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Beurteilung der Wasserversorgung in Bayerns Wäldern

Abb. 1: Computergestützte Felddatenerfassung von Messdaten an Waldklimastationen

Schneller Überblick

  • Es wurde der Wasserhaushalt aller Waldstandorte in Bayern modelliert und aus den Ergebnissen eine objektive Wasserhaushaltsstufe abgeleitet
  • Auf mehr als der Hälfte der Waldfläche hat sich in den letzten 60 Jahren die Wasserhaushaltsstufe ins Trockene verschoben
  • Mit der entwickelten Methode lassen sich die Auswirkungen des Klimawandels simulieren

Die Beschreibung des Wasserhaushalts wurden mit dem deterministischen eindimensionalen Wasserhaushaltsmodell LWF Brook90 [1, 2] durchgeführt, das speziell für Wälder entwickelt wurde. An der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) besteht eine langjährige Expertise in der Anwendung dieses Modells. LWF-Brook90 berechnet wichtige Größen des Wasserhaushalts aus einer Kombination von Klima, Standort und Bodeneigenschaften für unterschiedliche Bestände aus zeitlich und räumlich hoch aufgelösten Eingangsdaten (vgl. Beitrag Weis et al. ab S. 12 in dieser Ausgabe). Für die Modellierung wurde die Waldfläche Bayerns in mehr als 800.000 Polygone unterteilt. Jedem Polygon wurde ein Bodenprofil aus der Datenbank des Bayerischen Landesamts für Umwelt zugeordnet. Als meteorologische Eingangsdaten standen regionalisierte Zeitreihen in täglicher Auflösung von 1961 bis 2020 zur Verfügung, die aus den DWD-Stationsdaten regionalisiert wurden. Damit die Vergleichbarkeit der Standorte gewährleistet ist, wurden alle Standorte mit identischen gutwüchsigen Fichten- und Buchenbeständen modelliert. Somit wurde der Wasserhaushalt für alle forstlichen Standortseinheiten in Bayern berechnet, sowohl für die jüngere Vergangenheit als auch für unterschiedliche Klimaszenarien.

Die Wasserhaushaltsklasse wurde dann aus dem langjährigen Mittel der relativen jährlichen Transpirationseinschränkung eines Fichten- und Buchenmischbestandes abgeleitet. Die Einteilung der Wasserversorgung erfolgt in sieben Klassen von „sehr feucht“ bis „sehr trocken“. Zusätzlich wurde Grundwassereinfluss und Staunässe berücksichtigt. In einem Austausch mit forstlichen Praktikern wurden die Ergebnisse regional bewertet und die Methodik angepasst und die Berechnungen aktualisiert.

Ergebnisse für Bayern: trockener Norden – feuchter Süden

Für Bayern zeigt sich ein deutlicher Nord-Süd-Gradient in der Verteilung der Wasserhaushaltsklassen, wobei die Grenze in etwa dem Lauf der Donau folgt (Abb. 2). Der Staueffekt der Alpen reicht bis hierhin und sorgt für höhere Niederschläge und somit für eine ausreichende Wasserversorgung an den allermeisten Waldstandorten. Südlich der Donau ist der Flächenanteil an trockenen Standorten somit gering. Im Gegensatz dazu findet man im Norden Bayerns sehr viel mehr „trockene“ Standorte. Vor allem die warm-trockenen Gebiete in Unterfranken sind betroffen.

Abb. 2: Darstellung der Wasserhaushaltsklassen der Wälder in Bayern für die beiden Klimanormalperioden 1961-1990 und 1991-2020. Rechts dargestellt ist die Änderungen zwischen den beiden Zeitperioden.

Der direkte Vergleich der beiden Klimanormalperioden 1961 bis 1990 und 1991 bis 2020 zeigt eine Verschlechterung der Wasserversorgung in weiten Teilen Bayerns (siehe Abb. 2), wobei auch hier wieder der nördliche Teil stärker betroffen ist als der Süden. Auf insgesamt 61 % der bayerischen Waldflächen hat sich der Wasserhaushalt um mindestens eine Stufe verschlechtert.

„Modellergebnisse zeigen, dass sich die Wasserversorgung der bayerischen Wälder über die letzten 60 Jahre verschlechtert hat, und der Klimawandel wird diesen Trend fortsetzen.“

Axel Wellpott

Im Vergleich zu dem Zeitraum 1961 bis 1990 ist die Lufttemperatur in der zweiten Klimanormalperiode im Mittel für Bayern 1,1 °C höher, während die mittlere Jahresniederschlagsmenge sich nicht verändert hat. Die höhere Lufttemperatur führt zu einem größeren Wasserdampfsättigungsdefizit der Atmosphäre und damit zu einer erhöhten Transpiration der Vegetation. Zugleich startet die Vegetationsperiode inzwischen deutlich früher als noch vor 60 Jahren. Die Folge ist, dass der Bodenwasserspeicher im Jahresverlauf schneller entleert wird und die Bäume im Durchschnitt früher im Jahr ihre Transpiration einschränken müssen. Dies zeigt sich deutlich in Extremjahren wie 2018 und 2019, in denen deutliche Vitalitätseinbußen in den Wäldern beobachtet wurden [3].

Einfluss der Standortfaktoren - Nürnberger Land

Ein Projektziel ist es, die Ergebnisse in die Praxis zu überführen und die Karten der Wasserhaushaltsklassen über das bayerische Standortinformationssystem (BaSIS) den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund ist es erforderlich, dass die Ergebnisse nicht nur großräumig korrekt sind, sondern auch auf den für die Forstpraxis relevanten Kartenmaßstäben verlässliche Wasserhaushaltsinformationen liefern. Ein Produkt, das diese Anforderungen nicht erfüllt, würde in der Praxis keine Akzeptanz finden. So sollten zum Beispiel Südhänge trockener zeichnen und Grundwasser beeinflusste Standorte feuchter sein als benachbarte Standorte, auf denen die Bäume das Grundwasser nicht nutzen können. In Abb. 3 sind Kartenausschnitte dargestellt, die zeigen, dass diese Kriterien erfüllt sind. Alle Beispiele stammen aus dem Landkreis Nürnberger Land, das in dem Projekt als bayerische Testregion diente und deshalb besonders intensiv betrachtet wurde. Charakteristisch für das Testgebiet ist ein starker klimatischer Gradient von West nach Ost sowie eine große Bandbreite an Böden mit und ohne Grundwassereinfluss. Auen und andere grundwasserbeeinflusste Standorte werden durch unser Vorgehen ebenso richtig dargestellt wie Reliefeffekte südexponierter Hänge.

Abb. 3: Kleinräumige Differenzierung im Wasserhaushalt aufgrund von Besonderheiten des Standortes: (a) Standorte mit Grundwassereinfluss zeichnen feuchter als solche ohne Zugang zum Grundwasser. (b) Beispiel für die Auswirkung der Bodenart auf die Wasserhaushaltsklasse (mäßig frischer Sand inmitten eines Gebiets mit ziemlich frischem lehmigen Sand). (c) Südlich exponierte Hänge im Tal der Pegnitz zeichnen bei derselben Bodeneinheit (hier Braunerde-Regosol) zwei Wasserhaushaltsstufen trockener als an Nordhängen.

Wenn man die Ergebnisse der Modellierung mit statistischen Klassifizierungsmethoden analysiert, lässt sich der Einfluss der Standorteigenschaften auf den Wasserhaushalt bestimmen. Die drei Größen

  • nutzbare Feldkapazität,
  • Jahresmitteltemperatur und
  • Jahresniederschlagssumme

sind in dieser Reihenfolge die wichtigsten Faktoren für den Wasserhaushalt bei der Berechnung mit LWF-Brook90. Exposition und Hangneigung haben im Vergleich dazu eine geringere Bedeutung – sie wirken sich bei ähnlichen Bedingungen der ersten drei Faktoren auf lokaler Ebene aus und variieren das regional durch Klimagrößen bestimmte Bild.

Für das Nürnberger Land steht neben den Standortinformationen aus dem bayerischen Standortinformationssystem BaSIS auch eine harmonisierte Standortklassifikation nach dem Verfahren der bayerischen Standortkartierung zur Verfügung [4], für die ebenfalls der Wasserhaushalt modelliert wurde. Mit diesem Ansatz verdreifacht sich die Anzahl an Polygonen von 14.343 auf BaSIS beruhenden Einheiten auf 44.028 und auch die Anzahl der verwendeten Bodenprofile steigt. Im Gegensatz zu den 107 verschiedenen Bodenprofilen, die beim BaSIS-Ansatz verwendet werden, steigt die Anzahl für die Standortskartierung auf 128. Diese Zahlenwerte lassen darauf schließen, dass die Standortskartierung genauere Bodeninformationen liefert, was der höheren Auflösung der Kartierung entspricht. Gerade weil der Einfluss des Bodens so deutlich ist, ist auch der Wert gut aufbereiteter Standortsdaten, die mit Bodenprofilen belegt sind, zu erkennen. Wo diese Daten nicht vorliegen, sind die flächendeckend vorliegenden Informationen aus BaSIS eine hervorragende Alternative.

Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt im Nürnberger Land

Das letzte Jahrzehnt (2011 bis 2020) und besonders der Zeitraum der Jahre 2018 bis 2020 waren außergewöhnlich trocken, was an vielen Standorten den Wald bis an seine physiologischen Grenzen brachte. Mit dem Fortschreiten des Klimawandels werden solche Ereignisse in der Zukunft sehr viel häufiger auftreten und Trockenstress dem Wald sehr viel öfter zu schaffen machen.

Mit der Hilfe von Klimaszenarien lässt sich ein Blick in die Zukunft der Wasserhaushaltsentwicklung wagen. In Abb. 4 sind die Wasserhaushaltsklassen für den Landkreis Nürnberger Land auf Grundlage der Bodeninformationen aus BaSIS dargestellt. Dabei sind der Periode 1991 bis 2020 die Zeitperiode 2071 bis 2100 für drei Szenarien gegenübergestellt. Die drei verwendeten Klimaszenarien folgen dabei unterschiedlichen repräsentativen Pfaden der Treibhausgaskonzentrationen (RCP 2.6, RCP 4.5, RCP 8.5), die zu unterschiedlichen Erwärmungen führen. Man erkennt den Trend zu trockeneren Verhältnissen bei stärkerer Klimaerwärmung. Bei einem starken Klimawandel wie im Szenario RCP 8.5 dominieren trockene Standortsverhältnisse mit entsprechenden Konsequenzen für Vitalität, Waldschutz, Zuwachs und Baumartenwahl. Außerdem wird deutlich, dass die letzte Klimanormalperiode (1991 bis 2020) bereits trockener war als die Prognose im vergleichsweise milden RCP-2.6-Szenario für das Ende des 21. Jahrhunderts.

Abb. 4: Prognose der Wasserhaushaltsklassen im Landkreis Nürnberger Land für 1990 bis 2020 und das Ende dieses Jahrhunderts bei drei Klimaszenarien unterschiedlich starker Treibhausgasemissionen

Fazit

Der Wasserhaushalt spielt eine bedeutende Rolle für die Forstwirtschaft. Klimaänderungen, wie sie derzeit stattfinden, haben große Auswirkungen auf den Wasserhaushalt der Wälder. Die Auswertung langer Zeitreihen zeigt, dass der Wasserhaushalt deshalb nicht länger als statisch angesehen werden kann. Mithilfe von Klimaszenarien lassen sich die zu erwartenden Änderungen simulieren. Solche Informationen sind relevant, wenn es um die standortgerechte Baumartenwahl geht.

Verbesserungen der Methode sind vor allem im Bereich der Bodendaten sinnvoll: Je genauer die verwendeten Bodendaten die mit Kartierungsverfahren abgegrenzten Einheiten abbilden, desto besser wird die Aussage der Modellierungen zur Wasserhaushaltseinschätzung. Sollten in Zukunft zusätzliche Daten zur Verfügung stehen oder für bestimmte Standorteinheiten spezifisch Böden beprobt werden, wäre von einer Verbesserung der Aussagen auszugehen. Dasselbe gilt für die Klimaszenarien: In regelmäßigem Turnus werden diese verbessert und aktualisiert. Bei neuer Datengrundlage ist eine Wiederholung der Simulationen zu empfehlen, um stets in der Lage zu sein, der Forstpraxis die bestmöglichen Informationen zur Verfügung stellen zu können. In diesem Sinne ist nicht nur der Klimawandel dynamisch, sondern auch unsere Beratungshilfe.

Literaturhinweise:

[1] FEDERER, C. A. (2021): The BROOK90 Hydrologic Model For Evaporation, Soil Water, and Streamflow. http://www.ecoshift.net/brook/brook90.htm, aufgerufen am 20.05.2022. [2] HAMMEL, K.; KENNEL, M. (2001): Charakterisierung und Analyse der Wasserverfügbarkeit und des Wasserhaushalts von Waldstandorten in Bayern mit dem Simulationsmodell BROOK90. Forstliche Forschungsberichte München 185. 117 S. [3] Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) (2019): Ergebnisse der Waldzustandserhebung 2019: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/ergebnisse-waldzustandserhebung-2019.pdf?__blob=publicationFile&v=4, aufgerufen am 20.05.2022. [4] WEIS, W.; WEICHINGER, P.; MÜLLER, K.; SCHUSTER, O.; KLEMMT, H.-J.; GÖTTLEIN, A. (2018): Standorterkundung in Bayern: Aus der Klassik in die Moderne. AFZ-DerWald, Nr. 22, 34–37.

Dr. Axel Wellpott

Dr. Wendelin Weis und Wolfgang Falk sind Mitarbeiter der Abteilung Boden und Klima der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft in Freising.

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