geräte für die Heuernte. Die meisten sind älteren Datums. „Bis 1960 wurden die noch gebaut“, erläutert Kuhlemann. So wie der Heuwender mit Bodenantrieb. Etwas Besonderes ist der Gabelwender aus Nordamerika, mit dem die Amischen gearbeitet haben. Der konnte über eine Kontaktperson in Deutschland erworben werden. Die würden heute noch dort gebaut, heißt es. Aber auch die Männer der Gemeinschaft Arbeitspferde tüfteln gerne mal an einem Gerät herum. So ist ein größerer Arbeitswagen in Eigenbau entstanden. Er wurde aus einem alten Ackerwagen angefertigt und mit einem Motor ausgerüstet, der den Heuwender mit Zapfwelle antreibt.

Fachwissen beibehalten

Nicht nur für das Gerät beginnt gleich der Testlauf, auch die Pferde kennen das Motorengeräusch noch nicht. Solche Experimente sind allerdings auf dem Hof kein Selbstzweck. Dieter Kuhlemann und seine Mitstreiter wollen das Kulturgut der Feldarbeit mit Pferden erhalten und erproben, wie sich diese Kombination heute einsetzen lässt. So können sie sich die Bearbeitung von Naturschutzflächen mit dem Pferdegespann sehr gut vorstellen. Denn immer wieder ist die Rede von der Bodenverdichtung, die es beim Einsatz mit Pferden und den entsprechenden Geräten nicht gibt. Auf einer Naturschutzfläche im Hutewald im Emsland kommen die Buurenpeerd-Pferde schon zum Einsatz. Alle, die sich hier engagieren, haben sich viel Fachwissen angeeignet und eine Menge Erfahrungen gesammelt. „Das soll nicht verloren gehen“, sagt Dieter Kuhlemann. Deshalb sucht er Interessierte aus der jüngeren Generation, die sich gerne bei ihm melden können. Und was wäre die gute alte Zeit auf dem Bauernhof ohne den Snack up Platt? So gehört der hier zur Gemeinschaft wie der Kaffee am Nachmittag.

Nachdem mit einem Einspänner das gemähte Gras in Schwaden gelegt wurde, stehen nun zwei edle Friesen vor dem Arbeitswagen mit dem Motor, der den Kreiselheuer antreibt. Eine Person geht anfangs zur Sicherheit vorher. Ein kurzes Anziehen. „Die Deichsel hängt noch zu tief“, ruft jemand. Aber dann geht es im fleißigen Tempo über das schon angewelkte Gras. Der Motor rattert und wird mit jedem Gasgeben etwas lauter. Die Pferde scheint es nicht zu stören. Sie drehen mit gespitzten Ohren ihre Runden und halten die Spur. „Macht noch schnell ein Video und stellt es ins Internet“, ruft Kuhlemann aus der Ferne. „Ein bisschen Werbung muss sein.“

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