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130 Jahre Verein Hirschmann

Der Hannoversche Schweißhund

Gegründet wurde der Verein Hirschmann am 17. Juni 1894 in Erfurt von gleichgesinnten Schweißhundführern und adeligen Grundbesitzern, um Leistungsstandard, Zucht und Führung des Hannoverschen Schweißhundes auf rechtliche Füße und damit sicher zu stellen. Schatzmeister Gunter Voss hat sich mit uns zum Jubiläum über die Leistungsmerkmale und Charaktereigenschaften dieser sehr besonderen Jagdhelfer unterhalten.

NJ: Wie viel von dem einstigen Gründungsgedanken gilt noch heute?

Gunter Voss: 100 %. Wir unterscheiden uns sowohl, was die Hunde selbst als auch die Abführungsmethoden betrifft, von anderen Vereinen. Wir züchten im Prinzip niemals auf Vorrat, sondern nur dann, wenn jemand einen Hund braucht. Bei uns fallen zum Teil nur 35 Hunde im Jahr und die werden auch nur in Führerhände abgegeben, von denen man ausgehen kann, dass der Hund entsprechend zum Einsatz kommt.

Schatzmeister Gunter Voss vom Verein Hirschmann hat uns mit seinem HS-Rüden „Unus“ im Verlag in Hannover besucht.

NJ: Was ist der Sinn, der hinter so einer geringen Wurfzahl steht?

Gunter Voss: Diese Hunde brauchen eine gewisse Anzahl von Nachsuchen, um den Leistungsstandard zu erreichen und zu halten. Je nachdem, wie viel Hochwild in den Regionen verfügbar ist – gerade das Schwarzwild unterliegt starken Schwankungen – ist auch der Bedarf an Schweißhunden vorgegeben. Es ist klar, wenn zehn Hunde auf einer Fläche sind, wo nur drei Arbeiten anfallen, dass das für jeden zu wenig ist. Wir wollen mit der Wurfzahl nach Bedarf sicherstellen, dass jeder Hund auch wirklich genug Arbeit hat und der Leistungsstandard so erhalten bleibt.

NJ: Wie sieht es bei einer so geringen Zuchtdecke mit Inzucht aus?

Gunter Voss: Durch unsere vorausschauende Zuchtpolitik haben wir schon seit Jahrzehnten einen vergleichsweise niedrigen Inzuchtkoeffizienten. Wir haben zwar eine schmale Zuchtbasis, aber unser Inzuchtkoeffizient liegt besser als bei vielen Modehundrassen. In einem aktuellen Projekt lassen wir Blutproben von unseren Hunden ziehen und versuchen so, entsprechend genetische Marker für die Zukunft zu haben. Außerdem können durch die Ahnentafeln die Verwandtschaftsverhältnisse der Zuchttiere festgestellt werden.

NJ: Welche Gefahr geht von Schwarzzuchten aus?

Gunter Voss: Eine immense. Im Prinzip ist bei jeder Hunderasse die Reinzucht durch den stammbuchführenden Zuchtverein die einzige Gewähr, dass wir gesunde und leistungsfähige Hunde produzieren. Der große Unterschied zu den Schwarzzuchten ist, dass unsere Züchter keine finanziellen Interessen verfolgen, sondern auf Qualität und Leistung züchten.

„3222 Unus Osterwald I“, dunkelhirschrot gestromt, schwerer Schlag, 43 kg, 56 cm Stockmaß, steht im achten Behang.

NJ: Was zeichnet den Hannoverschen Schweißhund (HS) aus?

Gunter Voss: Die Hannoverschen Schweißhunde wurden seit Jahrhunderten nur für das Bestätigen von Hochwild und die Arbeit nach dem Schuss gezüchtet. Heute kennen die Hannoverschen Schweißhunde nur noch die Schweißarbeit.

NJ: Also Nase, Wille und Ausdauer?

Gunter Voss: Nase und Ausdauerwille hat natürlich jeder guter Jagdhund. Die Spurarbeit von einem gut eingearbeiteten Vorstehhund ist genauso anzuerkennen. Erwähnenswert ist aber die außerordentliche Konzentrationsfähigkeit auf diese eine Ansatzfährte, die in den Anlagen unserer Hunde liegt. HS haben eine äußere und innere Ruhe, die sie von anderen Hunden unterscheidet. Sie sind nicht hektisch. Sie sind in der Lage, in dem Moment, wo es drauf ankommt, sich völlig auf diese eine Fährte zu versenken und alles andere auszublenden. Ein guter Schweißhund ist zum Großteil auch ein Autist.

Wieder vereint: Das Band zwischen Hund und Führer ist bei den „Hirschmännern“ ein ganz besonderes.

NJ: Wie würden Sie den HS charakterlich beschreiben?

Gunter Voss: Als freundlichen, in sich ruhenden Hund. Der HS ist sehr gutmütig und wesensfest, und hat eine außerordentlich hohe Reizschwelle. Er neigt nicht zum unkontrollierten Schnappen, eignet sich also auch als Familienhund, ist aber sehr fest im Charakter und auch sehr eigenwillig.

NJ: Was ist das Besondere an der Abführung der HS?

Gunter Voss: Wir arbeiten unsere Hunde auf der kalten Gesundfährte ein. Dabei gehen wir auch zunehmend dazu über, Kunstfährten mit dem Fährtenschuh zu legen, aber nach wie vor legen wir Wert auf die Ausbildung unserer Hunde auf einer kalten, beobachteten, gesunden Fährte eines Stückes Hochwild.

NJ: Warum ist das Arbeiten einer gesunden Fährte so wichtig?

Gunter Voss: Der Gedanke dahinter ist, dass dieser Hund in der Lage ist, sich auf eine spezielle Ansatzfährte so zu konzentrieren, dass er sie bis zum Schluss hält. Und das eben auch, wenn das Stück im Rudel gestanden hat oder wenn z. B. Verleitfährten darüber gehen. Wenn der Hund die gesunde Fährte konzentriert und willig arbeitet, dann ist die Krankfährte kein Problem.

» Ein guter Schweißhund ist zum Großteil auch ein Autist. «

NJ: Was sind die Kriterien, um im Verein Hirschmann Mitglied zu werden?

Gunter Voss: Jeder Jäger kann Mitglied im Verein Hirschmann werden. Wir haben das sogenannte Bürgenprinzip, das heißt, der Aspirant oder die Aspirantin braucht zwei Fürsprecher. Wenn keine ausschließenden Gründe, wie z. B. Tierschutzvergehen o. Ä., vorliegen, dann wird die Person entsprechend der Zusprache der Bürgen im Verein aufgenommen.

NJ: Ist die Tendenz steigend?

Gunter Voss: Jein. Wir haben in den vergangenen Jahren gesehen, dass Schweißhundführung Mode wird. Je geringer die Niederwildstrecken bzw. die Treibjagden sind, desto mehr suchen sich die Jäger ein neues Betätigungsfeld im Bereich Nachsuche auf Hochwild. Momentan hat der Verein Hirschmann etwa 1.050 Mitglieder.Wir wachsen nicht exponentiell, aber 30 bis 40 neue Mitglieder kommen jedes Jahr hinzu.Nachwuchsprobleme haben wir in dem Sinne nicht, aber wir sind immer auf der Suche nach talentierten Jägern, die zu uns passen. Unser Aufnahmeverfahren hat nichts mit Elitärsein zu tun, sondern findet statt, weil viele Leute ein falsches Bild von der Nachsuche haben. Tatsächlich ist ein Hundeführer vom Verein Hirschmann das ganze Jahr über 24 Stunden im Einsatz. Je nachdem, wie viel Schwarzwild es gibt. Gerade mit der Wildschadensverhütung im Sommer reden wir dann auch wirklich über Timecatcher. Nachsuchen passieren nicht nur am Wochenende, sondern werden auch unter der Woche frühmorgens oder spätabends verursacht.

NJ: Ist es richtig, dass ein HS keine Nachsuchen auf das Rehwild arbeitet?

Gunter Voss: Das ist mittlerweile falsch. Früher wurde ungern auf Rehwild gesucht, da die alten Schweißhundführer tunlichst darauf bedacht waren, dass ihr Hund von sich aus kein Stück selber anfasst, um sich nicht selbst zu gefährden. Das heißt, von dem Hund wurde erwartet den Hirsch oder die Sau zu stellen, aber um Gottes Willen nicht zu versuchen, sie zu fassen, um nicht geforkelt oder geschlagen zu werden. Doch Rehwild ist meist nur dann zu bekommen, wenn der Hund es tatsächlich niederzieht, denn es stellt sich fast nie, es sei denn, es ist schwerkrank. Das heißt, die Hunde wurden durch Rehwildnachsuchen praktisch dazu erzogen, zuzufassen, um das Stück zu bekommen. Das war dann bei wehrhafterem Wild wie Sau oder Rothirsch lebensgefährlich.

NJ: Und heutzutage ist das nicht mehr so?

Gunter Voss: Heutzutage kenne ich keinen Führer, der sagt, dass er kein Stück Rehwild nachsucht. Es geht immer, egal welche Wildart, um den Tierschutzgedanken.

Ein traditionell aufgedockter Schweißriemen aus Leder. Heute wird auch immer öfter ein Brustgeschirr verwendet.

NJ: Wie haben sich dahingehend die Ansprüche an den HS geändert?

Gunter Voss: Ja, da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Wir achten bei der Zucht schon darauf, Hunde zu haben, die fassen, das ist so. Wir wollen aber in der Praxis keine Hunde haben, die überscharf sind und sich dadurch selbst gefährden. Das zu trennen ist schwierig. Ein Hund, der einmal die Erkenntnis gewonnen hat, dass er das Stück bekommt, wenn er es fasst, egal wie schwer die Sau ist, der ist ein hervorragender Schweißhund, mit dem kriegt man so gut wie jedes Stück. Doch er hat nur eine begrenzte Lebenserwartung. Andererseits braucht man bei bestimmten Verwundungen so einen Hund, weil auch ein Frischling sein Leben bis zum Letzten verteidigt und flüchtet, solange er kann. Dann muss ein Hund manchmal auch einfach zufassen.

NJ: Was ist das Besondere am HS?

Gunter Voss: Man kann sie nicht so dressieren wie andere Rassen. Sie müssen komplett selbstständig arbeiten. Wenn ein HS geschnallt wird, dann muss er das Stück bis zum bitteren Ende verfolgen, egal was passiert. Und darauf muss man achten; diesen Fährtenwillen nie zu brechen. Wenn ein HS falsch behandelt oder gebrochen wird bei einer zu harten Ausbildung, dann arbeitet er nicht mehr. Wenn er sich ungerecht behandelt fühlt, dann sagt er irgendwann: „Nee, mit dir gehe ich nicht mehr los.“

NJ: Ersetzt die Drohne den Schweißhund?

Gunter Voss: Nein, kann sie nicht. Eine Drohne muss vom Drohnenführer gelenkt werden und spätestens nach 50 Metern stellt sich die Frage: links, rechts, geradeaus? Dann sind womöglich noch andere Stücke im Raps, die auch Wärme produzieren. Für kurze Nachsuchen, vielleicht abends im hohen Gras oder so, mag die Drohne funktionieren. Eine ernsthafte Nachsuche wird man mit ihr nie machen können.

NJ: Wie stehen sie zu dem Thema Nachsuche in Wolfsgebieten?

Gunter Voss: Ich denke, dass das eine sehr individuelle Einstellungssache ist. Ich selbst habe überhaupt kein Problem damit, in Wolfsgebieten mit meinen Hunden zu arbeiten. Das mache ich auch regelmäßig in der Heide. Meine Hunde zeigen mir an, wenn andere Hunde oder auch der Wolf schon zugegen waren.

NJ: Wie das?

Gunter Voss: Sie urinieren, sprich markieren die Fährte des anderen Hundes oder die Wolfsspur. In all den Jahren, die ich im Wolfsgebiet Nachsuchen mache, habe ich persönlich noch kein Aug-in-Aug-Erlebnis mit einem Wolf auf dem Stück gehabt. An frischer Losung, Haaren oder Sonstigem sehen wir aber öfter, dass sie kurz vorher geflüchtet sind. Nun ist es auch so, dass wir bei den meisten Nachsuchen auch relativ schnell am Stück sind und ich gehe davon aus, dass die Wölfe genau wissen, dass sie, wenn ein Mensch mit zwei Hunden kommt, besser die Flucht ergreifen. Für mich ist das Thema Nachsuche in Wolfsgebieten vollkommen unproblematisch.

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