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Mähen mit der Sense

Wolfgang Winter bringt seit zehn Jahren Interessierten den Umgang mit der Sense bei.

Meine ersten Erinnerungen an das Mähen mit Sense liegen lange zurück. Ich muss wohl ungefähr fünf Jahre alt gewesen sein, als mein Urgroßvater Willi mit mir im Handwagen sitzend, zur Wiese spazierte, um Grünfutter für seine Karnickel zu holen. An diese Erinnerung anknüpfend und beim Anblick der hohen Gräser, die rings um unser Grundstück sprießen, kam mir das Sensenmähen wieder in den Sinn.

Ich recherchierte und wurde über den Deutschen Sensenverein auf Sensenlehrer Wolfgang Winter aufmerksam und nahm mit ihm Kontakt auf. Es ist 8.30 Uhr an einem Freitagmorgen. Vorhergesagte Temperaturen für diesen Tag – über 30 Grad. Beim Gedanken an eine Wiese mit hohem Gras, den möglichen Zecken, die schon auf mich lauern, ziehe ich mir eine lange Hose und festes Schuhwerk an. Dann mache ich mich auf den Weg nach Fulde, einem Ortsteil von Walsrode, um bei Sensenlehrer Wolfgang Winter einen Einblick in das Mähen mit der Sense zu bekommen und viel über diese alte Technik in Erfahrung zu bringen. Ich bin gespannt, wie ich mich im Umgang mit dieser scharfen Klinge anstellen werde.

Wolfgang Winter erwartet mich auf dem „Trockenübungsplatz“ in seinem Garten. Dort erhalte ich grundlegende Erklärungen zur Beschaffenheit einer Sense. Hiernach weiß ich, dass der Stiel zum Führen der Sense als Sensenbaum bezeichnet und das Sensenblatt mit einem Sensenring befestigt wird. Ich schaue mir das Sensenblatt genauer an und sehe, dass die Unterseite blankpoliert ist. Wolfgang, der mir zwischenzeitlich das „Du“ anbot, erklärt mir, dass die Sense dadurch leichtläufig wird und zeigt mir den Bereich der Schneide, der sich Dengel nennt. Dabei handelt es sich um einen verschwindend geringen Bereich von nur wenigen Millimetern. Ich nehme den Sensenbaum in Empfang, den er passend zu meiner Körpergröße ausgewählt hat. Es folgen die ergonomischen Einstellungen meiner Sense, damit ich später in einer aufrechten, gesundheitsbewussten Mähhaltung loslegen kann und das Sensenblatt beim Mähen nicht im Boden steckenbleibt. Wolfgang stellt das Sensenblatt auf eine Schneidkantenhöhe von sechs Millimetern ein und ermittelt den perfekten Winkel zwischen Sensenbaum und Sensenblatt.

Koordination ist gefragt

Aller Anfang ist schwer: Johanna Ritter „schlägt“ sich zum ersten Mal durchs Gras.

Dann geht es endlich los. Ich bin ein bisschen aufgeregt, schließlich möchte ich meine Sache gut machen. Wolfgangs genauen Instruktionen folgend, stelle ich meine Füße schulterbreit parallel zueinander. Ich fasse den Sensenbaum an den Griffen, wobei meine Daumen obenauf liegen. Meine Arme sind locker am Körper angelehnt und leicht angewinkelt. Ich achte auf meinen festen Stand und darauf, dass ich den Sensenbaum weiterhin nah am Körper halte. Ich beschreibe mit dem Sensenblatt auf dem kurzen Rasen einen Halbkreis.

Dabei versuche ich, das Blatt glatt über den Rasen gleiten zu lassen. Es fühlt sich gut an, sieht aber anfangs nicht besonders gut aus. Doch Übung macht ja bekanntlich den Meister. Ich übe weiter. Gerade als ich meine, ich hätte den Bogen raus, kommen noch die Schritte hinzu. Schließlich möchte ich nicht immer auf der gleichen Stelle mähen. Die Koordination zwischen Sensenführung und Schrittabfolge bringt mich aus dem Takt und ich muss diese Handhabung noch mehrere Meter lang ausprobieren. Dann entscheidet Wolfgang, dass ich die Trockenübungen beenden kann und wir machen uns auf den Weg zur Wiese. Wolfgang mit Sense und Holzrechen, ich mit Sense, Wetzstein in wassergefülltem Kumpf am Hosenbund und Kameratasche.

Weiter auf der Wiese

Glücklicherweise liegt die Wiese im Schatten, denn die Temperaturen steigen stetig weiter an. Wolfgang zeigt mir, wie es aussieht, wenn man alles richtig macht und mäht leichter Hand eine kleine Schneise in das hohe Gras. Dann bin ich an der Reihe. Ein letztes Mal überprüfe ich meine Fußstellung, Armhaltung und den aufrechten Stand und denke an die winzigen Schritte, die ich mich im Takt des Sensenschwungs vorwärtsbewegen soll.

Schon nach dem ersten Sensenhalbkreis merke ich, dass es beim Mähen auch auf eine gewisse Kraft und Konzentration ankommt. Hochkonzentriert mache ich weiter, werde nochmal von Wolfgang korrigiert und dann geht’s voran. Ich mähe und freue mich. Zwischendurch lerne ich, wie ich mit dem Naturwetzstein, die Schneidkante wetze. Dabei ziehe ich den Wetzstein, mit festen Strichen, nach vorne und gleichzeitig nach unten. Ich beginne am Sensenbart und ende an der Spitze. Zuvor muss ich mit einem Grasbüschel erst die Schneide reinigen.

Auf der Dengelbank schärft Wolfgang Winter das Sensenblatt mit einem klopfenden Hammerschlag im Schneidbereich.

Doch das Mähen mit einer Sense ist nicht nur für eine Fläche geeignet. „Man kann auch ganz hervorragend um Hindernisse, wie zum Beispiel Bäume oder Zaunpfähle, herummähen“, erklärt Wolfgang. Gesagt – getan. Ich sense um den in den Boden gesteckten Holzrechen herum und stelle fest, dass es funktioniert.

Mittlerweile liegt unsere Mähwiese in der prallen Sonne, wir schwitzen und viele kleine Julikäfer schwirren um uns herum. Wir treten den Rückweg an, denn ein letzter wichtiger Punkt steht noch auf unserem Plan. Wenn sich das Sensenblatt mit dem Wetzstein nicht mehr schärfen lässt, ist das Dengeln dran. Hierzu nimmt Wolfgang auf der Dengelbank Platz und legt das Sensenblatt auf den in ein Eichenkantholz eingelassenen Dengelamboss.

Mit dem Dengelhammer, dessen Finne abgerundet, gehärtet und poliert ist, schlägt er mit dem klopfenden Hammerschlag. Hierbei liegt das Sensenblatt auf dem höchsten Punkt des Amboss. Gedengelt wird immer im Schneidbereich. Dabei wird der Dengel ausgedünnt, die Struktur des Sensenstahls verändert und damit der Dengel härter, erklärt mein Sensenlehrer. Wolfgangs markanteste Worte: „Um gut mähen zu können und damit die Sense gut läuft, bedarf es eines scharfen Dengels, eines ziehenden Schnittes und der richtigen Mähhöheneinstellung.“

Alles in allem bin ich mit meiner Erstlingsleistung zufrieden. Doch ich wäre nicht ich, wenn mir nicht immer noch einige Fragen auf den Lippen brennen würden. So erfahre ich im Weiteren, dass auch Wolfgangs erster Kontakt zu einer Sense aus Kindheitstagen resultiert und er von seinem Großvater im Sensenmähen angelernt wurde. Über vierzig Jahre war die Pferdehaltung und die Arbeit mit seinem Pferd das Hobby des Diplom Verwaltungswirts und er versorgte es mit dem selbstgemähten Gras. Vor zehn Jahren überlegte er schließlich seine Fertigkeiten noch zu verbessern und absolvierte einen einwöchigen Lehrgang zum Sensenlehrer über den Sensenverein Österreich. Seitdem bietet er die Kurse „Mähen für den Hausgebrauch“, „Dengeln von Sensen“ und auch Einzelschulungen an. Die Kurse finden vor Ort in Walsrode-Fulde sowie einmal jährlich im Kloster Mariensee statt.

Bäuerliches Kulturgut

Der Kreis der an seinen Kursen Interessierten ist vielschichtig und altersübergreifend und besteht aus Gartenbesitzern, Tierliebhabern, Tierbesitzern, Bienenhaltern, Resthofbesitzern oder Teilnehmern, die den Rasenmäher aus Umweltschutzgründen und Nachhaltigkeitsgedanken meiden wollen.

Schlussendlich ist festzuhalten, dass das Mähen mit einer Sense einerseits eine naturverbundene und achtsame Tätigkeit ist, die kräftigt und fit hält. Andererseits dient deren Ausübung der Erhaltung und Pflege dieses alten bäuerlichen Kulturguts.

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