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Darauf kommt es bei der Geburtshilfe an

Sind die Füße des Kalbes sichtbar, sollte es nicht mehr länger als zwei Stunden dauern, bis das Kalb geboren wird.

Rund 90 Prozent aller Kälber kommen ohne Hilfe zur Welt. „Doch die durchschnittliche Totgeburtenrate liegt bei acht, für Färsen sogar bei zehn Prozent. Fast jedes Kalb, das nicht „normal“ geboren wird, wird also tot geboren“, erklärte Dr. Carola Fischer-Tenhagen vom Bundesinstitut für Risikobewertung bei einem Onlineseminar des Netzwerks Fokus Tierwohl. Das zeige, wie wichtig es ist, Störungen im Geburtsverlauf zu erkennen und zur richtigen Zeit fachgerechte Geburtshilfe zu leisten. Wie das gelingt, schilderte die Tierärztin im Seminar.

Der Ablauf der Geburt

Um Störungen im Geburtsverlauf zu erkennen, müsse man zunächst den natürlichen Ablauf der Geburt kennen:

  • In der Vorbereitungsphase eutert die Kuh ein bis drei Wochen vor der Kalbung auf und es bildet sich Vaginalschleim. 24 Stunden vor der Geburt kommt es zu hormonellen Veränderungen. Folgen sind unter anderem eine sinkende Körpertemperatur, mehr Schleimabgabe, Verhaltensänderungen (Unruhe), Milcheinschuss und die Beckenbänder fallen ein.
  • In der Eröffnungsphase (ab sechs Stunden vor der Geburt) tritt das Kalb in den Geburtsweg ein. Unmittelbare Geburtsanzeichen treten auf wie leicht blutiger Schleim, dauerhaftes Schwanz abhalten, häufiges Hinlegen und Aufstehen oder auf der Seite liegen und pressen. Ob es ein Problem gibt, ist in dieser Phase von außen noch nicht erkennbar. Dauert sie länger als sechs Stunden, deutet das aber auf Probleme hin.
  • In der Aufweitungsphase (eine bis zwei Stunden vor der Geburt) sind die Füße des Kalbes sichtbar. Die Phase sollte nicht länger als zwei Stunden dauern (Faustregel: zwei Füße = zwei Stunden).

Der Zeitpunkt der Geburtshilfe ist laut Fischer-Tenhagen entscheidend: Findet sie zu früh statt, komme öfter ein mechanischer Geburtshelfer zum Einsatz und Geburtsverletzungen, festliegende Kühe oder Totgeburten würden häufiger auftreten. Kommt die Geburtshilfe zu spät, führe das zu Erschöpfung bei der Kuh und die Gefahr, dass das Kalb erstickt, steigt.

Die richtige Geburtshilfe

Geburtshilfe ist laut Fischer-Tenhagen angebracht, wenn

  • es innerhalb von 30 Minuten bei regelmäßigen Wehen keinen Fortschritt gibt,
  • sich die Farbe des Fruchtwassers verändert (Farbe oder Geruch auffällig),
  • die Fesseln schon länger als zwei Stunden sichtbar sind
  • oder die Vitalität des Kalbes nachlässt.

Die Grundregeln der Geburtshilfe sind laut Fischer-Tenhagen die drei S-Regeln:

  • Sauber: Geburtshelferinnen und -helfer sollten den Arm bis zur Schulter waschen und ärmellose Kleidung sowie Einmalhandschuhe tragen. Die Kuh sollten sie im Genitalbereich so lange waschen, bis der Schaum dabei weiß bleibt. Geburtshilfeinstrumente seien zu reinigen und sauber zu lagern.
  • Schleim: Geburtshilfe erfordert eine ausreichende Menge Gleitgel (rund ein Liter/Geburt).
  • Sanft: Ziehen sollten maximal zwei Männer. Mechanische Geburtshelfer sollten auf maximal 150 kg eingestellt und mit Zeit und Ruhe eingesetzt werden.

Das Kalb untersuchen

Der erste Schritt bei der Geburtshilfe ist die Untersuchung des Kalbes. Zu prüfen sind

  • Lage (Schnauze oder Schwanz fühlbar/ Vorderbein (Klauen- und Handgelenk knicken in die gleiche Richtung) oder Hinterbein (Klauen- und Fußwurzelgelenk knicken in unterschiedliche Richtungen),
  • Stellung (Rücken des Kalbes nach oben oder unten),
  • Haltung der Gliedmaßen
  • und Lebenszeichen. „Solange das Kalb lebt, zuckt es, aber wenn es nicht zuckt, muss es nicht tot sein“, betonte Fischer-Tenhagen. Auch wenn ein Kalb angeschlagen ist, könne das Zucken ausbleiben. In diesem Fall sollte die Geburt aber schnell vorangehen.

Richtig Zughilfe leisten

Zughilfe leisten sollten Geburtshelfer nur, wenn

  • der Rücken des Kalbes zum Rücken der Mutter liegt (obere Stellung),
  • beide Beine getreckt sind
  • und der Kopf mitkommt.

Wenn möglich, sollte man zudem im Liegen ziehen: „Eine Kuh ist nicht dafür gemacht, im Stehen zu gebären. Im Stehen kann sie das Becken nicht weit machen, und es ist ein Drittel mehr Kraft nötig.“ Deshalb rät Fischer-Tenhagen, Kühe im Zweifel mit einem Seil niederzuschnüren.

Um beim Ziehen Kraft zu sparen, empfiehlt die Tierärztin, wechselseitig an den Beinen zu ziehen, da so das Schulterblatt des Kalbes schräggestellt wird und der Schulterumfang sinkt. Ist der Kopf draußen, hätten die Schultern des Kalbes das Becken der Kuh passiert und man könne die Kraft auf beide Beine verteilen. Wenn es nicht vorangeht, könne es helfen, das Kalb zurückzuschieben und die Lage in der Kuh zu korrigieren: „Der Weg zurück ist der Weg nach vorne.“

Tierarzt zu Hilfe holen

Den Tierarzt zur Hilfe holen sollte man laut Fischer-Tenhagen nach zehn bis 15 Minuten Zughilfe in korrekter Kälberposition ohne Fortschritt oder, wenn das Kalb falsch liegt und mehr als eine einfache Haltungskorrektur nötig sei. Tierärzte könnten die Weitung medikamentös unterstützen, die Geburt mit speziellen Instrumenten ermöglichen oder notfalls Kaiserschnitt oder Fetotomie vornehmen.

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