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Emotionen beginnen auf dem Hof

Jeder Landwirt kann dazu beitragen, beim Verbraucher von klein auf den Grundstein für ein positives Bild von der Landwirtschaft zu legen.

Frau Keuffel, es gibt das Sprichwort „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“. Gilt das auch für Landwirte?

Nein! Eigentlich gilt das sogar für niemanden! Wer nichts sagt, wird nicht gehört und hat dementsprechend auch kaum eine Stimme. Unsere Landwirtschaft hat aber so viele spannende interessante Geschichten zu erzählen, die es absolut wert sind, gehört zu werden, also sollten gerade wir Landwirtinnen und Landwirte reden.

In Umfragen schneidet die Landwirtschaft bei Verbrauchern oft gar nicht so schlecht ab. Ein anderes Mal werden Landwirte aber wieder als Umweltsünder und Tierquäler hingestellt - Woran liegt das?

Von gut 80 Millionen Menschen in Deutschland arbeiten heutzutage nicht mal mehr 1 Million in der Landwirtschaft. Zwar werden immer mehr Menschen von nur einem Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche ernährt, worauf wir aus Effizienzperspektive mega stolz sein können, aber die Zahl derer, die das Wissen dazu weitergeben könnten, ist verschwindend gering in der Gesellschaft. Trotzdem führt so ein leichtes Knurren im Magen jeden einzelnen von uns tagtäglich zum Kühlschrank und macht das Thema Essen, Lebensmittel, Landwirtschaft in der Gesellschaft sehr präsent. Ein Großteil setzt sich ganz gezielt damit auseinander. Denn du bist, was du isst, heißt es. Aber nur ein kleiner Teil bezieht dazu Infos von Landwirtinnen und Landwirten direkt. Die Landwirtschaft als übergeordnetes Thema ist dementsprechend sehr anonym und schnell wird auch Systemkritik laut. Das liegt letzten Endes daran, dass unsere „Kunden“, unsere Mitmenschen, keinen persönlichen emotionalen Kontakt zu uns beziehungsweise, keine eigenen Erfahrungen haben. Dazu kommt, dass schlechte Nachrichten sich besser verkaufen und somit die positiven Errungenschaften unserer Branche schnell überschattet werden. Die Menschen sehen und hören demzufolge viel Negatives über die Landwirtschaft, haben aber kaum Möglichkeiten im direkten Gespräch mit einem Praktiker zu sprechen und Zusammenhänge zu verstehen. Hört man im Gespräch mit einem „Verbraucher“ mal genau hin und beantwortet seine Fragen, entsteht ein menschliches Vertrauensverhältnis, was auch gut für das Image der ganzen Branche ist.

Zur Gesprächspartnerin 

Henriette Keuffel
Projektleiterin des AgrarScout-Netzwerks des Forums Moderne Landwirtschaft

Henriette Keuffel

Mahnfeuer und Demos zeigen, dass Landwirte auf sich aufmerksam machen wollen. Aber sind das geeignete Strategien, um mit Verbrauchern ins Gespräch zu kommen?

Aufsehen erregen ist meiner Ansicht nach immer ein guter Gesprächseinstieg und das ist auf jeden Fall gelungen, auch um seit langer Zeit mal wieder ein starkes Wir-Gefühl unter Berufskollegen zu erzeugen. Ich weiß von vielen Berufskollegen, die im Rahmen von Mahnfeuern oder Sternfahrten mit Verbrauchern in Gespräch gekommen sind. Ich weiß aber auch von vielen Verbrauchern, die zwar die Proteste mitbekommen haben, aber nicht verstanden haben, warum die Landwirte demonstrieren. Um die Frage konkret zu beantworten: Demos und Mahnfeuer können super Strategien sein, um mit Leuten ins Gespräch zu kommen. Letzen Endes kommt es einfach auf jeden einzelnen von uns an und „wie“ er mit seinem Gegenüber spricht. Inwiefern die Demos in Bezug auf politische Entscheidungen etwas ändern, steht dann wiederum auf einer ganz anderen Seite.

Schade ist es teils, dass wir, berufsbedingt natürlich, viel im eigenen Fahrwasser fischen, ohne zu sehen, dass es auch andere Branchen gibt, die ebenso wie wir für bessere Konditionen kämpfen und ohne die wir auch ganz schön aufgeschmissen wären.

Wie könnten Landwirte stattdessen vorgehen?

Vielfach wurden wir gelobt, dass wir keinen Müll hinterlassen und ruhig demonstriert haben. Seitens der Bevölkerung gab es viel Verständnis und Daumen hoch für unsere Aktionen. Um der Gesellschaft zu zeigen, dass wir auch Teil der Gesellschaft sind, könnte man einige Aktionen einfach mit anderen Aktionen verbinden. Viele Berufskollegen sind da sehr findig und sind mit Traktoren teils noch an Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern vorbeigefahren, haben Kinderaugen leuchten lassen, mal mit einem Trecker mitzufahren. Leute dann auch auf die Höfe eingeladen, sich selbst ein Bild von unserem Alltag zu machen, wie wir Lebensmittel produzieren. Im wahrsten Sinne geht es ja darum, die Leute mitzunehmen. Wichtig ist nur allemal: Kleine Taten mit großer Wirkung: Tue Gutes – und sprich auch darüber!

Wie sieht gelungene Kommunikation aus?

Eine gute Kommunikation zeichnet sich dadurch aus, dass die Inhalte, die verbreitet werden, für die Zielgruppe, für mein Gegenüber heruntergebrochen und aufbereitet werden. Nicht was wir kommunizieren wollen, ist am wichtigsten, sondern was die Zielgruppe interessiert beziehungsweise versteht! Haben Sie da Nachsicht mit Ihren Mitmenschen. Nicht jeder atmet täglich Stallluft. Landwirtschaft ist so facettenreich, dass wir Landwirte selbst ja nicht mal alles aus allen Themenbereichen unserer Kollegen wissen. So banal wie es klingt, aber die Redakteure der BILD sind da echte Vorreiter: Botschaften kurz und präzise auf die wichtigsten Details herunterzubrechen, sodass nahezu jeder sie versteht. Das ist gelungene Kommunikation. Die Leute wollen gar nicht jedes kleinste Detail von Zellzahlen, Grubberzinken und dergleichen wissen, sondern ganz einfach über gute Milchqualität und stabile Technik informiert werden.

Was kann jeder einzelne Landwirt tun?

An erster Stelle darf jedem von uns hier bewusst sein, dass gute Kommunikation beziehungsweise Öffentlichkeitsarbeit nicht nur Mediensache ist, sondern schon auf meinem Hof anfängt. Also in der Tat kein Hexenwerk ist.

Da bietet es sich an, ganz banal an die Sache ranzugehen und sich und seinen Betrieb selbst erstmal zu reflektieren.

Gibt es Ecken, die mal aufgeräumt werden könnten, wie steht es vielleicht sogar um Arbeitskleidung des Betriebes, die die Mitarbeiter mit Stolz tragen und allein dadurch schon ein positives Bild zeichnen kann. Ein Logo als Aufkleber auf ihren Maschinen, ein Hofschild, und so weiter. Je nach Lage des Betriebes, gibt es in der Nachbarschaft interessierte Anwohner, die Sie durch ein Gespräch oder einen gemeinsamen Gang durch den Stall positiv stimmen können, sodass diese wiederum in Gesprächen mit anderen Positives über Ihren Betrieb berichten können? Öffentlichkeitsarbeit hat auch ganz viel mit Ihnen als Person, als individuellem Betrieb zu tun. Schaffen Sie bei ihren Mitmenschen durch genannte Dinge einen Wiedererkennungswert, so ist dieser stets mit der Landwirtschaft verknüpft. Wenn der Wiedererkennungswert gut ist, ist auch die Erinnerung an die Landwirtschaft positiv. Reine Zahlen, Daten und Fakten punkten da allein meist nicht, sie lassen sich aber gut an emotionale Bilder anknüpfen.


Was raten Praktiker im Umgang mit Verbrauchern?

Tanja und Maren, Landwirtinnen aus Oldenburg und Mitglieder auf der Plattform „MyKuhTube“

„Bei der Kommunikation mit den Verbrauchern ist es wichtig, erstmal zu hören, wo das Gespräch hingeht. Dazu hören wir uns gerne erstmal die Erfahrungen und die Meinungen der jeweiligen Personen an. Daraufhin können wir oft die Vorurteile widerlegen oder über aktuelle Situationen diskutieren.

Je nachdem, wo man denjenigen trifft, ob in der Öffentlichkeit oder im Betrieb, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten ein Gespräch zu führen: In der Öffentlichkeit, wie auf Messen hat man die Möglichkeit, Material wie Bilder vom Betrieb oder Broschüren über die Landwirtschaft zu zeigen. Auf dem Betrieb hingegen kann man die Stallungen betreten und vor Ort darüber sprechen.

Während des Gesprächs ist es wichtig, sachlich zu bleiben und unsere Arbeitsabläufe anschaulich zu erklären. Außerdem ist es wichtig, dem Verbraucher mit Offenheit gegenüber zu treten. Dabei sollte man im Gespräch unbedingt beachten, dass man sich nicht in ein Streitgespräch verwickeln und die Emotionen hochkochen lässt.

Falls man mal auf jemanden trifft, der festgefahrene Meinungen gegenüber der Landwirtschaft hat, kann man das Gespräch von sich aus freundlich beenden. Das ist nicht immer einfach, aber auf jeden Fall sinnvoll. Es ist immer wichtig, das Gespräch mit dem Verbraucher zu suchen.“

Landwirtinnen Maren und Tanja

Willi Kremer-Schillings, Landwirt aus dem Rheinland und bekannt als Agrarblogger „Bauer Willi“

„Gehen Sie davon aus, dass Ihr Gesprächspartner von der Landwirtschaft wenig bis gar nichts weiß. Wenn Sie daher den nachfolgenden Satz von Paul Watzlawik (Anm. d. Red.: österr. Philosoph, Psychotherapeut und Kommunikationswissenschaftler) beherzigen, ist schon viel gewonnen: ´Der Andersdenkende ist kein Idiot. Er hat sich nur eine andere Wirklichkeit konstruiert.`

Das gilt eigentlich für alle Lebenslagen, manchmal sogar in Ehe und Familie.

Lassen Sie daher so oft wie möglich den Gesprächspartner zu Wort kommen. Fragen Sie, um herauszufinden, was er konkret wissen will, wo er Probleme mit unserer Landwirtschaft hat und - das ist ganz wichtig - wie er sich Lösungen vorstellt.

Dann sagt er sowas wie ´Die Tiere sollten alle draußen leben.` Und Sie können sagen: ´Das ist eine Idee, was meinen Sie denn, wie viel Platz ich meinen Schweinen auf der Wiese geben sollte?`

Und wenn Sie persönlich angegriffen werden: Ruhe bewahren und den Angriff in eine Frage ummünzen: ´Sie sind also der Meinung, ich wäre ein Tierquäler (Brunnenvergifter, Umweltsau)? Woran machen Sie das fest?` Jetzt hört der Angreifer, was er selbst gesagt hat und muss auf die Frage antworten. Sie haben dadurch Zeit gewonnen. Seine Antwort können Sie dann wieder in eine Frage umformulieren.“

Willi Kremer-Schillings

Christopher Michel, Mitglied im AgrarScout-Netzwerk des Forums Moderne Landwirtschaft

„Heute ein Landwirt zu sein, ist nicht einfach. Neben den täglichen Herausforderungen, die uns der Betrieb, die Umwelt und die Politik stellen, ist auch die Gesellschaft kritischer mit unserer Arbeit.

Das stellt viele Betriebe vor ganz neue Probleme. Oft ist es nicht mehr so, dass man einfach abwinkt ´Ich habe gerade keine Zeit!´, sondern sich dem stellen muss. Aber wie?

Zuallererst heißt es: Ruhe bewahren. Denn auf einer netten, persönlichen und sachlichen Ebene lässt es sich einfacher kommunizieren. Wer dann auch wirklich zuhört und die Probleme und Ängste des Gegenübers ernstnimmt, der ist einer Lösung schon näher.

Schwierig wird es, wenn man sich für pauschale Äußerungen zur Landwirtschaft persönlich angegriffen fühlt. Die Leute haben aber teilweise noch nie einen Stall von innen gesehen, das muss ich mir in dem Moment bewusst machen. Da muss ich mich manchmal selbst dran erinnern, um nicht pauschal gegenzuhalten, sondern wirklich auf meinen Gesprächspartner und sein Wissen einzugehen.

Zusammenfassend ist ein Grundstein in der Kommunikation Vertrauen, Respekt und Sachlichkeit. Emotionen verleiten uns zu teils unüberlegten Aussagen und sind daher kein guter Ratgeber. Einfach mal nachfragen, anstatt fremde Emotionen auf sich zu projizieren, bietet eine gute Grundlage, um ins Gespräch zu kommen.“

Christopher Michel

Arnd von Hugo, Landwirt aus Groß Munzel, Mitglied in der Initiative „Echt grün – Eure Landwirte“

„Unsere Landwirtschaft steht heute mehr denn je im Fokus der Öffentlichkeit, Menschen blicken sehr interessiert und mitunter skeptisch darauf, wie wir landwirtschaftliche Produkte herstellen.

Um die aktuelle und zukünftige Entwicklung unserer Agrarbranche glaubhaft und klar zu kommunizieren, halte ich den persönlichen Austausch zwischen Landwirten und Verbrauchern vor Ort auf Feldern und in Ställen für unerlässlich.

Dazu gehört auch, kontinuierlich Kommunikationsangebote zu machen und aktiv auch brisante Themen anzusprechen. Man kann mit uns Landwirten über alles reden und auch streiten. Aber wir wissen, dass Konfrontation selten der beste Weg ist. Im Gespräch muss das Ziel immer sein, auf Augenhöhe zu diskutieren, anstatt in einer Rechtfertigungsrolle zu verharren.

Sehr gute Erfahrungen mache ich in persönlichen Gesprächen mit Verbraucherinnen und Verbrauchern, in denen wir viel Verständnis für den anderen aufbringen und auch immer die Positionen und Ideen des Gegenübers respektieren.

Wenn wir unseren Gesprächspartnern gut zuhören, werden auch unsere Argumente gehört. Damit sorgen wir für Verständnis – auch bei Personen, die der Landwirtschaft kritisch gegenüberstehen.“

Arnd von Hugo

DIE WEGWEISER 

Die Landwirtschaft wird sich in den kommenden Jahren verändern. Gesellschaftliche Anforderungen haben sich gewandelt und damit auch die politischen Rahmenbedingungen. Klima- und Naturschutz rücken zusammen mit Tierwohl und Artenschutz in den Fokus. 

LAND & FORST stellte die Frage, wie sich Landwirtinnen und Landwirte darauf einstellen können? Wir unterhielten uns mit Politikern, Unternehmen aus der Branche und Berufskollegen. Ihre Antworten, Ideen und innovativen Ansätze lesen Sie in der LAND & FORST-Serie „Die Wegweiser – Die Zukunft der Landwirtschaft“.

Rückblick

Oktober: Pflanzenbau, Klima und Umwelt

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