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INTERFORST 2022

Eine Branche stellt sich den Herausforderungen

Blick über das Außengelände der Messe München. Auch 2022 gab es auf der INTERFORST einiges zu entdecken.

Rund 31.000 Besucherinnen und Besucher aus 60 Ländern setzten sich dem heißen Wetter aus und nahmen die größte Forstmesse Europas zum Anlass, sich zu informieren und auszutauschen. An vier Messetagen zeigten über 350 Aussteller, was forsttechnisch von der Pflanzung bis zum Abtransport des Holzes möglich ist.

Waldpolitik hautnah

Erstmals besuchte auch ein Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft die INTERFORST. So kam Cem Özdemir gemeinsam mit der bayerischen Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Michaela Kaniber, zur Eröffnung der Messe.

Ribbon-Cutting mit der bayerischen Waldprinzessin Elisabeth Hegelberger (l.), Ralf Dreeke von Wahlers Forsttechnik (2. v. l.), Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft (4. v. l.), Dr. Reinhard Pfeiffer, Geschäftsführer der Messe München GmbH (5. v. l.), Michaela Kaniber, Bayerns Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (6. v. l.), Josef Ziegler, Präsident des Bayerischen Waldbesitzerverbands (3. v. r.), M.Sc. Patrik Mlynář, stellvertretender Minister für die Forstabteilung, Tschechisches Ministerium für Landwirtschaft (2. v. r.) und der Bayerischen Waldkönigin Kerstin Seitz (r.)

In ihrem Eröffnungsstatement wies Kaniber darauf hin, wie wichtig es sei, den Bürgerinnen und Bürgern mitzuteilen, warum die Bewirtschaftung der Wälder von so großem Wert ist. „Flächenstilllegungen haben ihre Berechtigung, aber die Vorteile der Gewinnung des Rohstoffs Holz, die langfristige Speicherung von CO2 im geernteten und verbauten Holz, das gleichzeitige Nützen und Schützen unserer Wälder, das sind die großen Pluspunkte einer nachhaltigen Forstwirtschaft.“

Bundesforstminister Cem Özdemir machte zum einen darauf aufmerksam, dass der Wald weltweit bedroht sei, dass er aber zum anderen auch als „unser Verbündeter gegen den Klimawandel“ an unserer Seite stehe. Als Lieferant des Rohstoffs Holz und als Urproduktionsort für 700.000 Arbeitsplätze ist er genauso wichtig wie als Ökorefugium und als Erholungsraum. Der Schutz der Wälder sei – genauso wie der Aufbau von resilienten Beständen – eine globale Herausforderung.

Der forstpolitische Eröffnungstalk wurde moderiert von Prof. Dr. Christian Ammer, Leiter der Abteilung Waldbau und Waldökologie, Universität Göttingen (l.). Er diskutierte mit Staatsministerin Michaela Kaniber, Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (2. v. r.) und Josef Ziegler, Präsident des Bayerischen Waldbesitzerverbands.

Die beiden Ehrengäste nahmen anschließend an einem Rundgang über das Gelände teil und verschafften sich einen Überblick über aktuelle forstliche Fragestellungen, informierten sich zur Baumschulware, über die Waldarbeit, die Herstellung und den Vertrieb von Forstgeräten und Maschinen und ließen sich die die Vor- und Nachteile von Benzin- und Akkumotorsägen erklären. Am Messestand der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) wurden der Staatsministerin und dem Bundesminister verdeutlicht, dass zur Arbeitssicherheit auch die Möglichkeit zählt, psychische Belastungen zu behandeln. Dazu gebe es eine Hotline für persönliche Krisensituationen, die u. a. von Waldarbeiterinnen und Waldarbeitern jederzeit angewählt werden könne und auch werde. Özdemir zeigte sich überrascht und dankbar für die Weitsicht der SVLFG. Die Sensibilisierung für dieses bisherige Tabuthema nehme zu, so die Aussage der Mitarbeitenden der SVLFG.

Die bayerische Waldkönigin und die bayerische Waldprinzessin sind seit 1995 als Botschafterinnen für die bayerischen Waldbesitzer unterwegs. Auf der INTERFORST erfolgte im Rahmen des Empfangs der bayerischen Forstwirtschaft und im Beisein von Staatsministerin Michaela Kaniber die Amtsübergabe der bayerischen Waldkönigin 2019 bis 2021 Kerstin Seitz (3. v. l.) sowie der bayerischen Waldprinzessin Elisabeth Hegelberger (2. v. l.) an die neuen bayerischen Waldhoheiten: Waldkönigin Antonia Hegele (4. v. l.) und Waldprinzessin Simone Brunner (rechts).

EU-Waldpolitik – sind die Entscheidungen angemessen?

Auf der Grünen Couch wurden forstpolitische Fragen und Sorgen diskutiert. Neben dem Image der Forstwirtschaft, dem Waldumbau, der Zukunft forstlicher Berufe und dem Waldnaturschutz kam in der Paneldiskussion „Protect and Utilise - The Future of European Forests“, moderiert von Franz Thoma, Bayerische Staatsforsten AöR (BaySF), die Frage nach dem Wald der Zukunft aus EU-forstpolitischer Sicht auf.

Zu Gast waren Josef Svoboda, Sprecher des Board of Directors of the Czech State Forests Lesy ČR, Reinhardt Neft, Präsident von EUSTAFOR und Vorstand der BaySF, und Sven-Erik Hammer, Präsident der Confederation of European Forest Owners (CEPF). Svoboda begann mit der Schilderung der Waldsituation in Tschechien: Die Wälder dort seien auf europäischer Ebene am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen. Allein durch den Borkenkäfer sei doppelt so viel Holz geerntet worden, als für den tschechischen Wald nachhaltig sei. Auch Schweden und Bayern seien geplagt von den letzten Jahren, es ließen sich jedoch regional unterschiedliche Auswirkungen feststellen. Bereits die Eingangsstatements der Diskussionsteilnehmer zeigten deutlich, wie wichtig eine regional differenzierte Forstpolitik auf EU-Ebene ist. Neft brachte zum Ausdruck, wie entscheidend der Erfahrungsaustausch – regional, aber auch in Europa – sei. Ihm zufolge agiere die EU in waldpolitischen Fragen zu pauschal.

Auf der Grünen Couch diskutierte (v. l.) Franz Thoma am 18. Juli mit Josef Svoboda, Sven-Erik Hammer und Reinhardt Neft über die waldpolitische EU-Politik.

Hammers Ansicht nach werde der Substitutionseffekt der Wälder bislang EU-politisch nicht beachtet; dieser sei im Klimawandel jedoch der wichtigste Aspekt in Fragen der Waldbewirtschaftung. „Wir müssen Wälder zeitgleich schützen und nutzen!“, betonte er.

Thoma richtete daraufhin die Frage in die Runde, ob sich die EU im Wald zu sehr einmische. Das wurde einstimmig bestätigt. „Kein Wald ist wie der andere“, erklärte Hammer. Aufgrund der Diversität europäischer Wälder müsse die EU-Politik mehr Vertrauen in die Forstleute vor Ort setzen. Bedürfnisse der jeweiligen Wälder sollten begutachtet und Forstleute mit einbezogen werden, bevor Entscheidungen getroffen werden. Der Politik fehle die Erfahrung, welche die Forstleute gerne teilen würden.

Für die Zukunft der europäischen Wälder äußerten Svoboda, Hammer und Neft abschließend Wünsche. Der größte Wunsch: Die Handlungsfreiheit – die Arbeit im Wald angemessen ausführen zu können – müsse gegeben sein.

Das Grüne Sofa auf der INTERFORST – mal hitzig, mal emotional, mal einstimmig. Hier wurde über den Wald im Klimawandel und die Waldwirtschaft der Zukunft diskutiert.

Waldpolitik zwischen Wissenschaft und Emotion

Mit einem forstpolitischen Eröffnungstalk auf der Grünen Couch – einer forstlichen Wohnzimmergarnitur, die allen wichtigen Fragen der Waldpolitik über die Forstmesse hinweg eine Plattform bot (s. Kasten) – endete der Rundgang.

Gut besucht waren auch dieses Mal wieder Kongress und Foren in der Ausstellungshalle B 6.

Kaniber, Özdemir und der Präsident des Bayerischen Waldbesitzerverbands, Josef Ziegler, nahmen an der Diskussion teil und wurden von Prof. Dr. Christian Ammer, Leiter der Abteilung Waldbau und Waldökologie an der Universität Göttingen, dazu befragt, wie es mit dem Wald in Deutschland weitergehen könnte und sollte. Es herrsche noch immer Verbesserungsbedarf in Bezug auf die Wald- und die Energiekrisen und die Herausforderungen seien zu groß, um nichts zu tun, so Özdemir. „Nachhaltige Waldpolitik braucht die Einbindung der Waldbesitzer, der Praktiker, der Wissenschaft und Politik. Wenn man immer nur sagt, was nicht geht, dann schafft man es nicht. Dafür ist die He-rausforderung zu groß, dafür sind wir schon zu weit fortgeschritten. Der Wald leidet unter der Klimakrise, er ist aber auch die Antwort auf die Klimakrise – national und global“, betonte Özdemir und richtet das Wort ans Publikum: „Ich unterstütze den Erhalt und die Neuanpflanzung des Waldes nach Kräften, weil ich weiß, wie wichtig Ihre Arbeit für die Zukunft unserer Kinder ist.“

Zum Ende des Eröffnungstalks formulierten die Diskutanten noch ihre Wünsche für die Zukunft: gute Rahmenbedingungen für Waldbewirtschaftende, vielfältige Ökosystemleistungen bei gleichzeitiger Nutzung der Wälder und einen gesellschaftlichen Konsens über den Wert der deutschen Waldbewirtschaftung.

„Die Branche will sich wieder live treffen und dazu nutzt sie die INTERFORST.“

Ralf Dreeke

Passend zur INTERFORST als Plattform erläuterte Kaniber: „Forstmaschinen sollen die Waldarbeit nicht nur sicherer und wirtschaftlicher machen, sondern auch die Bäume und den Boden so pfleglich wie möglich behandeln. Nur so schaffen wir die notwendige gesellschaftliche Akzeptanz für aktive Forstwirtschaft.“ Zur Rolle der Waldwirtschaft ergänzte sie: „Der klimafeste Umbau unserer Wälder ist eine Mammutaufgabe, von der letztlich die gesamte Gesellschaft profitiert. Dafür ist eine zukunftsgerichtete und innovative Forstwirtschaft unerlässlich. Und darum unterstützt der Freistaat seine Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer mit wirksamen Hilfen.“ Die Ministerin bat Özdemir, die 2023 auslaufenden Bundesmittel aus dem Waldgipfel 2019 aufzustocken und zu verstetigen, um für die kommenden Jahre die Unterstützung zu sichern. Kaniber: „Unsere Waldbesitzer und Waldbesitzerinnen betreiben Naturschutz, aber auch aktiven Waldumbau. Und den brauchen wir!“

Im Rahmen der KWF-Sonderschau auf der INTERFORST stand die Thematik „Sicher und gesund zum Zukunftswald“ im Fokus. Wie lassen sich die Wälder durch Waldumbau und Wiederaufforstung langfristig auf den Klimawandel einstellen? Die Forstpflanzenanzucht und -bereitstellung, „neue“ Baumarten, Saat- und Pflanzverfahren, Arbeitssicherheit, Ergonomie und Umweltschutz bei der Kulturbegründung, aber auch Einzelschutz und Einsatzmöglichkeiten der Digitalisierung wurden präsentiert und diskutiert.

Was zu entdecken war

Auch in diesem Jahr spielte die fortschreitende Digitalisierung in der Forstwelt, die Forstwirtschaft 4.0, wieder eine große Rolle auf der INTERFORST. Schon vor vier Jahren wurden innovative Lösungen aus diesem Bereich vorgestellt, so z. B. die Stammaufmessung mithilfe einer VR-Brille.

Martin Götz führte am Stand von Husqvarna die Motorsäge 592 XP G vor. Eine Säge, die für den Praxiseinsatz im Forst und im Baumpflegebereich entwickelt wurde.

Die Technik entwickelt sich weiter und so sind inzwischen nicht nur die fotooptische Holzpoltervermessung oder das Waldschadensmonitoring mithilfe von Satelliten- und LIDAR-Daten möglich, vielmehr lässt sich inzwischen der gesamte Arbeitsalltag digital planen, begleiten und koordinieren. Auch hinsichtlich der Waldbrandüberwachung kommen immer mehr digitale Verfahren zum Einsatz. Der Themenkomplex „Forstwirtschaft 4.0“ war deshalb wieder ein wichtiges Thema im Kongress und in den Foren in der Ausstellungshalle B 6 (s. Kasten).

Die Firma Komatsu präsentierte u. a. den kleinen und kompakten Durchforstungsforwader 825TX. Die Besonderheit: Bei der Gesamtbreite unter 3 m wies die Maschine auf der Messe eine 800er Bereifung auf.

Auch ansonsten konnte sich der Messebesucher wieder einmal über alle Bereiche der Forstpraxis informieren, Technik und Arbeitsgerät ausprobieren und sich in Sachen Arbeitssicherheit auf den neuesten Stand bringen lassen. Und natürlich war auch für Unterhaltung gesorgt. So stellten Motorsägenkünstler ihre Kunstfertigkeit auf dem Außengelände zur Schau. Außerdem zeigten Sportholzfäller auf der STIHL-Timbersports-Bühne ihr Können. Technik hautnah konnten die Messebesucherinnen und -besucher in der DLG-Arena erleben. Wer wollte, konnte dies sogar aus der Vogelperspektive tun. Hierfür stand extra eine Hubarbeitsbühne bereit, die jeden Interessierten in luftige Höhen brachte.

Auf der INTERFORST 2022 gab es auch wieder Motorsägenkunst zu bewundern. Wer hier wohl Pate gestanden hat?

„Waldwissen muss persönlich geteilt werden!“

Gerade in den großen Veränderungen der Wälder durch den Klimawandel wäre ein vermehrter Austausch unter Forstleuten regional und überregional wichtig gewesen. Corona hat dies eingeschränkt. Die INTERFORST habe es daher richtig gemacht und diese Zeit übersprungen, um der Branche nun, im gewohnten Vier-Jahres-Rhythmus, wieder eine große Plattform zu bieten, so die Veranstalter.

Hoher Besuch: Gemeinsam mit Josef Ziegler (Präsident des bayerischen Waldbesitzerverbands, r.) und Christian Kaul (Geschäftsführer PEFC Bayern, l.) informierte sich Hubert Aiwanger (Freie Wähler, M.), stellvertretender bayerischer Ministerpräsident und bayerischer Wirtschaftsminister, auf der INTERFORST auch über PEFC Deutschland.

Ralf Dreeke, Geschäftsführer der Wahlers Forsttechnik und Vorsitzender des Fachbeirates der INTERFORST, sagte: „Wir spüren es unmittelbar jeden Messetag: Die Branche will sich wieder live treffen und dazu nutzt sie die INTERFORST. Für unsere Produkte passt auch die Besucherstruktur – die Forstprofis kommen hierher.“

Unsere Kollegin Carolin Föste, Volontärin AFZ-DerWald und forstpraxis.de, ließ sich am STIHL-Stand die neue Akkusäge MSA300 erklären.

Auch Michael Liehr, Leiter Marketing bei der STIHL-Vertriebszentrale, war froh, wieder in den Austausch treten zu können: „Bereits die ersten beiden Messetage haben uns überwältigt. Die zahlreichen Besucher auf unserem Stand waren sichtlich genauso froh wie unsere Mitarbeitenden, dass wir uns endlich wieder live und in Farbe treffen konnten. Denn die Digitalisierung im Forst ist ja ein wesentliches Zukunftsthema. Die INTERFORST hat ihrem Ruf als Marktplatz damit wieder voll Rechnung getragen.“

Forstwirtschaft im Klimawandel

Die Messe zeige: Forsttechnik kann das Klima schützen – wenn sie effizient dabei hilft, klimastabile Wälder zu entwickeln und nachhaltig zu bewirtschaften. Für Dr. Reinhard Pfeiffer, Geschäftsführer der Messe München, ist „die INTERFORST in diesem Jahr eine unglaubliche Geschichte. Die Resonanz der Branche ist wirklich beeindruckend und zeigt, wie wichtig die INTERFORST in Zeiten wie diesen ist. Mit den Themen Waldumbau, Walderneuerung und Klimaschutz haben wir einen gesellschaftspolitischen Nerv getroffen. Forstwirtschaft und Forsttechnik sind enorm wichtig im Kampf gegen die Klimakrise.“

Die Sailer Baumschulen GmbH, ein familiengeführter Forstpflanzenbetrieb, stellte auf der INTERFORST neben Forstpflanzen u. a. auch ihre Wuchshülle „Dendron N“ vor.

Auch 2026 wird die INTERFORST wieder auf dem Messegelände der Messe München stattfinden, dann voraussichtlich wieder im Juli. Ein genaues Datum stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

Keine Angst vor der digitalen Welle!

Die Foren auf der INTERFORST 2022 deckten eine breite Themenpalette ab. Ob Waldbau in Zeiten des Klimawandels, eine zeitgemäße forstliche Unternehmenskommunikation oder eine effektive Unternehmens- und Führungskultur in der Arbeitsunfallprävention – die gesetzten Schwerpunkte behandelten aktuelle Frage- und Problemstellungen aus allen Bereichen der Forstwirtschaft.

Ein besonderer Fokus lag jedoch auch dieses Mal, genau wie schon vor vier Jahren, auf der Digitalisierung von Arbeitsabläufen. Neben Fragen der Digitalisierung in der angewandten Walderschließung standen nicht zuletzt digitale Verfahren im Kerngeschäft der Forstwirtschaft – der Holzernte – im Mittelpunkt. Prof. Dr. Thomas Purfürst von der Universität Freiburg stellte den aktuellen Entwicklungsstand einer „Forstwirtschaft 4.0“ in Deutschland vor. Die noch immer verbreitete Scheu vor der digitalen Technik sei seiner Meinung nach unbegründet und müsse überwunden werden. Es gehe laut Purfürst vor allem darum, den maximalen Nutzen aus den digitalen Möglichkeiten für den Wald zu ziehen. Es käme darauf an, die Arbeitsprozesse nicht einfach zu digitalisieren. Vielmehr müssten diese komplett neu (und digital) gedacht werden. Er ging sogar noch einen Schritt weiter und betonte, dass eine neue digitale Arbeitsroutine her müsse: „Wir müssen an den Punkt kommen, an dem der Forstwirt die (Verwendung von) Apps im Wald vermisst“, so Purfürst. Er appellierte daher: „Keine händische Vermessung mehr im Wald!“ Solche Arbeitsschritte müssten schnellstmöglich digitalisiert werden (z. B. über fotooptische Verfahren); der Datenaustausch sollte dabei cloudbasiert erfolgen, sodass ein Zugriff von überall her möglich werde. Hierzu seien aber noch einige Hemmnisse zu beseitigen, merkte Purfürst an, allen voran die nicht vorhandene flächige Mobilnetzabdeckung in Deutschland, die besonders bei der Arbeit in ländlichen Regionen und im Wald weiterhin erhebliche Probleme bereite.

Bertil Stapel von LogBuch (STIHL) und Karsten Kromm von der NUHN GmbH (John Deere) stellten im Anschluss digitale Verfahren für die praktische Holzernte vor. Dabei ging es zunächst um die Erfassung von Objekten – u. a. von Schadbäumen im Gelände, um diese präzise anfahren zu können, aber natürlich auch von Holzpoltern mithilfe fotooptischer Systeme. Außerdem wurden die Möglichkeiten digitalisierter Arbeitsprozesse aufgezeigt: Von der Arbeitsplanung über die Ausführung bis hin zur Nachkontrolle seien die einzelnen Arbeitsschritte bereits vollständig digital und in Echtzeit möglich.

In der abschließenden Diskussion waren sich alle einig – Referenten und Plenum – dass in der fortschreitenden Digitalisierung großes Potenzial für die Zukunft der Forstwirtschaft liege. Jedoch dürfe dabei die praktische Anwendbarkeit nicht vergessen werden.

Stellten sich der Diskussion über die „Forstwirtschaft 4.0“ (v. l.): Moderator Alexander Kaulen (KWF) zusammen mit den Referenten Prof. Dr. Thomas Purfürst, Bertil Stapel (LogBuch) und Karsten Kromm (John Deere)

Was tun, wenn’s brennt?

Die Waldbrandbekämpfung ist leider noch immer ein schwieriges Thema in Deutschland. Das stellte auch der Feuerökologe Prof. Dr. Dr. Johann Georg Goldammer aus Freiburg im Rahmen des Kongresses auf der INTERFORST 2022 fest. Es fehle an der nötigen Infrastruktur und an gut ausgebildetem Personal.

„Deutschland verfügt nicht über das, was wir über die Entwicklungshilfe andernorts in der Welt aufbauen“, so Goldammer. Ein weiteres Problem sei die Tatsache, dass Löschgerät wie Löschpanzer oder -flugzeuge nur selten angefordert werden, da sich diese nicht in öffentlicher Hand befinden. Gegenwärtig werde an alternativen Wegen in der Waldbrandbekämpfung geforscht: dem Einsatz von Gegenfeuern. Dieses Vorgehen ist bereits von vielen indigenen Völkern Nord- und Südamerikas bekannt. Heute kommen hierbei jedoch spezielle Panzer zum Einsatz, um die Gegenfeuer zu legen. Goldammer beschrieb außerdem den Lösungsansatz des Freiburger Modells. Dieses sieht die Aufstellung einer schnellen Einsatzgruppe mit geeignetem Gerät vor. Der Einsatz müsse dabei auch ohne Wasserzugang erfolgen können, z. B. mithilfe von Laubbläsern. Die eingesetzten Einsatzkräfte sollten möglichst physisch fit und gut ausgebildet sein. Wichtig sei laut Goldammer auch, dass jedes Mitglied der Einsatzgruppe auf dem gleichen Ausbildungsstand sei. Er brachte ein aktuelles Beispiel mit, brannte es doch am 18. Juli (also während der INTERFORST) unterhalb des Schauinsland bei Freiburg. Die dortige Einsatzgruppe führte die Löscharbeiten durch. Der zuständige Revierförster hatte die gleiche Ausbildung durchlaufen wie die beteiligten Kräfte der Feuerwehr. Auf diese Weise war ein koordiniertes und effektives Vorgehen auf der Fläche möglich. Schnell stellt sich hierbei jedoch die Frage nach den Kosten einer solchen Ausbildung. Goldammer klärte auf: „Eine entsprechende Ausbildung kostet auch nicht mehr als ein 15-minütiger Hubschraubereinsatz.“ Mit Blick auf die Feuerökologie meinte der Experte, dass durchgebrannte Bestände mit der Zeit zwar resilienter würden, aber nur dann, wenn diese naturnah entwickelt seien. In Monokulturen, wie z. B. in Kiefernreinbeständen, könne eine solche Resilienz nicht entstehen. Auf lange Sicht helfe nur der klimaangepasste Waldumbau hin zu gemischten und strukturreichen Beständen. Hierbei gebe es aber zu bedenken, dass dies nur mit angepassten (Reh-)Wildbeständen gelingen könne, da ansonsten der (Natur-)Verjüngungserfolg gefährdet sei. Waldflächen mit einem größtmöglichen Vorrat an Biomasse mit Blick auf Kohlenstoffspeicherung und Biodiversität (u. a. Lebensformen im Totholz) seien laut Goldammer ebenfalls nicht zielführend, da so das Risiko für unkontrollierbare Brandsituationen steige. Auch die Erholungsfunktion für den Menschen werde in solchen Beständen eingeschränkt. Hier zeichnet sich also ein Interessenkonflikt ab.

Feuerökologe Prof. Dr. Dr. Johann Georg Goldammer

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