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Die Spargelernte läuft auf Hochtouren

In Spitzenzeiten arbeiten bis zu 30 Saisonkräfte aus Osteuropa auf den Feldern von Familie Mysegades.

Ganz am östlichen Rand des Landkreises Diepholz, in Riethausen, liegt der Spargelhof von Silvia und Henning Mysegades. Ursprünglich war es ein konventionell geführter Betrieb mit Milchvieh und Schweinemast sowie Getreide- und Kartoffelanbau. Die Landwirtschaft spielt heute noch eine große Rolle, zusammen mit einem Partner werden in einer GbR 240 ha Acker bewirtschaftet.

1981 wurde mit dem Anbau von Spargel auf einer Fläche von 1,2 ha begonnen. Die Kultur war mit viel Handarbeit verbunden, zumal damals auch die entsprechenden Maschinen fehlten. Die Ernte und Verarbeitung des Spargels wurden zunächst mit Hausfrauen aus der Region erledigt.

1992 gab es einen großen Wachstumsschritt, die Anbaufläche stieg auf 11,5 ha und für die Ernte beschäftigten Mysegades erstmals polnische Saisonarbeiter. Damals war die Zahl der Erntehelfer der begrenzender Faktor für eine Ausweitung der Anbaufläche.

Der Hofladen wurde nach und nach erweitert und 1999 wurde erstmalig eine Spargelschälmaschine in Betrieb genommen. Die Anbaufläche wuchs Ende der 90er Jahre auf 13 ha. Der Gemüsebauer baut heute auf 20 ha acht Sorten Spargel an, davon 40 % frühe Sorten.

Der Grünspargel wird oberirdisch gestochen

Auf zwei Hektar Fläche wächst Grünspargel. Der Anbau ist weniger aufwendig als beim Bleichspargel. Es müssen weder Dämme angelegt noch Folien ausgelegt werden. Grünspargel wird nämlich oberirdisch gestochen. Die grüne Verfärbung der Stangen entsteht durch das Chlorophyll, welches durch die Sonneneinstrahlung gebildet wird. Nach einer Wuchshöhe von ca. 20 cm, wird die Stange mit dem Spargelmesser kurz vor der Bodenoberfläche abgeschnitten.

Der Hofladen wurde nach und nach erweitert. Seit 1999 gibt es eine Spargelschälmaschine.

„Die Nachfrage hält sich hier konstant, es gibt drei Sortierungen. Ob in der Suppe, im Salat, im Gratin, solo oder in Olivenöl gebraten, ist Grünspargel nicht nur ein Farbtupfer, sondern auch eine vitaminreiche Abwechslung zum Bleichspargel“, so Silvia Mysegades. Die Spargelsaison ist besonders arbeitsintensiv. Sie beginnt im März mit der Pflege der Junganlagen und der Neuanpflanzung. Alle zehn Jahre werden die Flächen getauscht, jedes Jahr werden 10 % der Anlagen erneuert. Ende März bis Anfang April werden die Ertragsanlagen angepflügt, um Mitte April mit dem Spargelstechen beginnen zu können.

Neuanlagen werden im zweiten Jahr ein bis zwei Wochen beerntet, dann lässt man den Spargel durchwachsen, damit er ein kräftiges Wurzelwerk bilden kann. Der Spargel bringt etwa 10 % vom Ertrag. Im dritten Jahr wird die halbe Saison geerntet, im vierten Jahr die ganze Saison. Dann liegt das Ertragsniveau bei rund 50 dt/ha. Nach fünf bis sechs Jahren ist die Leistungsspitze der Kultur erreicht. Die Erntemenge wird laufend an die Nachfrage angepasst, alte Anlagen können sich dann schon mal vor Spargelsilvester erholen.

Zur Ernteverfrühung und zur Steuerung vom Erntebeginn wird ein Folientunnel eingesetzt. Mit den ersten Sonnenstrahlen entsteht im Tunnel ein Gewächshausklima. So staut sich die Wärme im Erdreich und lässt das Gemüse emporsprießen. „Ohne die Folie würden sich die Köpfe schnell blau oder grün verfärben“, erklärt Henning Mysegades. Dem Geschmack tue das zwar keinen Abbruch, jedoch möchte der Kunde weißen Spargel.

Spargel gibt es in verschiedenen Handelsklassen, die sich auf den Durchmesser der Stangen, die Form und eventuell sichtbaren Spargelrost beziehen. Die drei Handelsklassen sind Extra, I und II. Guten Spargel erkennt man nicht in erster Linie an der Handelsklasse, sondern an der Frische.

Der Spargel kommt in großen Kisten vom Acker auf den Hof. Nach der Vorwäsche erfolgt die Sortierung.

So erkennen die Kunden den frischen Spargel

Frisch gestochener Spargel hat eine feuchte, glatte Schnittstelle. Drückt man den Anschnitt zusammen, sollte etwas Flüssigkeit austreten, die aromatisch riecht. Die Köpfchen der Spargelstangen sollten geschlossen sein. Spargel ist dann besonders frisch, wenn die Stangen sich fest anfühlen, leicht brechen, beim Aneinanderreiben quietschen und man sie mit dem Fingernagel leicht einritzen kann. Spargel bleibt im Gemüsefach des Kühlschranks bis zu drei Tage frisch, wenn man ihn in ein festes Tuch wickelt.

Die Spargelsaison 2021 startete zunächst einmal verhalten. Henning Mysegades hat am 1. April die ersten 300 kg Spargel gestochen. Seitdem war die Ernte mal besser, mal schlechter. „Einmal hat’s viel Ertrag gegeben, da war die Sonne da und hat die Tunnel aufgewärmt. Die andere Woche war’s wieder bitterkalt“, so der Spargelanbauer.

Ohne die Erntetunnel wäre der erste Spargel wesentlich später gestochen worden. Die Kältewellen im Frühjahr haben die diesjährige Ernte gebremst. „Wenn die Sonne fehlt, kann sich die Erde nicht erwärmen. Und ohne Wärme wächst der Spargel nicht. Das langsame Wachstum hat auch Vorteile: Der Spargel kann gleichmäßig wachsen und das wirkt sich positiv auf den Geschmack aus“, so Mysegades.

Dicke Stangen sorgen für gute Qualitäten

Die Qualität ist dieses Jahr gut. Grund dafür ist der Regen, durch den die weißen Stangen dicker geworden sind im Vergleich zu den letzten, sehr trockenen Jahren. Das Wasser hat im Endeffekt die Mengen wieder ausgeglichen. Ein weiterer positiver Effekt vom Wetter: Weil die Menschen weniger grillen, wurde häufiger zu Hause Spargel gekocht. Insofern war die Nachfrage immer rege, obwohl die Gastronomie als Abnehmer lange Zeit fehlte.

Der Spargel kommt in großen Kisten vom Acker auf den Hof und geht dann in die Vorwäsche. Spargel muss sofort nach der Ernte auf 2 °C gekühlt werden. Vorher wird er vollautomatisch sortiert.

Jede einzelne Stange wird den Qualitätsansprüchen entsprechend sortiert. Dick oder dünn, gerade oder krumm, weiß oder violett, fast alles wird erkannt. Das Sortierteam wirft jedoch ein weiteres kritisches Auge auf den Spargel. Silvia Mysegades: „Es gibt 15 Sortierungen, vom Suppenspargel bis zur Jumbo-Ware“.

Weiter geht es durch ein Tauchbecken mit einer Temperatur von 2 °C ins Kühlhaus. In Kisten mit einem Gewicht von 20 kg geht es zu den Märkten. Der Schälautomat schält bis zu 60 Stangen in der Minute. Das Schälteam kontrolliert und verpackt für die Gastronomie und für Verkaufsstände

18 Verkaufsstellen für Spargel in der Region

Silvia und Henning Mysegades bauen rund 20 ha Spargel an.

1983 wurde neben dem Hofverkauf auf den Bremer Wochenmärkten Spargel abgesetzt, dort liegt auch heute noch der Schwerpunkt mit zehn Standorten. Zwei davon dürfen wegen Corona aktuell nicht beschickt werden. Insgesamt gibt es 18 Verkaufsstellen zwischen Emmerthal und Bremerhaven. Die Verkäufer starten morgens um 6 Uhr vom Hof aus. In Bruchhausen-Vilsen gibt es seit einigen Jahren einen kleinen Hofladen in einer begehbaren Holzhütte.

Vor 40 Jahren wurde den Verkäufern der Spargel aus den Händen gerissen, heute ist der Markt gesättigt, teilweise übersättigt. Was sich kaum geändert hat in vier Jahrzehnten: Es wird noch über den Klapptisch verkauft. 80 % vom Umsatz entfallen auf Direktvermarktung, 20 % auf die Gastronomie, wenn Corona diesen Vermarktungsweg nicht beeinflusst. Zwei Wochen vor dem Ende der Spargelsaison am 24. Juni spricht Mysegades von einem „insgesamt etwas niedrigeren Ertrag, aber entsprechend stabilen Preisen“. Rund zehn Euro müssen Kunden derzeit für ein Kilo Spargel bei ihm im Hofladen bezahlen, im Supermarkt sind es schon mal einige Euro weniger. Wer mit Bruch oder verfärbten Köpfen leben kann, kommt günstiger an das edle Gemüse.

Die Gastronomie bekam durch Corona Dämpfer

Vor fünf Jahren hat die Familie den Spargelhof um eine Gastronomie erweitert. Durch Corona gab es voriges Jahr Einbußen. Im April gab es keinen Umsatz und auch im Mai lief es nur verhalten. „Ein Tagesausflug inklusive Drei-Gänge-Menü zählte nicht zu den ersten Freiheiten, die eine Exit-Strategie ermöglichte. Die Gastronomie hatte sich als festes Standbein entwickelt, bekam aber durch Corona einen Dämpfer“, so Silvia Mysegades, die diesen Bereich verantwortet. Dieses Jahr war es durch die Auflagen für die Gastronomie mit Teststrategie und die kühle Witterung schwierig, Gäste ins Hofrestaurant zu locken.

In der Spitzenzeit arbeiten 30 Saisonkräfte auf dem Hof. Mysegades fährt wie alle Berufskollegen die Ernte fast ausschließlich mit Arbeitskräften aus den osteuropäischen Ländern ein. Seine Kerntruppe kommt aus Polen, der Rest aus Rumänien. Viele sind Stammarbeitskräfte, kennen die Abläufe auf dem Hof und sind hochmotiviert. Gearbeitet wird 48 Stunden pro Woche, morgens um 6 Uhr geht es los, gezahlt wird der Mindestlohn von 9.50 €. Die Arbeitskräfte wohnen in einer einfachen Sammelunterkunft auf dem Hof, zweimal wöchentlich gibt es einen Corona-Test.

Das Wirrwarr um die Saisonarbeiter aus Osteuropa hat im vorigen Jahr den hiesigen Landwirten viele schlaflose Nächte bereitet.

Auch Mysegades hatte zunächst Probleme, ausreichend Erntehelfer zu bekommen, weil viele aus dem Ausland nicht einreisen durften: „Das war dieses Jahr entspannter. Allerdings war der Aufwand für die Saisonkräfte durch die Hygienemaßnahmen größer, Kosten, die man nicht weitergeben konnte.“

Künftig frische Eier aus dem Hühnermobil

Und wie sieht es aus mit den Zukunftsplänen des umtriebigen Ehepaares Mysegades aus? 20 ha Anbaufläche und 30 Saisonarbeiter sind gut überschaubar und dabei soll es auch bleiben.

Überlegt wird, die Auslastung des Restaurants mit seinen 80 Plätzen über die reine Spargelzeit hinweg zu verlängern. Dazu sollen weitere attraktive Angebote entwickelt werden. In der Vergangenheit gab es schon Frühstücksbuffet und Grünkohlessen auf Anmeldung. Und Silvia Mysegades denkt auch über die Anschaffung von einem Hühnermobil für 340 Hühner nach: „Die Nachfrage nach Eiern ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen“.

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