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WEGWEISER: ENERGIE

Wege in die Energie-Autonomie

Kronen- und Restholz aus dem eigenen Wald sind in Lucklum die Basis für die Wärmeerzeugung. Zu Hackschnitzeln verarbeitet, werden damit zwei zentrale Heizwerke gespeist. Sie versorgen das Rittergut und weitere 40 Haushalte und Einrichtungen des Dorfes mit Wärme.

Das Dorf Lucklum liegt am Westhang des Höhenzuges Elm im Landkreis Wolfenbüttel und ist umgeben von Feldern und Wiesen. Sein Zentrum bildet das Rittergut Lucklum; die jahrhundertealte Gutsanlage besteht aus einem Gutshaus, einer Kirche sowie mehreren landwirtschaftlichen Gebäuden und Ställen und einem Landschaftspark. Außerdem beherbergen die Gebäude Musik- und Event-Gastronomie, Wohnungen und kleinere Unternehmen.

Das Rittergut befindet sich im Eigentum der Familie des Unternehmers und Jägermeister-Mehrheitsgesellschafters Florian Rehm. Die Güterverwaltung Reinau führt vom Hauptsitz in Lucklum aus mehrere land- und forstwirtschaftliche Betriebe mit einer Fläche von insgesamt rund 4.700 Hektar. Geschäftsführer der Güterverwaltung ist Helmut Gockel.

Geschäftsführer Helmut Gockel (l.) und Mitarbeiter Florian Heuck befinden sich im Herzen der Wärmeerzeugung des Rittergutes, am Holzhackschnitzelheizwerk.

Aus dem eigenen Wald

Mitarbeiter Heiko Hinrichs ist verantwortlich für die Bereiche Forstwirtschaft und Wildbewirtschaftung in Niedersachsen und kümmert sich um die insgesamt 1.000 Hektar Waldbestände in der Südheide, im Landkreis Celle sowie im Elm rund um das Dorf Lucklum. „Besonders wichtig sind der Umbau der Bestände zu strukturreicheren und vor allem klimaresistenten Laub- und Nadelmischwäldern und Neuanpflanzungen“, erklärt er.

Das eigene Waldholz sowie Heckenschnittgut sind die Rohstoffe für die Wärmeversorgung des Betriebes, denn die wird mittels zweier Hackschnitzelheizwerke sichergestellt. Auf Nachhaltigkeit bedacht, werden die Kessel größtenteils mit dem Durchforstungsholz der noch jungen Buchenbestände aus dem Elm beschickt sowie mit weiterem anfallendem Schnittgut, zum Beispiel von Feldrändern.

In Zukunft sollen zusätzlich die Kurzumtriebsplantagen, die im Rahmen eines Agroforstprojekts (s. Kasten) angelegt wurden, als Rohstofflieferanten für die Heizwerke dienen.

35 Hektar Agroforstkulturen

In diesem Frühsommer wurde in Lucklum ein Agroforstprojekt gestartet, das insgesamt auf 35 Hektar Fläche ausgedehnt werden soll. Die ersten fünf Hektar sind bereits bepflanzt, der Rest soll im nächsten Frühjahr folgen.

Ein Projekt in dieser Vielschichtigkeit ist relativ selten. Es sollen nicht nur Baumreihen und Feldfrüchte im Wechsel angelegt werden, sondern diverse Strukturen nach dem Keyline-Prinzip. Dabei gibt es keine klaren Linien, sondern die Bepflanzung wird entlang den Höhenlinien ausgerichtet. Im ersten Teilschritt wurden Pappeln und Obstbäume gepflanzt, wie Walnuss und Esskastanie oder Baumhasel. Insgesamt sollen zukünftig auf der Fläche rund 10.000 Bäume stehen, darunter rund 7.500 Pappeln, 1.700 Sträucher und 150 Nussbäume.

Die Pappeln werden in Form von sogenannten Kurzumtriebsplantagen (KUP) angelegt. Als schnellwachsende Bäume mit hohem Stockausschlagvermögen können sie nach mehrjährigem Wachstum geerntet und zu Hackschnitzeln verarbeitet werden.

VS

Etwa 1.500 Schüttraummeter Hackschnitzel werden pro Saison benötigt – allerdings nicht für das Rittergut allein: Die Anlage versorgt auch einen Teil des Dorfes Lucklum mit Wärme. Über ein Fernwärmenetz sind rund 40 Haushalte sowie öffentliche Einrichtungen wie eine Kindertagesstätte angeschlossen. „Wir haben damals 2018 im Dorf gefragt: Wer möchte Wärme haben?“, erinnert sich Mauritz von Grundherr, Leiter des Biobetriebes der Güterverwaltung bei einer Führung auf dem Gut. „Am Anfang gab es durchaus Vorbehalte, sich in eine Abhängigkeit vom Gut zu begeben. Jetzt steht die Anlage; die Leute können sie sich ansehen, riechen sie auch manchmal, wissen aber auch, dass die Wärmeversorgung regional funktioniert.“

In Lucklum versorgt ein Nahwärmenetz vom Rittergut aus auch einen Teil des Dorfes Lucklum mit Wärmeenergie.

Ein Wärmenetz fürs Dorf

„Die Anlage besteht aus zwei Kesseln mit je 500 Kilowatt Leistung“, erklärt er. Im Sommer, wenn der Bedarf gering ist, könne auch nur ein Kessel laufen. „Isolierte Wassertanks mit 45.000 Liter Fassungsvermögen dient als temporärer Wärmespeicher. Der benötigte Pumpenstrom und der Strom für die Steuerung der Anlage wird mit einer Solarstromanlage auf dem Hallendach erzeugt.“

Als temporäre Wärmespeicher dienen isolierte Wassertanks. Sie fassen insgesamt 45.000 Liter.

Florian Heuck sorgt dafür, dass die Hackschnitzel über die Zuführeinrichtung reibungslos in den Brenner gelangen.

Mit der Hackschnitzelanlage spart das Gut im Jahr etwa das Äquivalent von 200.000 Litern Öl ein. „Unsere Anlage hier auf dem Gut hat einen sehr hohen Wirkungsgrad“, betont von Grundherr. Die Lagerhalle neben der Heizungsanlage wird mehrfach genutzt, im Sommer auch als Getreidelagerplatz. Das Waldholz wird gehäckselt, in der Halle aufgeschüttet und mit einer Belüftungsanlage, die mit eigenem Strom die warme Luft unter dem Dachfirst abzieht, vorgetrocknet. „Das steigert noch einmal den Wirkungsgrad“, so der Betriebsleiter.

Mauritz von Grundherr erläutert, wie das vollautomatische Hackschnitzelheizsystem überwacht und gesteuert werden kann.

Holz, Biogas, Sonne, Wind

Neben dem Holz setzt das Rittergut auf einen Energie-Mix aus Biogas, Photovoltaik und Wind, letzteres über eine Beteiligung an einem Windpark in der Region. „Uns ist wichtig, dass alle betrieblichen Kreisläufe möglichst nachhaltig sind“, betont Geschäftsführer Helmut Gockel. So können beispielsweise eingesetzte Rohstoffe für die im Südkreis von Helmstedt stehende Biogas-Anlage nach dem Prozess als Biodünger verwertet werden. Die entstehende BHKW-Abwärme wird genutzt, um ein Gewächshaus und Schüttgüter wie Kaminholz zu trocknen.

Die Solaranlagen – zukünftig sieben Stück – haben dann eine installierte Leistung von 464 Kilowatt-Peak, ausreichend für 116 Haushalte. Davon befindet sich eine Anlage in Lucklum selbst. Eine weitere ist in Lucklum im Bau; die anderen Anlagen befinden sich auf den Dachflächen des landwirtschaftlichen Betriebs im Kreis Helmstedt.

Mit Hilfe der verschiedenen Komponenten funktioniert die Energieversorgung in Lucklum nicht nur nachhaltig und regional, sondern auch größtenteils unabhängig – ein großer Vorteil in unsicheren Zeiten.

Landwirtschaft der Güterverwaltung Reinau

Lucklum: Zum Rittergut gehören rund 350 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche, die von drei Mitarbeitern bewirtschaftet werden. Seit dem 1. Juli ist der Betrieb auf ökologischen Landbau nach den Naturlandrichtlinien umgestellt.

  • Ackerbau: Angebaut werden Weizen, Silo- und Körnermais, Ackerbohnen, Erbsen, Hafer für die Hühner und Kleegras sowie Raps, Zuckerrübe und Sonnenblume. Langfristig sollen verschiedene nachhaltige Produkte für den regionalen Markt erzeugt werden.
  • Tierhaltung: Der Tierbestand umfasst Zweinutzungshühner, die in Mobilställen gehalten werden, und eine ganzjährig auf der Weide gehaltene Dexter-Mutterkuhherde. Zugefüttert werden Futter und Heu aus dem eigenen Bio-Betrieb. Zudem gehört ein Reitbetrieb mit mehr als 30 Pferden zum Rittergut.

Landkreis Helmstedt: In dem östlichen Landkreis befindet sich ein weiterer Betrieb, ebenfalls betreut von der Güterverwaltung Reinau.

  • Ackerbau und Naturschutz: Dort werden zirka 700 Hektar bewirtschaftet. Seit dem 1. Juli befindet sich auch dieser Betrieb in Umstellung auf ökologischen Landbau. Betriebsleiter Axel Reupke betreut die bislang konventionell bewirtschafteten Anbauflächen, auf denen Zuckerrüben, Mais, Raps, Weizen, Gerste, Dinkel sowie Triticale wachsen. „Mit Heckenanlagen, Blühwiesen an den Feldrändern und anderen Projekten wie etwa der Unterstützung der Salzwiesen in Barnstorf kümmern wir uns schon seit vielen Jahren um größtmögliche Biodiversität“, erläutert er die Naturschutzziele der Betriebsleitung.

VS

Weidegang oder Mobilstall – diese Hühner haben die Wahl.

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