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Case IH AFS Harvest Command im Test

Drescher schlägt Fahrer – teilweise

Case IH bietet eine breite Palette unterschiedlicher Schneidwerke an.

In Österreich hat sich in den letzten Jahren seit 2020 eine schlagkräftige Allianz gebildet, die alles, was „digital“ und „Landwirtschaft“betrifft, erforscht und testet. Und das mit einer Praxisbezogenheit, von denen sich viele Test-Institutionen eine Scheibe abschneiden könnten! Die landwirtschaftlichen Lehr- und Forschungsanstalten, alle Landwirtschaftskammern, das Bundeslandwirtschaftsministerium und weitere agrarische Institutionen schlossen sich dafür zur „Innovation Farm“ zusammen.

Nun nahmen sich die österreichischen Forscher dem Automatisierungssystem der Mähdrescher von Case IH an, dem Harvest Command. Es ist für den Einzelrotor-Drescher Axial Flow 250 verfügbar.

Ersetzt den Fahrer noch nicht ganz

Das Ergebnis der Forscher vorweg: So komplex die Abläufe im Hintergrund erscheinen, so einfach und intuitiv ist die Bedienung während des Druschs. Die Aktivierung der Automatik läuft rasch und einfach ab.

Vollständig ersetzt das Elektro-Hirn das den Fahrer aber noch nicht. Es braucht Feedback vom Mensch. Schlägt beispielsweise die Bruchkornanzeige stark aus, die Ware im Korntank ist aber in Ordnung, kalibriert mit einem Klick auf „Mehr ist erlaubt“ die Sensorik. Dies erleichtert das Fahren enorm, da auf Wechselwirkungen durch Änderungen bei einem Druschparameter das System selbstständig reagieren kann.

So sind die Sensoren am Axial Flow 250 verteilt.

Geht es aber um Spezialfälle oder um die Grundeinstellung für eine Kultur, so ist viel Erfahrung nötig, um die Regelbereiche, in denen das System arbeiten darf, richtig vorzudefinieren.

Mehr Speed, mehr Durchsatz

Durch aktiviertes AFS Harvest Command und aktivierter Fahrgeschwindigkeitsregelung konnte die Fahrgeschwindigkeit und damit die theoretische Korn-Durchsatzleistung gesteigert werden. Mit 26 % ist die höchste Leistungssteigerung erwartungsgemäß beim Fahrmodus „Maximaler Durchsatz“ (MD) zu verzeichnen. Auch die beiden anderen Fahrstrategien „Kornqualität“ (KQ) und „Performance“ (Perf) konnten die Fahrgeschwindigkeit gegenüber der Nullvariante um 9 % bzw. 14 % steigern.

Vier Strategien bietet das Terminal im Axial Flow dem Fahrer an.

Bruchkorn: Rotortechnik belegt ihren Vorteil

AFS Harvest Command soll verhindern, dass mehr Durchsatz die Arbeitsqualität verschlechtert. Die Österreicher untersuchten daher bei jedem Fahrmodus den Bruchkornanteil, die Nicht-Korn-Bestandteile im Korntank (Besatz) und die Verluste. Dazu nahmen sie bei jedem Fahrmodus vier Proben zu je 1.000 g direkt im Korntank. Bei weiteren 100g Probenmaterial selektierten und verwogen sie per Hand die Bruchkornteile und gequetschte Körner. Mit einem Ergebnis von unter 0,5 % Bruchkornanteil bei allen Varianten zeigt sich der grundsätzliche Vorteil der Rotortechnik. Von den Automatisierungsvarianten hat „Kornqualität“ das Ziel besonders schonend zu dreschen. Das bestätigt der Bruchkornanteil von 0,22 %.

Bei allen Werten ist anzumerken, dass nur ein Teil des Bruchkorns im Korntank landet. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass bis zu 50 % des Bruchkorns über die Reinigung ausscheiden. Ein aktuelles Ergebnis aus 2021 zeigt, dass zwischen 3 und 17 % des Bruchkorns gar nicht erst in den Korntank gelangen.

So lief der Versuch

Innovation Farm

Auf den Feldern der österreichischen Forscher trat die Elektronik auch gegen einen Case-IH-Vorführfahrer an.

An der Innovation Farm wurden die Fahrstrategien „maximaler Durchsatz“, „Performance“ und „Kornqualität“ mit einer Variante verglichen, wo sowohl die Mähdreschereinstellung als auch die Fahrgeschwindigkeit von einem erfahrenen Testfahrer von Case IH gewählt wurden.

Logo der Innovation Farm Österreich

Das aktivierte Lenksystem mit RTK Genauigkeit stand bei allen Varianten als Hilfsmittel zur Verfügung. Verglichen und bewertet wurden Durchsatzleistung, Nicht-Korn-Bestandteile (Besatz) im Korntank, Bruchkornanteil und Kornverluste. Parameter wie Kornertrag, Strohertrag, Pressdichte, Pickup-Verluste und Wasserhaltevermögen des Strohs sowie die Maschinendaten wurden erhoben, um die vorherrschenden Bedingungen zu beschreiben. Als Versuchsfläche stand ein 11 ha großer Schlag mit Winterweizen zur Verfügung. Der durchwegs homogene Bestand mit einem durchschnittlichen Ertrag von 6900 kg/ha wurde in mehrere Zonen aufgeteilt. Dabei wurden die Auswertungen von Satellitenbildern berücksichtigt, die in diesem Bereich eine sehr homogene Ertragsstruktur gezeigt haben. Während des Dreschens konnte diese Homogenität auch bestätigt werden.

Ebenso berücksichtigt wurden Fahrgassen, Schneidwerksbreite, Überlappung und Lager. Das Vorgewende und ein etwas hügeliger Bereich wurden ausgenommen und dienten als „Lernzone“ nach dem jeweiligen Wechsel der untersuchten Strategie. So bekam die Maschine ausreichend Zeit, den neuen Fahrmodus zu optimieren und Verschleppungen zwischen den Varianten wurden verhindert. Die Proben zu jeder Versuchsvariante wurden immer knapp vor dem Ende der Teilfläche gezogen.

Arbeitstier: Mit Harvest Command hält man den Rotordrescher Axial Flow ganztägig im Grenzbereich.

„Performance“-Modus schont das Korn

Etwas überraschend schafft bei den Automatisierungsvarianten „Performance“ mit 1,2 % den niedrigsten Anteil an Nicht-Korn-Bestandteilen (Besatz) im Korntank. Eigentlich hatten die Forscher das bei „Kornqualität“ erwartet. Hier sind im ausgesiebten Material auch ab und zu nicht entspelzte Körner zu finden. Weniger überraschend ist, dass die Reinigungsleistung beim „maximalem Durchsatz“ etwas schlechter wird.

Keine signifikanten Unterschiede zwischen den einzelnen Fahrmodi zeigen sich bei den Verlusten durch die Reinigung. Mit einer Auffangschale maß die Innovation Farm das Absolutgewicht der Körner direkt hinter dem Mähdrescher und ermittelte einen Verlust von etwa 1,5 %. Tendenziell geringere Verluste zeigten sich bei „Kornqualität“, obwohl der Modus „Performance“ die Verluste minimieren sollte.

Stroh: Schüttler machen es besser

In Sachen Strohqualität bestätigen sich die Eindrücke und Erfahrungsberichte von Praktikern. Bei gleicher Einstellung der Presse nimmt die Pressdichte gegenüber von Schüttlermaschinen gedroschenem Stroh etwas zu. Es kommt jedoch bei sehr bröckeligem Stroh zu höheren Verlusten an der Pickup.

Dem kann man natürlich mit entsprechenden Maschineneinstellungen beim Pressen entgegenwirken oder schon beim Dreschen vorbeugen. Hier bleibt die Verantwortung beim Fahrer.

Diese Strategien bietet Harvest Command

Die Optionen am Terminal

Je nach Anforderung vom Fahrer bietet das System vier Einstellmöglichkeiten. Jede passt zu bestimmen Einsatzszenarien.

Bei kritischen Wetterlagen: Maximaler Durchsatz

Das Automatisierungssystem und die Einzugsmengenregelung sorgen für größtmöglichen Durchsatz bei einem akzeptablen Verlustniveau. Die Geschwindigkeit wird bis zur vorgegebenen Motorauslastung oder der maximal möglichen Geschwindigkeit geregelt. Bei den Maschineneinstellungen haben akzeptable Verluste die erste Priorität und die Qualität des Ernteguts die zweite. Diese Strategie ist die beste Wahl bei kritischen Wetterlagen oder für maximale Produktivität.

Bei teurem Erntegut: Performance

Diese Option hält Verluste möglichst gering. Basierend auf Rotor- und Siebverlusten und einer vorgegebenen Motorauslastung wird die Maschine so eingestellt, dass zuerst ein minimales Verlustniveau und als zweite Priorität eine bestmögliche Bunkerware erreicht wird. „Performance“ wird von Anwendern sehr häufig genutzt, vor allem in Kulturen mit kleinen, leichten, oder teuren Saaten, bei denen Verluste erhebliche finanzielle Schäden nach sich ziehen.

Bei extrem feuchten Körnern oder Saatgut: Kornqualität

Dieser Modus arbeitet genau umgekehrt. Die Geschwindigkeit wird so geregelt und die Einstellungen so angepasst, dass Bruchkorn und Nicht-Korn-Bestandteile im Korntank möglichst vermieden werden. Die Minimierung von Verlusten hat in diesem Fall zweite Priorität. Optimal ist dieser Modus für die Produktion von Saatgut oder bei extrem feuchten oder trockenen Körnern und bei teuren Kulturen.

Für stabile Auslastung: Konstanter Durchsatz

Ziel in diesem Modus ist ein gleichbleibender Gutfluss bei gleichzeitig geringen Verlusten. Die Fahrgeschwindigkeit wird so variiert, dass ein vordefinierter Durchsatz aufrechterhalten wird. Erste Priorität haben geringe Verluste, zweite Priorität die Qualität der Ware im Korntank. Ein konstanter Gutfluss führt zu einer gleichbleibenden und stabilen Auslastung während des Erntevorgangs.

Einstellung auf einen Klick: Am Touch-Monitor des Mähdreschers kann die Auswahl der jeweiligen Druschstrategie erfolgen.

Kalibriert ständig nach

Vor dem Start müssen Fruchtart, eine der vier Strategien und die maximale Fahrgeschwindigkeit eingegeben werden. Zusätzliche Informationen wie die Druscheigenschaft und mit welchen Einstellungen die Automatisierung starten soll, helfen optimale Ergebnisse rascher zu erzielen.

Detektiert die Kornkamera während des Dreschens beispielsweise Bruchkorn im Korntank, wird die Druschintensität automatisch schrittweise reduziert. Ist das gewünschte Ergebnis erreicht, werden auch alle anderen Parameter überwacht und optimiert. Sind alle Qualitätsparameter im gewünschten Bereich, wird die Fahrgeschwindigkeit erhöht. Der Fahrer kann mit einem Klick am Terminal die Sensoren auch selbst kalibrieren. Falls das System auf die aktuell geforderten Ansprüche zu sensibel reagiert oder die Anforderungen nicht erfüllt werden, kann die Sensibilität angepasst werden. Sind die Erntebedingungen sehr speziell, können erfahrene Bediener auch den Bereich adaptieren, in dem sich die Automatisierung bewegen kann. So kann beispielsweise die Rotorgeschwindigkeit, die Sieböffnung oder die Gebläsedrehzahl nach oben und unten begrenzt werden.

Rechnet sich bereits im ersten Jahr!

Bei der sehr gut ausgestatteten Testmaschine beträgt der Nettolistenpreis ca. 625.000 €. Der Grundpreis liegt bei etwa 485.000 €, weitere 75.000 € sind für das 9,15 m Vario-Schneidwerk und den Transportwagen zu kalkulieren.

Etwa 5 % vom Listenpreis unserer Testmaschine machen die Smart-Farming Lösungen aus: Automatisiertes Lenken, die Fahrgeschwindigkeitsregelung und die automatische Einstellung von Druschwerk und Reinigung. Für die Übermittlung von Telemetriedaten fallen keine Kosten an. Sie können mit dem Portal kostenlos genutzt werden. Unter das Segment Sonstiges fallen Ausstattungen wie Allradantrieb, Abtankrohr mit verstellbarer Auslauftülle oder der Komfort-Ledersitz.

Je nach gewähltem Fahrmodus und abhängig von den Zielsetzungen des Betriebs kann davon ausgegangen werden, dass sich die zusätzliche Investition in AFS Harvest Command nach ca. 500 ha Druschfläche amortisiert. Ein Wert, der bei einer Maschine dieser Größenordnung sicherlich bereits im ersten Jahr erreicht wird.

Unser Fazit

AFS Harvest Command steigert den Durchsatz, ohne signifikante Nachteile bezüglich Besatz, Bruchkorn und Verluste zu verursachen. Bedenkt man, dass es sich bei unserem Tester um einen versierten Fahrer gehandelt hat, könnte der Unterschied bei Anfängern noch viel deutlicher ausfallen.

Im Fahrmodus „Maximaler Durchsatz“ erntete die Maschine 26% schneller. Auch beim Modus „Performance“, wo ein Kompromiss zwischen hohem Durchsatz und geringen Verlusten priorisiert wird, sind die Qualitätsparameter nahezu ident zum gewissenhaft per Hand eingestellten Mähdrescher.

Das System ist einfach zu bedienen, braucht aber trotzdem ein Mindestmaß an Erfahrung, um den Mähdrescher bestmöglich zu nutzen.

Alles in allem ist AFS Harvest Command eine enorme Erleichterung für den Fahrer, um die Maschine auch an langen Tagen und unter wechselnden Bedingungen ständig im Grenzbereich zu bewegen und saubere Arbeit abzuliefern.

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