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Ein ganz besonderer Werkstoff

Regelmäßig schnitzt Karl-Heinz Brinkmann in seinem Atelier Figuren aus Weißtorf.

Karl-Heinz Brinkmann aus Ramsloh rollt eine Schiebetür zur Seite und führt in sein Atelier. Der Blick fällt direkt auf die Rückwand, an der Werkzeuge aller Art akurat geordnet aufgehängt sind. Mitten im Raum steht der geräumige Werktisch mit angefangenen Arbeitsstücken. Hier entsteht gerade ein Engel aus Torf, dort ein Schaf – und auch eine neue Krippe ist im Entstehen begriffen.

Wie kommt man auf die Idee, ausgerechnet aus Torfsoden Krippenfiguren zu modellieren? „Der Impuls kam von meinem Bruder“, berichtet Karl-Heinz Brinkann und lacht. Der war geschäftsführend in einem im Saterland ansässigen Torfwerk tätig und suchte nach einem originellen Weihnachtspräsent für gute Kunden. In der Region gibt es riesige Moorflächen, und der Weißtorf wird hier seit vielen Jahren abgebaut und weiterverarbeitet.

„Da ich schon viele Jahre künstlerisch tätig war, fragte mein Bruder mich, ob ich mir vorstellen könnte, etwas aus Torfsoden herzustellen, vielleicht Krippenfiguren.“ Rund 2.000 Jahre ist der Weißtorf alt. Er ist also etwa zu der Zeit entstanden, in die von Christen die Geburt Jesu datiert wird. „Das ist doch eine schöne Symbolik“, findet Karl-Heinz Brinkmann.

Erstmal die Klopfprobe

Der Saterländer probierte es aus und stellte fest: „Es ist ein ganz besonderer Werkstoff. Er lässt sich gut bearbeiten und modellieren – und heraus kommt etwas Einmaliges, das es nirgendwo anders gibt.“ Das Projekt konnte also beginnen. Karl-Heinz Brinkmann fertigte zunächst Skizzen an. „Ein bisschen inspiriert war ich durch meine Kindheitserinnerungen an die Krippe in unserer Kirche hier in Ramsloh. Ich musste die Proportionen so wählen, dass die Figuren eine gewisse Stabilität haben. Karl-Heinz Brinkmann nimmt einen Engel in die Hand und zeigt: „Zum Beispiel bei den Engeln muss ich aufpassen, dass die Flügel nicht so leicht abbrechen, und bei den Schafen die Beine. Bei den Königen ist es die Haltung, die Andacht und Ehrfurcht ausstrahlt.“

Das A und O ist, die richtigen Torfstücke auszuwählen. Der Künstler nimmt einen Torfsoden in die Hand und zeigt, worauf er achten muss, damit er beim Schnitzen nicht plötzlich auf eine bröselige Stelle stößt und ein Teil der Figur wegbricht. Mittlerweile hat er viel Erfahrung gesammelt. Er klopft gegen jeden Soden und entscheidet anhand des Klangs. Von zehn Soden kann er etwa ein bis zwei Stücke gebrauchen.

Der heute 67-Jährige tüftelte so lange, bis er eine Lösung dafür hatte, drei Torfsoden fest miteinander zu verbinden, damit genug Fläche für das Krippenmotiv da ist. Dafür glättet er zunächst die Oberflächen und verbindet sie dann fest miteinander. Mit Stecheisen, Beitel, Skalpell und Schleifgerät formt Brinkmann nun die Krippe und die Figuren.

Regelmäßig schnitzt Karl-Heinz Brinkmann in seinem Atelier Figuren aus Weißtorf.

Gesammelte Werke, die bereits auf neue Besitzer warten.

Gelernter Landwirt

Seit seiner Jugend hat sich Karl-Heinz Brinkmann für Malen und Zeichnen interessiert. „Aber mir fehlten die Möglichkeiten, mehr daraus zu machen.“ Er ist auf einem Hof aufgewachsen und hat nach der Schule Landwirtschaft gelernt. „Dann habe ich den elterlichen Betrieb übernommen, früh geheiratet und vier Kinder bekommen. „Es war ja noch Nachkriegszeit, wir hatten viel Arbeit und wenig Geld“, erinnert er sich – da war für künstlerische Tatigkeiten keine Zeit.

Endlich genug Zeit

„Als der Betrieb nicht mehr rentabel war, habe ich ihn aufgegeben.“ Er ging als Diensthundeführer zur Bundeswehr, wo er 34 Jahre blieb. 1985 trat Karl-Heinz Brinkmann dem Kunstkreis Rhauderfehn bei. „Dort konnte ich mich meinen Interessen widmen.“ Seit 2017 ist er im Ruhestand und sagt lächelnd: „Jetzt habe ich die Zeit, um mich der künstlerischen Arbeit zu widmen.“

Nun geht‘s nach nebenan in sein zweites Atelier. Die Arbeiten, die hier zu sehen sind, spiegeln seine künstlerischen Talente wider: Aquarelle, Acrylbilder, Bildhauerarbeiten, Radierungen. Die Technik der Kaltnadel-Radierung habe ich bei Klaus Müller-Bochum gelernt. „Radierungen zu machen, ist eine schöne Kombination aus handwerklicher und künstlerischer Arbeit“, sagt er. „Ich bewundere Müller-Bochums Perfektion bis heute und strebe ihr nach.“

Mit einem elektrischen Schleifkopf formt Karl-Heinz Brinkmann die Flügel des großen Engels.

Nicht nur Weihnachten

Seine Bildhauerarbeiten offenbaren eine gelungene Kombination aus handwerklichem Geschick und künstlerischem Talent. Somit lag die Idee seines Bruders, Krippen zu schnitzen, also nahe. Hier im Atelier hat Karl-Heinz Brinkmann eine komplett mit allen Figuren bestückte Krippe aufgestellt. Er nimmt den Hirten in die Hand: „Der wird mit zwei Schafen zusammen das ganze Jahr über gern gekauft, genau wie die Engel. Als Geschenk oder als Dekoration für das eigene Wohnzimmer“, erzählt er.

Neben der Mitarbeit im Kunstkreis Rhauderfehn arbeitet der Ramsloher als freier Dozent in der Kunstschule Zinnober in Papenburg, wo er auch die Technik der Radierung vermittelt. „Dort schnitze ich auch mit Kindern Figuren aus Weißtorf. Es ist ein gutes Material, um mit Kindern zu arbeiten, sie sehen damit schnelle Erfolge.“

Zu Substrat veredelt

Im Gegensatz zum Schwarztorf ist Weißtorf jüngerer und deutlich schwächer zersetzter Torf der Hochmoore. Mit der allgemeinen Abkühlung des Klimas wurden die Bedingungen für die Zersetzung in den Hochmooren ungünstiger.

Wegen seines geringeren Humifizierungs- bzw. Zersetzungsgrades besitzt der Weißtorf zwar keine weiße, jedoch eine wesentlich hellere Braunfärbung als der Schwarztorf. In früherer Zeit wurde Weißtorf als Tiereinstreu genutzt, weshalb er in manchen Gegenden als Streutorf bekannt ist. Heute ist er als Torfsubstrat veredelt weltweit für den Gartenbau von großer Bedeutung.
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Kleines Biotop

Mittlerweile haben die Kunden des Torfwerks Jahr für Jahr Figuren zu Weihnachten bekommen, sodass alle Krippen komplett sind. „Mein Bruder ist jetzt im Ruhestand, aber die Firma lässt sich weiter von mir beraten.“ So hat er auch dieses Jahr für außergewöhnliche Präsente gesorgt: Die Kunden erhalten ein kleines Moor-Biotop in einem dekorativen Glas für die Fensterbank. „Wenn sie es mit Regenwasser feucht halten, können sie beobachten, wie sich Spagnum (Torfmoos) bildet. Passend dazu gibt es eine Grußkarte mit einem sogenannten „Eco Print“. Bei dieser Technik werden Pflanzen zwischen Papierblätter gelegt, gut verschnürt und in Wasserdampf gelegt. Nach dem Trocknen bleiben dann Originaldrucke der Pflanzen auf dem Papier.

Kölner Krippenweg

Die Besonderheit der Torfkrippen hat sich weit herumgesprochen. So meldeten sich Sammler von überall her, um seine Kreation in ihre Kollektion aufzunehmen. „Auch beim ‚Kölner Krippenweg‘ war meine Krippe bereits vertreten“, berichtet der Ruheständler. Quer durch die Kölner Innenstadt gibt es an rund 120 Stationen internationale Krippenkunst zu entdecken. Am Ende kaufte die Stadt Köln seine Krippe sogar an. Die Torfkrippen sind auch weiterhin gefragt, denn das Material ist außergewöhnlich. So öffnet Karl-Heinz Brinkmann regelmäßig die Rolltür zu seinem Atelier, um dort am großen Werktisch den Weißtorf zu schnitzen.

Südtiroler Bergbauern erfanden geschnitzte Weihnachtskrippen

Vermutlich haben wir das traditionelle Aufbauen von Weihnachtskrippen dem Heiligen Franz von Assisi zu verdanken, der die Weihnachtsgeschichte nachweislich erstmals im Jahr 1223 mit lebenden Personen und Tieren nachstellte.

Als Schauplatz wählte er eine Futterkrippe in einem Wald nahe dem Kloster Greccio in der Provinz Rieti in der Region Latium. Mit der anschaulichen Szenerie wollte er den Gläubigen, die nicht lesen konnten, das Weihnachtsevangelium näherbringen.

Und die vermutlich älteste Krippe der Welt befindet sich in der Sixtinischen Kapelle in Rom, in einem Seitenschiff der Kirche Santa Maria Maggiore: Ein aus dem Jahr 1291 stammender Altar des Bildhauers Arnolfo di Cambio zeigt die Anbetung der Heiligen Drei Könige in Form von beweglichen Alabasterfiguren.

In der Mitte des 16. Jahrhunderts tauchten Weihnachtsdarstellungen zunehmend in vielen katholischen Kirchen in ganz Europa auf. In den nachfolgenden Jahrzehnten war es nicht nur in den großen Kirchen von München und Innsbruck, sondern auch in vielen kleinen Pfarrkirchen und Kapellen üblich, zur Weihnachtszeit eine Krippenszenerie aufzubauen.

Im 17. Jahrhundert begannen die im Südtiroler Grödental ansässigen Bergbauern damit, während der Winterzeit Krippen aus Holz zu schnitzen. Sie fertigten die Heilige Familie und ergänzten ihre Holzfiguren mit unzähligen Holztieren und Krippenställen. Auf diese Weise gelangten die Weihnachtskrippen nach und nach in viele private Haushalte, wo sie bis heute die großen und kleinen Krippensammler erfreuen.

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