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HAUS & HOF

Mit Rapunzel zur Meisterschaft

Rapunzel, Luisa Pütz und Beifahrerin Selina (re.) bei der Dressurprüfung der Deutschen Jugendmeisterschaften im Fahren.

Rapunzel kann so einiges. Die Zirkuslektionen Kompliment, Knien oder Steigen sind für sie kein Problem. Die Stute der Rasse Schwarzwälder Kaltblut geht aber auch unter dem Sattel und vor dem Planwagen. Ausgebildet wurde sie von ihrer Züchterin und Besitzerin Luisa Pütz, die mit ihrem Pferd auf Turnieren seit Jahren erfolgreich unterwegs ist. In Lähden fanden am letzten Juli-Wochenende die Deutschen Jugendmeisterschaften im Fahren statt. 120 Nachwuchsfahrerinnen und Fahrer kamen dafür extra ins Emsland. Luisa war mit Rapunzel erstmals in der Gruppe der Einspänner dabei. Beide schafften es in der Einzelwertung der Klasse M, die sich aus den Wertnoten für Dressur-, Hindernis und Geländefahren ergibt, auf Platz fünf.

Kaltblüter-Leidenschaft

Luisa ist mit ihrer Stute in Ankum (Landkreis Osnabrück) zu Hause. Zur Familie auf dem Hof gehören noch Mutter Petra und Stiefvater Jens Bosse, Bruder Joris und die Großeltern Maria und Joachim Bosse. Die Leidenschaft für die Schwarzwälder Kaltblüter wird von allen geteilt. So ist Rapunzel auch nicht das einzige Pferd auf dem Hof. Sie teilt sich die Weiden mit drei weiteren Schwarzwälder-Stuten, zwei Stuten der Rasse Sächsisch-Thüringisches Schweres Warmblut sowie einem älteren Warmblutwallach. Die Tierliebe der Familie schließt noch zwei Hunde, Hühner und verwaiste Katzen-Babys, um die sich Petra Bosse kümmert, mit ein.

Schon 1907 war der Hof im Besitz der Familie. Ende der achtziger Jahre habe sein Vater dann Schweine im Nebenerwerb gehalten, berichtet Jens Bosse. Und als diese in den 90ern abgeschafft wurden, kamen die ersten Pferde. „Zusammen mit meinem Vater habe ich dann einen Fahrkurs gemacht“, erinnert er sich. „Mit den Warmblutpferden war das damals nicht so spannend.“ So fiel die Entscheidung für das mittelschwere Kaltblut. Mit dem Gespannfahren bot zunächst Joachim Bosse nebenberuflich Touristen und Ausflugsgruppen Fahrten im Planwagen und in der Kutsche an. Heute können Interessierte noch sein Ankumer Bauernpatent buchen, das sich aus verschiedenen Disziplinen wie Melken und Treckrennen zusammensetzt.

Die Schwarzwälder-Stuten Vreni und Evi wurden 1996 halbjährig von einem Züchter aus dem Schwarzwald geholt. Staatsprämienstute (St.Pr.-Stute) Vreni ist die Stammstute der heutigen Zucht. Sie ist die Mutter der St.Pr.-Stute Rika, die 2009 in Berlin auf der Bundeskaltblutschau den sechsten Platz belegte. Eine Enkelin ist die dreijährige Stute Rowena, die in diesem Jahr auf der Stutenschau in Uelsen Siegerstute wurde und die Staatspämienanwartschaft erhielt. St.Pr.-Stute Romy, ebenfalls von Rika, führt zur Zeit ein Fohlen bei Fuß. Und auch Rapunzel ist eine St.Pr.-Stute. Die vier Schwarzwälder Stuten auf dem Hof sind eingetragen im Stammbuch für Kaltblutpferde in Niedersachsen. Das sei der einzige Zuchtverband für Kaltblutpferde in Deutschland, der ausschließlich Kaltblüter führt, weiß Jens Bosse.

Luisa Pütz und Stute Rapunzel zeigen die Zirkuslektion „Kompliment“.

Alles im Nebenerwerb

Auch wenn die Familie beachtliche Zuchterfolge vorweisen kann, bleibt Jens Bosse bei dem Wort Nebenerwerb. Die Einnahmen aus der Kaltblutzucht seien überschaubar, merkt er schulterzuckend an. Dafür ist die ganze Familie eine Fan-Gemeinde der schönen Kaltblüter mit dem hellen Behang und teilt sich die anfallende Arbeit auf. Jens Bosse, der als Werkleiter in einem Unternehmen arbeitet, sieht sich als „Springer“, der die vier Hektar umfassenden Weideflächen pflegt und dort das Heu für den Jahresbedarf erntet. Petra Bosse kümmert sich um die Pflege der Pferde, die Fütterung und die Reinigung der drei Boxen, die nur zum Abfohlen genutzt werden. Als langjährige Reiterin steigt sie auch selbst noch in den Sattel. Und wenn einmal ein Waisenfohlen den Weg auf den Hof findet, wird es liebevoll umsorgt. Denn Rapunzel hat sich als gute Ammenstute bewährt und gerade das fünfte Waisenfohlen bei Fuß. Besonders engagiert, wenn es um die Kaltblüter auf dem Hof geht, ist seit Jahren aber Tochter Luisa.

Neben züchterischen Ambitionen sind es vor allem die Ausbildung der Pferde unter dem Sattel und als Fahrpferde, sowie der Turniersport im Fahren, dem sie ein Großteil ihrer Freizeit widmet. Die Begeisterung für die Tiere wurde ihr schon in die Wiege gelegt. Auch wenn sich daran nur Mutter Petra erinnern kann: „Wir haben sie schon als Baby über das Pferd gehalten.“ Richtig los ging es dann in der Voltigier-Gruppe und bei den Ponyspielen auf dem eigenen Pony. „Das Ponyreiten hat mich abgehärtet, danach machte das Runterfallen mir nichts mehr aus“, erzählt Luisa lachend. Da zu Hause schon Zugpferde gehalten wurden, lernte sie bald, wie man sie vor den Wagen spannt und lenkt. So entschloss sie sich als 15-Jährige einen Fahrkurs zu absolvieren. „Zu der Zeit bin ich aber lieber noch geritten, weil mir das stumpfe In-den-Wald-fahren keinen Spaß machte“, erinnert sich die 25-Jährige.

Das änderte sich, als sie für den Reit- und Fahrverein Ankum an den Fahrwettbewerben der Klasse E teilnehmen konnte und als Beifahrerin Turniere der Klasse A kennenlernte. „Da habe ich irgendwann gelernt, dass sich das Training auf dem Platz bezahlt macht.“ So folgten 2017 die ersten Starts in der Klasse A mit den eigenen Pferden und Freundin Selina als Beifahrerin. Beide machten zusammen ihr Abi und sind bis heute im Fahrsport als Team im Einsatz. „Der Beifahrer muss im Geländefahren das Gleichgewicht halten“, erklärt Luisa. „Ich habe so viel mit dem Pferd zu tun, dann sagt Selina mir den Weg an.“ Zusammen nehmen sie auch am Training in Steinfeld teil, wo sie schon vom früheren Bundestrainer im Fahrsport, Wolfgang Lohrer, gefördert wurden. „Wir sind schon mit unseren Aufgaben gewachsen“, so die tiermedizinische Fachangestellte.

Meisterschaft in Lähden

2018 legte sie die Prüfung für das zweite Fahrabzeichen ab mit dem Ziel, in der Klasse M starten zu können. Ein Jahr später folgte zunächst die Teilnahme an der Bezirksmeisterschaft in der Klasse A. „2019 wurde ich aber noch nicht in den Kader berufen, weil mir die Platzierung fehlte, um an der Deutschen Jugendmeisterschaft teilnehmen zu können“, sagt Luisa. Im vergangenen Jahr konnten keine Fahrturniere stattfinden. Aber in diesem Jahr klappte es dann. „In Läden ist mein Plan eigentlich aufgegangen und das, was wir so erreichen wollten.“

Es sind aber nicht nur die Erfolge, was die Freundinnen antreibt. „Wir machen auch Camping mit dem Pferd und übernachten dort“, heißt es. „Fahrer sind eine Gemeinschaft, man hilft sich gegenseitig, lernt sich kennen.“ Aber vorher ist viel Einsatz gefragt. Es werden zwei Autos und zwei Anhänger für die Pferde und die Kutschen benötigt sowie Heu, Kraftfutter, ein großes Zelt zum Übernachten, der Kühlschank für das Grillgut und das Frühstück, der Grill und einiges mehr. Damit sei sie einen ganzen Tag lang beschäftigt, so Luisa Pütz.

Teilen sich die Arbeit der Pferdezucht auf: Petra und Jens Bosse, Sohn Joris, Tochter Luisa sowie Großvater Joachim Bosse. (v.l.)

An den Erfolgen der vergangenen Jahre hat Stute Rapunzel einen guten Anteil. Auf 20 Turnieren war sie mit ihrer Besitzerin unterwegs und konnte in Einzelwertnoten auch erste Plätze belegen. Bei den Jugendmeisterschaften hat sie sich als einziges Kaltblut neben den leichteren Rassen gut geschlagen. Jetzt ist sie 14 Jahre alt und soll noch ein Fohlen bekommen. Aber ans Aufhören denkt Luisa nicht, im Gegenteil. Schon jetzt konzentriert sie sich auf die Aufgaben in der Seniorenklasse S, in der sie aufgrund ihres Alters bei den nächsten Deutschen Meisterschaften starten wird. Und sie weiß: „In dieser Klasse ist die Konkurrenz eine andere.“ So stehen auch die Nachwuchspferde für dieses Ziel schon im Stall bereit. Die beiden Stuten der Rasse Thüringisches Schweres Warmblut wird sie zu Fahr-Pferden ausbilden. Die können in der Bewegung mehr punkten. Doch Schwarzwälder Füchse wird es auch in Zukunft wohl noch auf dem Hof geben.

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