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Nächster Schritt beim Kupierverzicht

Schweinehalter, die den Schritt zum Kupierverzicht mit einer kleinen Gruppe Ferkel testen wollen, sollten hierbei Würfe möglichst zusammenlassen und Umgruppierungen vermeiden.

Seit dem 1. Juli 2019 müssen Schweinehalter, die selbst kupieren oder kupierte Schweine einstallen, anhand der sogenannten Tierhaltererklärung und den dafür zusätzlich erforderlichen Dokumentationen belegen, dass das Kupieren der Schwänze für ihren Betrieb noch unerlässlich ist. Am 1. Juli 2021 muss nun die dritte Tierhaltererklärung ausgefüllt werden. Neu in diesem Jahr ist, dass Betriebe, bei denen immer wieder Schwanzbeißen auftritt, zusätzlich einen schriftlichen Plan mit weitergehenden Maßnahmen zur Risikominimierung erstellen müssen.

Diese Maßnahmenpläne für die Betriebe sollen bestenfalls zusammen mit einem Berater oder dem betreuenden Tierarzt erstellt werden. Die Maßnahmenpläne stellen den nächsten Schritt im „Nationalen Aktionsplan Kupierverzicht“ dar.

Musterpläne in Arbeit

Nach Information des Niedersächsichen Landwirtschaftsministeriums befassen sich die Bundesländer derzeit gemeinsam mit den Vorgaben für diese Maßnahmenpläne. Es sollen Mindestinhalte festgelegt werden und möglichst bundeseinheitliche „Musterpläne“ entwickelt werden. Auf diese können die Landwirte und die für die Tierschutzüberwachung zuständigen kommunalen Behörden dann zurückgreifen. Voraussichtlich werden die bundeseinheitlichen Maßnahmenpläne im Juni den Landwirten zur Verfügung gestellt werden können. Ggf. wird es ansonsten niedersächsische „Musterpläne“ als Hilfestellung für die Schweinehalter geben.

Die Devise beim Weg zum Kupierverzicht lautet weiterhin: Erfahrungen mit einer kleinen Gruppe an unkupierten Tieren im eigenen Betrieb sammeln. Die betriebsindividuelle Risikoanalyse kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die sechs wichtigsten Einflussbereiche der Schweinehaltung auf Schwanz- und Ohrbeißen zu analysieren und Schwachstellen aufzudecken, sodass diese beseitigt oder zumindest optimiert werden können.

Stressvermeidung

Der große Einfluss des Managements und der Stressvermeidung spielt eine wichtige Rolle auf dem Weg zum intakten Ringelschwanz. Alle Stresssituationen, denen die Tiere ausgesetzt sind, können Schwanzbeißen auslösen. Daher ist es äußerst wichtig, Stressoren zu identifizieren, zu reduzieren und so ein Schwanzbeißgeschehen zu vermeiden.

Schlaff herabhängende Schwänze deuten darauf hin, dass etwas nicht passt. Die Tiere müssen intensiv weiter beobachtet werden.

Dies beginnt bereits im Mutterleib: Stressfreier Umgang, optimale Fütterung sowie artgerechte Haltung der trächtigen Sauen und eine gut vorbereitete Geburt fördern robustere Ferkel. Weiterhin helfen eine komplikationslose Säugephase, das Absetzen möglichst erst nach dem 28. Lebenstag, das Zusammenbleiben der Wurfgeschwister sowie das Vermeiden von Futter- und Wasserstress direkt nach dem Absetzen dabei, Belastungen bei den Ferkeln zu reduzieren. Schwanzbeißen kann so vermieden werden.

Auswahl Kontrollgruppe

Schweinehalter, die den Schritt in den Kupierverzicht mit einer kleinen Gruppe Ferkel wagen wollen, sollten folgende Punkte bei der Auswahl der Gruppe beachten:

  • Keine MMA- oder Jungsauenwürfe für die Kontrollgruppe verwenden, sondern Ferkel, die weder Geburts- noch Säugestress hatten
  • Keine Würfe mit Anzeichen von Schwanzspitzennekrosen verwenden
  • Das Anfüttern schon während der Säugephase und das Bereitstellen von leicht zugänglichen und auffindbaren Wasserquellen minimieren Futter- und Wasserstress nach dem Absetzen
  • Die Würfe möglichst zusammenlassen und Umgruppierungen vermeiden
  • Unterschiedliches Strukturfutter (möglichst als Bodenfütterung) wie Luzerneheu, Heu, Heulage oder Maissilage bietet abwechslungsreiche Beschäftigung, befriedigt das stark ausgeprägte Futtersuchbedürfnis und beugt somit Verhaltensauffälligkeiten und Stress vor.

Eine weitere Möglichkeit, sich dem Kupierverzicht langsam anzunähern ist, die Kupierlänge zu ändern. Tierhalter, die noch Bedenken haben, komplett auf das Kupieren zu verzichten, könnten zunächst einmal versuchen, sich von ihrer momentanen Kupierlänge langsam in kleinen Schritten der Schwanzspitze anzunähern, also immer ein kleines Stück mehr vom Schwanz stehen zu lassen. Gelingt die Haltung dieser „minimal kupierten“ Tiere komplikationslos, ist man dem kompletten Kupierverzicht wieder einen Schritt nähergekommen. Zu beachten: Solche Tiere stellen jedoch keine Kontrollgruppe im Sinne des Aktionsplans dar!

Kupierlänge reduzieren

Eine zentrale Rolle auf dem Weg zum Kupierverzicht spielt das tägliche ausgiebige Beobachten der Tiere. Nur wer das normale Verhalten seiner Tiere gut kennt, kann Abweichungen davon erkennen und sofort Notfallmaßnahmen ergreifen, um ein möglicherweise folgendes Schwanzbeißgeschehen rechtzeitig abzuwenden. Neben der unauffälligen Beobachtung, beispielsweise durch ein Fenster, ist die tägliche manuelle Fütterung von Strukturfutter eine sehr gute Möglichkeit: Tiere, die beim Einwerfen des Futters in die Bucht nicht gleich reagieren und zu wühlen beginnen, sind womöglich krank oder anderweitig gestresst. Die Fütterung von Strukturfutter per Hand bietet also nicht nur eine Beschäftigungsmöglichkeit und eine gesundheitsfördernde Rohfaserquelle, sondern ist auch eine gute Gelegenheit, seine Tiere in Aktion zu beobachten.

Schwanzstellung beachten

Die Stellung des Ringelschwanzes dient als wertvoller Indikator dafür, wie es dem Tier geht. Ein gesundes, nicht gestresstes Schwein hat einen aufgestellten eingeringelten Schwanz, während ein schlaff herabhängender oder gar zwischen die Beine eingeklemmter Schwanz darauf hindeutet, dass etwas nicht passt und es womöglich schon zum Schwanzbeißen gekommen ist. Durch die vielseitigen Ursachen des Schwanzbeißens gibt es leider kein Patentrezept, dieses zu verhindern.

Das Durchführen der Risikoanalyse mit einem Berater oder Tierarzt dient jedoch dazu, betriebsindividuelle Schwachstellen aufzudecken und ist daher auch beim Einstieg in den Kupierverzicht dringend anzuraten. Auch die Durchführung eines externen Klimachecks oder einer Futter- bzw. Wasseranalyse kann dabei helfen, typische Risikofaktoren im eigenen Betrieb zu identifizieren.

Viele Infos zum Ringelschwanz

Auf der Internetseite www.ringelschwanz.info gibt es ausführliche Informationen zu Kupierverzicht und Schwanzbeißen. Zudem gibt es dort Arbeitshilfen zum Download.

Das Nationale Wissennetzwerk veranstaltet auch Seminare zum Thema, aktuell finden sie coronabedingt online statt. Dort referieren Landwirte, Berater und Tierärzte über praktische Erfahrungen sowie Erkenntnisse aus der Wissenschaft. Die Veranstaltungen sind kostenfrei und werden auf der Internetseite angekündigt. Die nächsten geplanten Veranstaltungen sind

Ringelschwanz-Erfahrungen und Erkenntnisse aus Bio- und alternativen Haltungssystemen (18.05./20.05/8.06.2021)

Verhaltensabweichungen und -störungen/-stereotypen als Warnsignale (13.07./15.07.2021)

Fazit

  • Am 1. Juli 2021 müssen Schweinehalter wieder eine Tierhaltererklärung abgeben, wenn sie weiter kupierte Tiere halten.
  • Außerdem ist ein Plan über Maßnahmen zur Risikominimierung zu erstellen und vorzulegen.
  • Schweinehalter sollten sich dem Kupierverzicht nähern, indem sie Erfahrungen mit kleinen unkupierten Schweinegruppen sammeln.
  • Eine andere Möglichkeit ist, immer ein kleines Stück mehr vom Schwanz stehen zu lassen.
  • Alle Stresssituationen für die Tiere können Schwanzbeißen auslösen.
  • Eine zentrale Rolle auf dem Weg zum Kupierverzicht spielt das tägliche ausgiebige Beobachten der Tiere.
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