Vornehm und Kapital

Von jagdlich interessierter Seite ist mir nahegelegt worden, über die Erlegung eines ungewöhnlich starken Rehbockes zu berichten, die mir im Jahr 1910 beschieden war. Ich tue dies mit einem gewissen Widerstreben, denn ich kann weder mit sensationellen Erlebnissen noch mit besonderen jagdlichen Leistungen meinerseits aufwarten. Meine jagdliche Betätigung hat sich stets in bescheidenen Grenzen bewegt, und die vielen Stunden, die ich mit der Büchse im Revier verbracht habe, waren gewöhnlich mehr bei der Beobachtung und forstlicher Betätigung, als der eigentlichen Jagdausübung gewidmet.

Über den fraglichen Bock ist eigentlich nur zu sagen, dass er körperlich und - wenn man so sagen darf - auch charakterlich ein hervorragendes Exemplar seiner Gattung war, und dass er ehrlich in wochenlanger Pirsch erlaufen worden ist. Wer sich mit Rehwild beschäftigt hat, weiß, dass es innerhalb dieser wunderschönen Wildart ganz verschiedene Veranlagungen gibt. Es gibt phlegmatische und lebhafte, vertrauensselige und vorsichtige, gesellige und ungesellige Naturen. Es gibt Schreihälse, die man bei jeder Gelegenheit hört, und Schweigsame, Raufbolde und friedfertige Temperamente. Über den Durchschnitt erheben sich einzelne Individuen mit besonders ausgeprägter Eigenart.