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INTERVIEW mit Landvolkpräsident Albert Schulte to Brinke

Wir haben viel erreicht

Der amtierende Landvolkpräsident, Albert Schulte to Brinke, wird im Dezember sein Amt abgeben.

Herr Präsident, sind Sie schon aufgeregt, wenn Sie an die Wahl denken?

Ich kann mir das im Moment noch gar nicht vorstellen. Es ist noch so viel los, da bleibt einiges für meinen Nachfolger zu tun. Doch wir haben im Landvolk das Glück, zwei sehr gute Kandidaten zur Wahl präsentieren zu können. Das gab es in der Geschichte des Landvolks bisher so nicht, die Spannung war noch nie so groß.

Rückblickend auf Ihre Amtszeit: Was würden Sie als Erfolg sehen?

Das ist ganz klar der Niedersächsische Weg. Ohne die Kompetenz der Mitarbeiter in der Landvolk-Geschäftsstelle in der Warmbüchenstraße in Hannover wäre das nicht machbar gewesen. Die Skepsis war anfangs im Vorstand riesengroß, es gab viel Gegenwind. Gerade die Vertreter der Grünlandregionen meinten, dass ihre Interessen nicht ausreichend berücksichtigt würden. Wir haben einen Riesenschritt gemacht, wir haben mit den politisch Verantwortlichen eine neue Form der Diskussion auf Augenhöhe etabliert. Bei Umweltproblemen, von denen wir besonders betroffen sind, können wir mitreden – statt immer neue Auflagen übergestülpt zu bekommen. Davon war am Ende unser Vorstand überzeugt und votierte einstimmig. Der Niedersächsische Weg dient nun als Blaupause für weitere Themen und kann auch in anderen Bundesländern Vorbild sein.

Was ist nicht so rund gelaufen?

Die Landesdüngeverordnung ist überhaupt nicht zufriedenstellend für uns. Das Verursacherprinzip ist nach unserer Meinung nicht umgesetzt und die Mangelernährung unserer Pflanzen mit der Minus-20 Prozent-Düngung unter dem Bedarf der Pflanzen wird uns auf lange Sicht auf die Füße fallen. Wir brauchen eine Perspektive für Betriebe, die nicht Teil des Problems sind, die ihre Düngung in Ordnung haben. Schon dieses Jahr konnten wir nicht genug Qualitätsbackweizen ernten. Hält die Politik daran fest, wird zukünftig der gesamte Qualitätsweizen importiert werden. Die Mühlen kaufen jetzt schon aus dem Ausland zu.

Welche Probleme stehen aktuell für Bauern und Landvolk an?

Der Schweinepreis macht unseren Schweinehaltern und Ferkelerzeugern große Sorgen. Ich sage ganz deutlich: Da stopfen sich manche auf Kosten der Bauern die Taschen voll. Die Handelsspanne war noch nie so groß wie heute: Der Schweinepreis ist im Keller, die Verbraucherpreise für Waren in den Läden sinken aber nicht. Das kann und wird so nicht weitergehen. Ich höre immer öfter, dass viele Schweinehalter aufhören wollen. Dann gibt es Schweine und Ferkel aus dem Ausland, wo die Tierschutzstandards geringer sind als bei uns. Ist das gewollt? Tierschutz ist wichtig, aber wir brauchen endlich einheitliche Regeln für unseren gemeinsamen Markt. Wir müssen die Ausgestaltungsmöglichkeiten, die die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung noch bietet, nutzen, sonst ist hier wie einst bei den Enten und Hühnern Feierabend! Das Flüssig-Ei für unsere Nudeln und Backwaren kommt schon lange nicht mehr aus Deutschland, genau wie viele der Enten. Das können wir in der Sauenhaltung nicht akzeptieren.

Viele Landwirte haben sich den Bauernprotesten von Land schafft Verbindung (LsV) angeschlossen. Warum?

LsV hat es über das Handy geschafft, in kurzer Zeit viele Landwirte zu mobilisieren. Das Landvolk hat von Anfang an die LsV-Vertreter mit eingebunden und mit ihnen zusammengearbeitet. Viele LsVler sind Mitglied beim Landvolk. Aktuell weiß man nicht, ob LsV Deutschland, das Original oder einzelne Gruppen sprechen.

Wie beschreiben Sie Ihren Führungsstil als Landvolkpräsident ?

Als kollegial, trotz präsidialem System. Das präsidiale System habe ich nie so gelebt. Ich habe keine Probleme mit Leuten zu diskutieren, die andere Meinungen vertreten. Das bewirkt eine gegenseitige Wertschätzung. Auch das Privileg, einen Fahrer gestellt zu bekommen, habe ich anfangs als nicht notwendig empfunden. Doch schnell war klar, dass bei 70.000 Kilometern Strecke im Jahr plus Staus das Auto ein fahrendes Büro ist. Nur so lässt sich diese Arbeit bewältigen – wenn man nicht gerade in einem der vielen Funklöcher steckt!

Und das Verhältnis zum DBV? In Berlin gilt das Landvolk als Enfant terrible, weil es immer den Finger in die Wunde legt…

Der DBV hat sich in der letzten Zeit viel bewegt, da geht einiges auf niedersächsische Aktivitäten zurück. Rukwieds Rede zu seiner Wiederwahl hat das überdeutlich gezeigt. Der DBV hat uns eingeladen, uns einzubringen, und wir Niedersachsen werden das intensiv nutzen.

Wie war die Zeit mit den niedersächsischen Politikern?

Ministerpräsidenten Stephan Weil habe ich als vertrauenswürdigen Gesprächspartner empfunden und sehr konstruktive, gute Gespräche mit ihm geführt. Er hat die landwirtschaftlichen Belange immer ernst genommen. Umweltminister Olaf Lies und ich sind bei den Nitrat-Messstellen bei den Roten Gebieten verschiedener Meinung, er bewies bei den Verhandlungen zum Niedersächsischen Weg sein enormes Verhandlungsgeschick. Auch die Kontakte mit dem Sozialministerium bei der Schlachthofproblematik waren immer konstruktiv. Und zu unserer Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast pflege ich ein freundschaftliches Verhältnis. Sie hat meine Bewunderung. Sie hat viele Themenfelder in ihrem Ressort intensiv beackert – unermüdlich und enorm engagiert.

Welche Themen überlassen Sie Ihrem Nachfolger?

Da gibt es leider genug: Die Düngeverordnung und auch die ,Tierhaltung der Zukunft‘ wird bleiben. Ich hoffe, dass man wie beim Niedersächsischen Weg weiterhin auf Augenhöhe verhandelt. Weiterhin brauchen wir europaweit verbindliche Rahmenbedingungen – gerade in der Klimapolitik, Stichwort CO2-Bepreisung. Deutschland kann nicht immer vorangehen und die anderen Länder machen einfach so weiter, produzieren günstiger und verdrängen so unsere guten, heimischen Lebensmittel. Wir exportieren viele Waren, aber man vergisst die Importe. Die ausgeglichene Bilanz ist entscheidend. Sonst sind wir raus.

Worauf freuen Sie sich am meisten nach Ihrer Amtszeit?

Meine Familie und meine Frau mussten einiges aushalten. Das Amt hat mich fasziniert, gefordert und gefesselt. Doch ich freue mich jetzt darauf, in Ruhe in unserem Betrieb mitzuarbeiten und zum Beispiel unsere Kühe zu melken. Überhaupt hat Melken was Meditatives: Da konnte ich immer in Ruhe über die anstehenden Themen nachdenken. Gemeinsam werden meine Frau und ich, wenn Corona es wieder zulässt, dann ausgiebig Berlin erkunden. In den diversen Besprechungsräumen kenne ich mich aus, aber alles andere Schöne gab es nur via Blick aus dem fahrenden Büro.

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