Keine Bauerndemos in Schweden
Frau Nilsson, in Deutschland demonstrieren die Landwirte seit Monaten für mehr Akzeptanz. Aus Schweden hört man nichts dergleichen. Haben Ihre Bauern einen besseren Stand beim Verbraucher?
Ich glaube, bei uns ist die Situation anders. Generell haben Landwirte in Schweden einen hohen Status, sowohl in der Bevölkerung als auch in der Politik. Und daran arbeiten wir auch weiter. Wir haben eine nationale Strategie für die Entwicklung des ländlichen Raumes, mit der wir die regionale Produktion, deren Verarbeitung und den Export stärken.
Wie wirkt sich das auf den Verbraucher aus?
Beispielsweise gab es eine Debatte um den Fleischverzehr. Die Schweden essen inzwischen etwas weniger Fleisch. Der Pro-Kopf-Verbrauch ist nach jahrelangem Anstieg seit 2016 um rund fünf Prozent gesunken. Gleichzeitig ist der Anteil von Fleisch aus schwedischer Produktion am Gesamtverbrauch gewachsen – bei Rind um drei und bei Schwein um 2,5 Prozent.
Obwohl schwedisches Fleisch teurer ist als importiertes?
Natürlich gibt es auch in Schweden einen Unterschied zwischen haben wollen und bereit sein, zu bezahlen. Aber ich glaube, dass diese Schere etwas kleiner ist als in Deutschland. Der Anteil an ihrem Einkommen, den Menschen im Laufe der Geschichte für Lebensmittel gezahlt haben, ist in den vergangenen hundert Jahren enorm gesunken. Dieser Trend kehrt sich in Schweden gerade um. 12,6 Prozent ihres Einkommens investieren die Schweden heute in ihre Ernährung. 2001 waren es 12,1 Prozent.
Was glauben Sie, woher diese Zahlungsbereitschaft kommt?
Hier hat vor allem Information eine große Rolle gespielt. Wenn wir heimische Produkte kaufen, bekommen wir gute Qualität – hohes Tierwohl, wenig Anibiotika und so weiter. Das musste natürlich kommuniziert werden. Für den Kunden müssen schwedische Produkte leicht erkennbar sein. Die Branche hat – unabhängig von der Politik – ein Gütesiegel entwickelt. „Från Sverige“ („Aus Schweden“) heißt es.
Deutsche Landwirte fordern ein ähnliches Siegel. Politiker sagen, da sei die EU vor.
Wir halten uns natürlich genauso streng wie Deutschland an EU-Vorschriften. Das heißt, kein ausländischer Anbieter darf benachteiligt oder ausgegrenzt werden. Was wir zur Verfügung stellen, ist eine Verbraucherinformation. Es gibt sogar Bestrebungen, diese Kennzeichnung auf die Gastronomie zu erweitern.
Auch schwedische Bauern stöhnen unter Auflagen, die vor allem in der Tierhaltung an der Welt spitze liegen. Gibt es da keine Gegenwehr?
Generell möchten natürlich alle so wenig wie möglich an Regeln und Auflagen gebunden sein. Das gilt nicht nur für die Landwirte. Aber bei uns spielt der erzielte Mehrwert eine erhebliche Rolle. Die Landwirte bekommen ihre hohe Qualität ja auch gut bezahlt. Trotzdem kommt es natürlich immer darauf an, wen Sie fragen. Wir sind gerade beim Tierwohl in vielerlei Hinsicht Vorreiter. Wir haben Vorgaben eingeführt, die wahrscheinlich auch auf EU-Ebene in den nächsten Jahren Standard werden. Dann sind unsere Landwirte im Vorteil, weil sie den Umstellungsprozess schon hinter sich haben. Wir können inzwischen bereits schauen, wie wir Regeln und administrative Aufgaben vereinfachen. Und wir können anderen Ländern mit unseren Erfahrungen weiterhelfen. Auch, was die Kommunikation mit dem Verbraucher angeht.
Zur Person
Jennie Nilsson gehört der Sozialdemokratischen Partei an. Als Ministerin in der rot-grünen Minderheitsregierung unter Premierminister Stefan Löfven liegt ihr Verantwortungsbereich in der Landwirtschaft und der Entwicklung des ländlichen Raumes.
Landwirtschaft in Schweden
Zehn Prozent der schwedischen Staatsfl äche werden landwirtschaftlich genutzt, mehr als die Hälfte der Einnahmen erzielen die Landwirte dabei aus der Tierhaltung, vor allem durch die Milchproduktion. Von gut 62.000 Betrieben in Schweden halten rund 34.000 Vieh. Der Bestand umfasste 2018 rund 1,4 Mio. Schweine, davon 130.000 Sauen und 1,4 Mio. Rinder, davon 319.000 Milchkühe.
Lantbruksregistre/red
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