Klimawandel und der Wasserhaushalt unserer Wälder
Schneller Überblick
- Zeitlich und räumlich hoch aufgelöste Klimadaten sind wesentliche Grundlage zur Ansprache des Standortwasserhaushalts von Wäldern
- Wasserhaushaltsmodellierungen erlauben eine dynamische Abbildung des Standortfaktors „Wasserhaushalt“ für das aktuelle Klima und für Klimaprognosen
- Unser Ansatz berücksichtigt neben dem Klima zusätzlich das Gelände und Expertenwissen aus der forstlichen Standort- und Bodenkartierung
Das Waldklimafonds-Projekt „Standortfaktor Wasserhaushalt im Klimawandel“
2019 startete ein gemeinsames Projekt der forstlichen Forschungseinrichtungen in Freising, Göttingen und Freiburg zusammen mit dem Institut für Geographie der Universität Hamburg. Im Rahmen des Waldklimafonds erfolgte die Finanzierung durch die Bundesministerien für Ernährung und Landwirtschaft sowie für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.
Ziel des gemeinsamen Projekts ist es, die Wasserhaushaltsansprache im Wald mithilfe von deterministischen Wasserhaushaltsmodellen möglichst wirklichkeitsnah, räumlich hoch aufgelöst und dynamisch in Bezug auf den Klimawandel abzubilden. Die Methoden werden zunächst in Testgebieten erarbeitet und anschließend auf Anwendungsgebiete übertragen (Abb. 1). Dies erlaubt ein abgestimmtes Vorgehen bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Besonderheiten in der forstlichen Standortkartierung der einzelnen Bundesländer.
Entscheidend für die Ansprache des Wasserhaushalts ist die Berücksichtigung aller wesentlichen Faktoren. Deshalb kombiniert unser Vorgehen das Erfahrungswissen aus der Standortkartierung mit räumlich und zeitlich hoch aufgelösten Wetterdaten, digitalen Geländemodellen und Bodenanalysen. Diese Informationen dienen zur standortscharfen Parametrisierung eines Wasserhaushaltsmodells (LWFBrook90, [1, 2]), dessen Ergebnisse für die Forstpraxis zu Wasserhaushaltsklassen zusammengefasst werden.
Klima und Klimaänderung in Deutschland
Neben der Niederschlagsmenge und -verteilung spielen auch Temperatur, Strahlung, Luftfeuchte und Windgeschwindigkeit eine wichtige Rolle für die Verdunstung und Transpiration und somit für den Wasserhaushalt unserer Wälder. Zur Darstellung dieser Parameter sind möglichst genaue Eingangsdaten erforderlich. Globale und selbst regionale Klimamodelle liegen bei einer Auflösung von mehreren Kilometern und erreichen damit nicht die für die forstliche Wasserhaushaltsmodellierung relevante räumliche Skala. Kleinskalige Informationen, insbesondere die Topografie, müssen durch eine angepasste Nachprozessierung der Klimamodellresultate (Downscaling) abgebildet werden. Durch dieses Verfahren stehen Daten mit einer Rasterweite von 250 Metern in täglicher Auflösung bis zum Jahr 2100 zur Verfügung, die aus der europäischen Domain des Coordinated Downscaling Experiment (CORDEX) stammen und unterschiedliche Ausprägungen des Klimawandels repräsentieren. In gleicher räumlicher und zeitlicher Auflösung liegen zudem regionalisierte Observationsdaten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) für den Zeitraum bis 2020 vor. Die Ableitung von Klimafeldern aus punktuellen Daten des DWD-Stationsnetzes erfolgte in einem mehrstufigen Verfahren, das kleinräumige geländeklimatische Effekte der Orografie bei der statistischen Modellierung berücksichtigt [3].
Beim Vergleich der Klimanormalperioden 1991–2020 und 1961–1990 fällt besonders ins Auge, dass die Jahresmitteltemperaturen bereits deutlich angestiegen sind, im Mittel über ganz Deutschland um 1,1 °C (Abb. 2, Tab. 1). Dagegen zeigen die Jahresniederschlagssummen zunächst kaum Unterschiede. Gerade im letzten Jahrzehnt häuften sich jedoch Jahre mit langanhaltenden niederschlagsfreien Perioden in weiten Teilen Deutschlands.
Es besteht prinzipiell Konsens, dass sich der Temperaturanstieg fortsetzen wird und mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Häufung von witterungsbedingten Extremereignissen (Trockenperioden, Starkregenereignisse). Eine genaue Vorhersage ist allerdings nicht möglich. Auch innerhalb der gleichen Szenarien für den Verlauf der absoluten Treibhausgaskonzentration (RCPs = Representative Concentration Pathways) spannt sich ein weiter Rahmen potenzieller Klimaentwicklungen auf. Ein Beispiel für das Szenario „weiter so wie bisher“ (RCP 8.5) findet sich in Abb. 2 (rechts) für die Zeit zwischen 2051 und 2080. Gegenüber der aktuellen Klimaperiode steigen hier die Temperaturen für Deutschland durchschnittlich um 1,8 °C, die Niederschläge um 120 mm.
Die Konsequenz für die generelle Wasserversorgung von Pflanzen verdeutlicht die Entwicklung der Gesamtverdunstung kurzer Vegetationsdecken nach Turc [4] in Abb. 3. Der Verdunstungsanspruch der Atmosphäre ist bereits gestiegen und auch in Zukunft muss mit einer weiteren Erhöhung gerechnet werden. Die Auswahl unterschiedlicher Klimaszenarien in Tab. 1 zeigt jedoch, dass Prognosen über weite Bereiche variieren können. Das gilt sowohl für die einzelnen RCPs als auch für verschiedene Klimamodellkombinationen innerhalb eines RCPs. Die vorhergesagten, auffällig hohen Niederschlagsmengen in Süddeutschland werden von den bisherigen Klimamessungen nicht bestätigt – ein Hinweis auf die Unsicherheit regionaler Klimaszenarien, die umso höher ist, je kleinräumiger die Klimabetrachtungen ausfallen.
Wasserhaushalt: Kombination von Klima, Standort und Bodeneigenschaften
Neben dem Klima sind Gelände (z. B. südexponierte Hanglagen) und vor allem die Wasserspeicherfähigkeit der Böden wichtige Einflussgrößen für den Wasserhaushalt von Wäldern. Der Boden ist dabei ein dynamischer Speicher, der vorgibt, ob Niederschlagswasser schnell versickert, den Pflanzen zur Verfügung steht oder als sogenanntes Totwasser im Boden verbleibt. Wasserhaushaltsmodelle wie das hier verwendete LWFBrook90 [1, 2] können das Zusammenspiel der verschiedenen Faktoren gut abbilden.
Abb. 4 zeigt das prinzipielle Ablaufschema zur Ableitung von Wasserhaushaltsklassen für Waldstandorte. Die Berechnungen erfolgen für Standorteinheiten aus Standortkartierung oder Standortinformationssystemen, denen ein möglichst passendes Bodenprofil mit bodenphysikalischen Analysen (Lagerungsdichte, Textur, Skelettgehalt) zugeordnet wird. Horizontweise werden diese Daten dem Wasserhaushaltsmodell übergeben, zusammen mit Tageswerten für Temperaturmaximum und -minimum, Niederschlag, Windgeschwindigkeit, Globalstrahlung und Wasserdampfdruck sowie Geländeinformationen (Exposition, Hangneigung). Um einen unverzerrten Standortvergleich zu gewährleisten, wird ein standardisierter, gut wüchsiger Fichten-Buchen-Mischbestand verwendet. Zur Bildung der sieben Wasserhaushaltsklassen wird das Verhältnis von tatsächlicher (bei trockenem Boden eingeschränkter) zu potenzieller (Boden immer ausreichend wassergefüllt) Transpiration genutzt [7]. Zusätzlich wird der Grundwassereinfluss berücksichtigt, entweder über spezielle Einstellungen bei der Modellparametrisierung oder über die nachträgliche Anwendung des Verfahrens zur Berechnung des kapillaren Aufstiegs aus dem Grundwasser [6] und einer entsprechenden Reduktion der Transpirationseinschränkung. Ebenfalls aus den Ergebnissen der Wasserhaushaltsmodellierung abgeleitet wird ein Staunässeindikator, der Wechselfeuchte (stark, mäßig und schwach) angibt, wenn Wassersättigung mehr als 20 Tage im Jahr in den Tiefen 0–30 cm, 30–60 cm bzw. 60–90 cm auftritt.
„Klimadaten ermöglichen es, den Wasserhaushalt auch unter sich ändernden Klimabedingungen wirklichkeitsnah darzustellen.“
Dynamische Wasserhaushaltsklassen in Standortinformationssystemen
Das gewählte Verfahren ist gut geeignet, Standortunterschiede kleinräumig darzustellen: In Abb. 5 ist die bayerische Testregion Nürnberger Land unter Verwendung der Bodeneinheiten des bayerischen Standortinformationssystems BaSIS [8] dargestellt. Niederschlagsreiche Höhenlagen und südexponierte Hänge sind gut erkennbar und auch der Einfluss der Bodenart wird abgebildet. Allgemein limitierend ist die Güte der Ausgangsdaten, insbesondere die Qualität von Standortkartierung und Bodendaten. Auch die Regionalisierung der meteorologischen Daten ist nicht immer perfekt, beispielsweise bei der Berücksichtigung von Stauregen oder lokaler Gewitterschauer.
Sehr deutlich wird der Einfluss des Klimawandels auf den Wasserhaushalt. Bereits die steigenden Temperaturen der vergangenen Jahrzehnte bei im Mittel gleichbleibenden Niederschlägen erzeugen eine Verschiebung der Verhältnisse um mindestens eine Wasserhaushaltsklasse ins Trockene. Zukünftige Klimaverhältnisse können in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zum kompletten Verlust der gut wasserversorgten Standorte in der Region führen. Allerdings sind die Ergebnisse stark abhängig von dem verwendeten RCP und der Klimamodellkombination. Szenarien, die im Nürnberger Land leicht steigende Niederschläge prognostizieren (MPI.CLM), mildern das zu erwartende Trockenstressrisiko ab. Verändern sich dagegen die Klimabedingungen großräumig, sodass sehr niederschlagsarme Sommer die Regel werden (CA2.CLM), fällt die Verschiebung des Wasserhaushalts ins Trockene noch deutlich extremer aus.
Fazit
Die Kombination von Wetter- bzw. Klimadaten, Standortinformationen, Geländemodellen und Bodenprofilanalysen erlaubt eine objektive und dynamische Darstellung des Standortwasserhaushalts im Wald. Ermöglicht wird dies nicht zuletzt durch die Verfügbarkeit zeitlich und räumlich hoch aufgelöster Klimadaten hoher Qualität für Deutschland. Unter Verwendung von Klimaszenarien erlaubt das hier vorgestellte Verfahren auch den Blick in die Zukunft. Dabei sind die prognostizierten Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserversorgung unserer Wälder stark abhängig von den verwendeten RCPs und den Klimamodellkombinationen.
Literaturhinweise:
[1] FEDERER, C. A. (2021): The BROOK90 Hydrologic Model for Evaporation, Soil Water, and Streamflow. http://www.ecoshift.net/brook/brook90.htm. [2] HAMMEL, K.; KENNEL, M. (2001): Charakterisierung und Analyse der Wasserverfügbarkeit und des Wasserhaushalts von Waldstandorten in Bayern mit dem Simulationsmodell BROOK90. Forstliche Forschungsberichte München 185. 117 S. [3] DIETRICH, H.; WOLF, T.; KAWOHL, T.; WEHBERG, J.; KÄNDLER, G.; METTE, T.; RÖDER, A.; BÖHNER, J. (2019): Temporal and spatial high-resolution climate data from 1961 to 2100 for the German National Forest Inventory (NFI): Annals of Forest Science 76, 6. https://doi.org/10.1007/s13595-018-0788-5. [4] TURC, L. (1961): Évaluation des besoins en eau dírrigation, évapotranspiration potentielle. – Ann Agron. Paris 12. S. 13–49. [5] WÖSTEN, J. H. M.; LILLY, A.; NEMES, A.; LE BAS, C. (1999): Development and use of a database of hydraulic properties of European soils. Geoderma 90. S. 169–185. [6] WESSOLEK, G.; KAUPENJOHANN, M.; RENGER, M. (2009): Bodenphysikalische Kennwerte und Berechnungsverfahren für die Praxis. Bodenökologie und Bodengenese 40, 80 S. [7] WEIS, W.; WELLPOTT, A.; FALK, W. (2020): Standortfaktor Wasserhaushalt im Wald. LWF aktuell 108 (3|2022). S. 14–17. [8] BECK, J.; KÖLLING, C. (2013): Das bayerische Standortinformationssystem. LWF aktuell 94. S. 4–6.
Dr. Wendelin Weis
war bis Ende Juni Mitarbeiter an der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) in Freising. Dr. Axel Wellpott und Wolfgang Falk sind Mitarbeiter der Abteilung Boden und Klima an der LWF. Dr. Jan-A. Wehberg ist Mitarbeiter der Scilands GmbH in Göttingen. Prof. Dr. Jürgen Böhner ist Leiter des Instituts für Geographie an der Universität Hamburg.
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