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Arbeiten mit Motorsäge im Baum – Ergonomie, Sicherheit und Effizienz

Abb. 1: Die Motorsäge kann bei Arbeiten im Baum auf beiden Seiten des Körpers geführt werden. Nach einem sicheren Griffwechsel befindet sich die rechte Hand am vorderen Griff, die linke betätigt den Gashebel.

Schneller Überblick

  • Tophandlesägen verleiten zum einhändigen Arbeiten; das birgt ein hohes Risiko durch Schnittverletzungen;beim Schneidevorgang müssen daher beide Hände sicher an den Griffen der Säge platziert sein
  • Die beidhändige Bedienung einer Motorsäge ist keine lästige Pflicht;sie bietet die Möglichkeit, sicherer, effizienter und körperschonend durch das Arbeitsleben zu kommen
  • Griffwechsel ermöglichen Baumpflegerinnen und Baumpflegern nicht nur mehr Möglichkeiten in der Schnittführung, sondern auch mehr Ergonomie
  • Ob das Schwert der Motorsäge von links oder von rechts geführt wird, bringt gewisse Vor- und Nachteile mit sich; Gewohnheit, Sicht, Sicherheit, Effizienz und Handhabung der Säge spielen bei der Entscheidung für oder gegen einen Griffwechsel eine Rolle

In guten Ausbildungen wird der Umgang mit der Motorsäge im Einklang mit den Betriebsanleitungen der Hersteller gelehrt. Selbstverständlich nutzt auch die kleine Gruppe der Baumpflegerinnen und Baumpfleger die Motorsäge. Sie verwenden diese auch im Baum, in Kombination mit der Seilklettertechnik oder von Hebebühnen aus. Viele Hersteller haben für diesen Bereich Motorsägen konzipiert und auf den Markt gebracht, die kleiner, leichter und handlicher sind. Erreicht wird das vor allem dadurch, dass der hintere Handgriff samt Gashebel und Schaltern in eine Position mittig der Säge – nahe dem Schwerpunkt – gebracht wurde. Obwohl in den Bedienungsanleitungen ausdrücklich davor gewarnt wird, verleiten diese sogenannten Tophandlesägen dazu, mit nur einer Hand zu schneiden. Die Gefahr, sich durch einen Kickback (ungewolltes Zurückschlagen der laufenden Säge in Richtung des Bedieners) an Kopf oder Oberkörper zu verletzen oder in den freien Arm zu sägen, steigt massiv an. Leider wird die Praxis des einhändigen Schneidens gerade auf Social-Media-Kanälen häufig gezeigt und unreflektiert nachgemacht.

Dieser Artikel bietet Tipps für die sichere Handhabung der Motorsäge im Baum und soll aufzeigen, wie sich die Motorsäge mit beiden Händen bei mindestens gleicher Effizienz zum sicheren und ergonomischen Arbeiten bedienen lässt (Abb. 1). Denn die beidhändige Bedienung von Motorsägen sollte keine lästige Pflicht oder Einschränkung darstellen. Der Grundsatz: Beide Hände sind beim Schneidevorgang an den Griffen der Motorsäge; sobald die Kettenbremse eingelegt ist, kann eine Hand gelöst werden, beispielsweise um die eigene Position zu verändern, einen Keil zu setzen oder einen durch einen Stufenschnitt durchtrennten Aststummel endgültig abzubrechen und gezielt hinunterzuwerfen. Für alle Arbeiten im Baum gibt es verschiedene effiziente, sichere und schonende Techniken.

Die 3 „A“ des Abtragens

Als Erstes muss bei der Abtragung eines Baumes oder Baumteiles schon vor dem Schnitt entschieden werden, ob der Teil ungebremst zu Boden fallen soll oder nicht. Entscheidend ist hierbei vor allem die Beschaffenheit des Baumumfeldes.

Das erste „A“ ist das Abwerfen

Muss der Wurzelraum nicht geschont werden, befindet sich kein heikler Zaun oder kein Gebäude im Fallbereich? Ist also der Bereich für das Abwerfen geeignet, dann können die Stücke beim Schneiden der Schwerkraft überlassen werden. Die Schnitttechnik dient dabei der Steuerung: Stufenschnitte, Richtungskeile, Durchtrenngeschwindigkeit und Bruchleisten bringen Kontrolle.

Das zweite „A“ ist das Abseilen

Beim Abseilen wird das zu sichernde Stück an einem Seil, das durch eine höher gelegene Umlenkung läuft, befestigt. Idealerweise übernehmen Kolleginnen und Kollegen am Boden die Aufgabe des Haltens und Abseilens. Durch die Umlenkung kann systemschonend gearbeitet werden, Lastspitzen werden weitestgehend vermieden. Eine hilfreiche Variante des Abseilens bieten die verschiedenen Varianten von Speedlines.

Das dritte „A“ ist das Abriggen

Dabei befindet sich der Umlenkpunkt des Ablasssystems unter dem abzuschneidenden Stück. Wird das System dabei nicht optimal aufgebaut oder bedient, können vielfach höhere Kräfte auftreten, als das Gewicht des stufenweise abgetragenen Stückes (der Vorgang nennt sich „Rigging“) selbst beträgt. Es treten mitunter sehr hohe Lastspitzen auf.

Die Seilklettertechnik eignet sich hervorragend für die Arbeiten im Baum, um eine möglichst angenehme Position einzunehmen und sich so positionieren zu können, dass das beidhändige Arbeiten möglich ist. Ein paar Hangriffe mehr in eine saubere Körperpositionierung zu investieren, lohnt sich.

Die „Death-Zone“

Zwei Bereiche der Motorsäge bergen beim Schneiden besondere Gefahren. Zum einen der Bereich oberhalb der Kette. Vor allem beim Schneiden mit dem vorderen oberen Sektor des Schwertes kann es zum äußerst gefährlichen Kickback kommen.

Dabei verhakt sich ein Zahn der Kette im Holz und reißt das Schwert völlig unvorhersehbar und mit hoher Geschwindigkeit nach oben. Ein Unfall kann lebensgefährlich sein. Dieser Bereich oberhalb der Motorsäge kann daher als „Death-Zone“ beschrieben werden. Ohne die zweite Hand am vorderen Griff aktiviert sich die Kettenbremse oft nicht und das Schwert könnte mit laufender Kette im Schulter- oder Kopfbereich der sägenden Person landen. Derartige Unfälle sind möglich, schon mehrfach passiert und haben oft tödlich geendet. Bei der Bedienung der Säge am Boden wird deswegen gelehrt, die Maschine immer seitlich am Körper zu führen. Das ist am Baum allerdings oft nicht möglich. Umso wichtiger ist daher die zweite Hand am vorderen Griffrohr, solange geschnitten wird. Dies verkleinert die Death-Zone und verringert die Wahrscheinlichkeit für tödliche Unfälle in der Baumpflege.

Die „Eat-My-Shit-Zone“

Der andere gefährliche Bereich beim Arbeiten mit der Motorsäge im Baum befindet sich unterhalb der Kettensäge. Dort wird Schnittgut (Sägespäne) mit hoher Geschwindigkeit ausgeworfen. Sozusagen die „Eat-My-Shit-Zone“ der Baumpflegerinnen und Baumpfleger. Da mit der Säge hauptsächlich auf Bauchhöhe und häufig mit waagrechtem Schwert gearbeitet wird, kann – vor allem bei ungünstigen Windverhältnissen – der Auswurf die Sicht behindern und trotz geschlossenem Visier zu Augenverletzungen führen. Auch eine aus der Schiene gesprungene Kette oder in den Baum eingewachsene Metallteile können in diesem Bereich herausgeschleudert werden und zu Verletzungen führen.

„Die Motorsäge kann mit beiden Händen im Baum effizient, sicher und ergonomisch geführt werden.“

Christian Seibert

Griffwechsel im Baum

Erlernte Handgriffe können die Gefahren, die aus den beiden gefährlichen Zonen herrühren, minimieren. Beim Standardgriff wird die Motorsäge rechts vom Körper geführt. Die linke Hand hält den vorderen Griff hinter der Kettenbremse, das linke Handgelenk sichert diese. Die rechte Hand hält den hinteren Griff und kontrolliert den Gashebel. Die Motorsäge kann aber auch auf der linken Körperseite geführt werden. Dazu bedarf es eines Griffwechsels, sodass sich die rechte Hand am vorderen Griffrohr befindet und die linke am hinteren zum Gasgeben. Das kann bei größeren Stammdurchmessern notwendig sein, sonst würde der Motorsägenkörper die Arbeitsschritte beim Abasten im Baum behindern. Das Umgreifen ermöglicht stammparallele Schnitte. Baumpflegerinnen und Baumpfleger können außerdem ihre Körperhaltung anpassen und ihr Gewicht auf die linke Seite verlagern. Das beugt der vorzeitigen und einseitigen Ermüdung vor und stellt für den Körper aus ergonomischen Gründen einen guten Ausgleich dar.

Der „T-Griff“

Diese Handhaltung ist auch beim Arbeiten mit Tophandle-Maschinen möglich. Aufgrund der kompakten Bauweise sind die Hände und Arme näher beisammen. Nach einem Griffwechsel ergibt sich eine Handhaltung, die von oben T-förmig aussieht. Anfangs vielleicht etwas ungewohnt, bringt der T-Griff vor allem den Vorteil, dass es beim Arbeiten links vom Körper nicht zum übermäßigen Verdrehen des rechten Handgelenkes kommt (Abb. 2).

Abb. 2: Der T-Griff ermöglicht ein ergonomisches Arbeiten.

Problematik mit der Würfelhaltung

Bei Arbeiten mit der Tophandlesäge links des Stammes wird die Säge oftmals sozusagen in der „Würfelhaltung“ verwendet (Abb. 3). Diese Griffvariante mutet zwar recht ergonomisch an, dabei fehlt aber die Hand vor der Kettenbremse und die Gefahr ernsthafter Verletzungen, beispielsweise durch einen Kickback, steigt enorm. Als Lösung bietet sich auch hier ein Griffwechsel in den „T-Griff“ an.

Abb. 3: Der Würfelgriff birgt Gefahren, da die Kettenbremse im Ernstfall nicht betätigt wird. Es empfiehlt sich, in die T-Griff zu wechseln.

Der „X-Cut“

Für die Abtragung des (senkrechten) Stammes sind viele Schnitte mit waagrechtem Schwert nötig. Die wohl sicherste Haltung der waagrechten Motorsäge ist, wenn die Oberseite der Säge Richtung Oberkörper zeigt und das waagrechte Schwert leicht diagonal nach vorne steht. So bleiben Baumpflegerinnen und Baumpfleger außerhalb der „Eat-My-Shit-Zone“ und die „Death-Zone“ ist auf das kleinstmögliche Maß minimiert. Da diese Position sowohl mit nach links vorne zeigendem Schwert, als auch nach einem Griffwechsel mit nach rechts vorne zeigendem Schwert eingenommen werden kann, entsteht von oben gesehen die namengebende X-förmige Ausgangsposition (Abb. 4).

Abb. 4: Bei waagerechter Schnittführung ist der X-Cut zu empfehlen. Dabei sind Motorsäge und Körper so platziert, dass die Anwenderinnen und Anwender weder durch Späne noch durch die Motorsäge selbst übermäßig gefährdet werden.

Der „Tablett-Griff“ zum Ansetzen

Um eine kontrollierte und kraftsparende Halteposition zu erreichen, muss die vordere Hand im sogenannten Tablett-Griff positioniert werden. Gerade mit größeren, schwereren Sägen gelingt so eine präzise, waagrechte Schnittführung. Diese Griffvariante bietet neben der ergonomischen Handhabung auch die Möglichkeit, die Kettenbremse mit dem jeweiligen Unterarm zu bedienen (Abb. 5). Ist der Schnitt angesetzt und das Schwert etwa zur Hälfte im Holz, sollte auf die Oberseite des vorderen Griffes umgegriffen werden, um die Säge mit beiden Armen und mit Hilfe des Krallenanschlages in das Holz zu hebeln (Abb. 6). Prinzipiell kann auch mit Tophandle-Motorsägen auf diese Weise gearbeitet werden, nur sind aufgrund der kompakteren Bauweise die Hände und Arme näher beisammen.

Abb. 5: Bei dieser Variantes des Tablett-Griffs zeigt das Schwert nach links. Zwar wird der Schnitt unterhalb des Schwerpunktes der Säge angesetzt, die Technik erlaubt aber eine gute Sicht auf den Schnitt.

Waagrechtes Einstechen im Baum

Diese Technik stellt eine Variante des Stufenschnittes bei Stammteilen dar, die anschließend abgeworfen werden. Das Einstechen im Baum ist nur sehr erfahrenen Kolleginnen und Kollegen im Umgang mit der Motorsäge im Baum zu empfehlen. Die Technik am Boden zu beherrschen ist dafür die Grundvoraussetzung. Im Baum kann diese in der „X-Cut“-Position sowohl von links als auch von rechts durchgeführt werden. Es wird seitlich eingestochen und der Querschnitt mit der Spitze durchgesägt, bis diese auf der anderen Seite wieder austritt. Anschließend wird mit der einlaufenden Kette (Schwertunterseite) vom Körper weg durchgeschnitten.

Abb. 6: Mit dieser Variante zeigt das Schwert im Tablett-Griff nach rechts. Der Auswurf gefährdet nicht die arbeitende Person, die Sicht auf den Schnitt ist jedoch eingeschränkt und die Sägehaltung ist ungewohnt.

Danach muss die Kettenbremse eingelegt und auf die dem Körper zugewandte Seite des verbleibenden Stamm-Querschnittes gewechselt werden, um diesen 2 bis 3 cm ober- oder unterhalb des ersten Schnittes zu durchtrennen. Nach dem Sichern und Verstauen der Säge am Gurt kann das Stück gebrochen und gezielt abgeworfen werden. Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass größtenteils mit der einlaufenden Kette und in einer möglichst ergonomischen Körperhaltung gearbeitet werden kann. Wenn mit dem ersten Schnitt bereits 80 bis 90 % des Querschnittes durchtrennt werden, klappt das Stück nach dem zweiten Schnitt ein wenig vom Körper weg und schließt den Spalt. Wird dann noch ein paar Zentimeter weiter gesägt, kann sichergestellt werden, dass auch alle Fasern durchtrennt sind. Das Stück lässt sich ohne hohen Kraftaufwand brechen und abwerfen. Erfolgt der zweite Schnitt oberhalb, entsteht eine praktische Leiste, an der das nächste Stück ideal gegriffen werden kann.

Christian Seibert

ist seit 10 Jahren Ausbilder der Seilklettertechnik, lehrt Inhalte des „European Tree Worker“ sowie sichere Schnitttechniken im Baum. Er ist aktiver Anwender und Head-Trainer beim Arbor Technical Institut Kreitl. 2010 hat er sich selbständig gemacht und die Firma Baumzone, www.baumzone.at, gegründet.

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