Logo Niedersächsischer Jäger digitalmagazin

Artikel wird geladen

Die 90er-Jahre

Schützenhilfe für die Ostjäger

Der Fall der Mauer am 9. November 1989 war ein Ereignis, das auch Auswirkungen auf die Jagd und auf den Deutschen Jagdschutzverband (heute Deutscher Jagdverband, DJV) und seine Landesjagdverbände hatte. Denn es war klar, dass sich nach der Öffnung der Grenze die Jäger in der ehemaligen DDR in Landesjagdverbänden neu formieren würden. Der Deutsche Jagdschutzverband beschloss, dass die Landesjagdverbände Patenschaften für die Landesjagdverbände in den neuen Bundesländern übernehmen sollten. Die LJN wurde Pate für den in Gründung befindlichen LJV Sachsen-Anhalt. Nach dem Mauerfall versuchten die grenznahen Jäger sofort, Kontakte mit ihren benachbarten Jägern aufzunehmen.

Zumindest das Brauchtum ähnelte sich in Ost und West sehr.

Jagd verbindet, auch über Grenzen hinweg

Noch über 100.000 Rebhühner zählen Niedersachsens Jäger bei einer Zählung in den 1990er-Jahren

Dies führte dazu, dass bei den Seminaren für Vorsitzende und Kreisjägermeister 1990, angeschoben durch den KJM der Stadt Braunschweig Otto Brandes, die beiden Sachbearbeiter des Rates des Bezirks Magdeburg, Rainer Scheffel und Fritz Brink, nach Springe kamen. Hier wurden die ersten Gespräche für die Gründung eines Landesjagdverbandes Sachsen-Anhalt geführt. Rainer Scheffel als Chef der Jagdbehörde wünschte, dass LJN-Präsident Anton Koehler, Wildmeister Erhard Brütt und Geschäftsführer Dirk Schulte-Frohlinde nach Magdeburg zu einem ersten Kennenlernen kommen sollten.

Ein Jagdleiter weist in der Nähe von Colditz in Sachsen Jäger ein – Das Reviersystem war für die DDR-Jäger eine große Umstellung.

Am 7. März 1990 war es dann soweit. Zwei Gruppen von Jägern, eine aus Magdeburg, eine aus Halle, die sich bis zu diesem Tag so gut wie nicht kannten, sollten eine Initiativgruppe von Jägern bilden, um eine Interessenvertretung der Jäger im neuen Bundesland Sachsen-Anhalt zu gründen. Und dann ging die Tür zum Versammlungsraum auf und drei von Rainer Scheffel eingeladene Unbekannte von der Landesjägerschaft Niedersachsen betraten den Raum. Nach leichten Protesten einiger Anwesenden konnte Rainer Scheffel erklären, warum die von ihm eingeladenen Gäste an dem Treffen teilnahmen. Die Spannung löste sich nach recht kurzer Zeit, insbesondere weil LJN-Präsident Anton Koehler durch seine lockere, sympathische Art auf Leute zuzugehen, das Vertrauen von allen gewann. Er erläuterte die Strukturen und Satzung der LJN. Schnell war man sich in der Gruppe einig, eine Klausurtagung anzusetzen, um dort dann die Strukturen und die Satzung des neu zu gründenden Landesjagdverbandes auszuarbeiten. Das geschah am 21. und 22. März 1990 im Arbeiterwohnheim des Forstbetriebes Wernigerode in Drei Annen Hohne.

Die Arbeitsgruppe „Jagdgesetz“ traf sich in Teutschenthal.

Wie soll das Landesjagdgesetz aussehen?

Der Erweiterte Vorstand des LJV Sachsen-Anhalt traf sich im Jagdschloss Springe mit Vertretern der LJN und des DJV.

Knapp einen Monat später am 28. April 1990 war es dann soweit. Der LJV Sachsen-Anhalt wurde in Dessau gegründet. Einstimmig wurde das neue LJV-Präsidium unter der Leitung von Präsident Dr. Siegfried Mehlitz gewählt. Zu Ehren und zum Dank für die Unterstützung in der Gründungsphase wurde für die anwesenden Niedersachsen das Niedersachsenlied von den Jagdhornbläsern auf ihren Ventilhörnern intoniert. Nach der Wende wurden besonders von den benachbarten Jägern gegenseitig die Trophäenschauen in den Landkreisen besucht. Es wurden sogar gemeinsame Bewertungstermine vereinbart, wo Experten aus Ost und West gleichberechtigt die Trophäen beurteilten.

Agrarminister Karl-Heinz Funke (rechts) beendet in den 1990er-Jahren die Staatsjagden im Forstamt Saupark, die als Ministerjagden fortgeführt wurden.

Nach der Gründung des LJV Sachsen-Anhalt standen auf der bewegten politischen Bühne der neuen Bundesländer die Schaffung von Gesetzen auf der Agenda. Natürlich erhob der neu gegründete LJV Sachsen-Anhalt den Anspruch, bei der Schaffung des Landesjagdgesetzes gehört zu werden. Was lag da näher, als sich mit den Niedersachsen zusammenzusetzen, um seine Vorstellung zu Papier zu bringen. Die erste gemeinsame Beratung fand wieder in Drei Annen Hohne statt. Auf dieser ersten Sitzung Anfang Juni 1990 wurden alle jagdrechtlichen Probleme besprochen. Ein weiteres Treffen des Arbeitskreises, wo es in die Details des Gesetzes ging, fand im Juli 1990 in Teutschenthal statt. In der Schlussphase der Beratungen wurde Dr. Dietrich Meyer-Ravenstein, ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet des Jagdrechts, hinzugezogen, der den Jägern gute Tipps mit auf den Weg geben konnte. Am 23. Juli 1991 erließ der Sachsen-Anhaltinische Landtag das Landesjagdgesetz, in dem sich die Jäger des Landes in vielen Passagen wiederfanden.

JN-Präsident Anton Koehler (r.) gratuliert dem ersten Präsidenten des LJV Sachsen-Anhalt Dr. Siegfried Mehlitz zu seiner Wahl.

Damit die neu gegründeten Kreisjägerschaften mit dem Bundesjagdgesetz vertraut wurden, lud das LJN-Präsidium den erweiterten Vorstand des LJV Sachsen-Anhalt mit allen Vorsitzenden nach Springe in den Jägerlehrhof ein, um dort auch mit den Vertretern des DJV das Bundesjagdgesetz und das Waffenrecht zu besprechen. Dort referierte unter anderem DJV-Vizepräsident RA Karl-Heinz Lehmann über das BjagdG und das Reviersystem, LJN-Justitiar RA Klaus-Günther Mehring über Jagdgenossenschaften und Jagdverpachtung, Wildmeister Erhard Brütt erläuterte Wild- und Jagdschadensersatz. Zu erwähnen ist noch, dass das DJV-Präsidium am 12. Dezember 1990 den LJV Sachsen-Anhalt ohne Gegenstimme in den DJV aufnahm.

Die Wende als Lehre für die Zukunft

Rolf Berge (l.) und Rainer Scheffel 1990 auf dem Seminar für Vorsitzende in Springe.

Erwähnt werden muss auch ein denkwürdiges Ereignis am 7. Mai 1990. Am ehemaligen Todesstreifen der DDR griff der damalige Parlamentarische Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, Dr. Wolfgang von Geldern, zum Spaten und pflanzte am Lindenberg im Duderstädter Wald die letzten von ca. 8.000 Bäumen und Sträuchern. Diese Aktion fand im Rahmen der bundesweiten Pflanzaktion des DJV, für die der Bundeslandwirtschaftsminister Ignaz Kiechle die Schirmherrschaft übernommen hatte, statt. Natürlich waren die Spitzen der LJV Niedersachsen, Präsident Anton Koehler, und Thüringen, Dr. Franz Nentwich, vor Ort, um die Aktion zu unterstützen. Aber auch die Jäger aus Worbis/Thüringen und Duderstadt nahmen den Spaten in die Hand, um die Pflanzaktion zu einem guten Ende zu bringen. So wurde aus dem Todesstreifen ein Lebensstreifen. Die Zusammenarbeit der Landesjagdverbände aus neuen und alten Bundesländern entwickelte sich immer weiter. Heute, nach gut 35 Jahren der Öffnung der Grenze zwischen Ost und West und den schwierigen Anfangsjahren, in denen der Aufbau der neuen Landesjagdverbände stattfand, sind die Probleme der damaligen Zeit in Vergessenheit geraten. Die Zeit der Wende sollte uns immer vor Augen führen, dass die Jäger aus Ost und West zusammengehören, denn es eint sie die Liebe zur Jagd und zur Natur.

Jäger aus Ost und West machten durch ihre Pflanzaktion aus dem ehemaligen Todesstreifen einen Lebensstreifen.

Kurz und Knapp

Das passierte noch in den 1990er-Jahren

  • Prof. Dr. R. Hardloch vom Institut für tierärztliche Nahrungsmittelkunde der Justus-Liebig-Universität Gießen stellt fest, dass der derzeitige Wissensstand über die Bleibelastung von Wild zu keinerlei Besorgnis bezüglich einer möglichen Gesundheitsgefährdung des Verbrauchers durch Verzehr von Pb-haltigem Wildbret Anlass gibt.
  • Bezüglich der Jagdhundeausbildung stellt das Justizministerium fest: Das Töten von Enten im Rahmen von Hundeprüfungen geschieht „nicht ohne vernünftigen Grund“, vielmehr ist eine Prüfung von Hunden, die als Jagdhunde eingesetzt werden sollen, als „vernünftiger Grund“ zu werten, denn diese Prüfungen dienen der Heranbildung von Jagdhunden, die aus Tierschutzgründen bei der Jagdausübung gesetzlich vorgeschrieben sind.
  • Eine Zählung der Rebhühner durch die Jäger und Naturschützer in Niedersachsen ergibt einen Besatz von über 100.000 Rebhühnern.
  • Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke gibt bekannt, dass es im Forstamt Saupark keine Staatsjagden der bisherigen Art mehr geben wird. Gesellschaftsjagden sollen jedoch weiterhin durchgeführt werden.
  • Am 4. Mai 1990 wird die Satzung der LJN geändert, wodurch u. a. die Jägerschaften eine eigene Satzung erhalten. Die Landesobleute gehören zum erweiterten Vorstand der LJN.
Digitale Ausgabe Niedersächsischer Jäger

Holen Sie sich noch mehr wertvolle Fachinfos.
Lesen Sie weiter in der digitalen Niedersächsischer Jäger !

 Immer und überall dabei
 Schon vor der Printausgabe verfügbar
 Komfortable Suchfunktion
 auf bis zu 3 mobilen Endgeräten gleichzeitig
 Persönliche Merkliste
 Teilen-Funktion