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Spiel mir das Lied vom Borkenkäfer

Auf dem Reisigteppich einer Rückegasse fährt Sebastian Kirch mit seinem John-Deere-Harvester. Er arbeitet vom Borkenkäfer befallene Fichten auf.

Auf den Punkt

  • Harvestereinsätze durch Forstbetriebe sparen Kosten und Zeit und geben Sicherheit.
  • Über Forstbetriebsgemeinschaften können sich Landwirte kostenlos beraten lassen.
  • Förster kümmern sich außerdem um waldbauliche Entscheidungen und den Holzverkauf.

Da rollen die Maschinen an und fangen mit der Arbeit an. Die ganzen Bäume müssen raus, sonst ist es für den Wald hier aus! Wenn das so weitergeht, dann haben wir keine Fichten mehr“, tönt es zur Musik des „Wellerman“ aus der Fahrerkabine von Sebastian Kirch, dem singenden Harvesterfahrer.

Junge Eichen, von den letzten warmen Herbsttagen verfärbt, säumen den Forstweg. Grüne Fichten ohne Rinde und kahle Fichten, wie Totempfähle – darunter ein Achtrad-Harvester von John Deere mit Kirch am Steuer. Der Wald ist im Umbruch, doch hier kümmert sich jemand mit Leib und Seele. Der Waldliebhaber ist aber nicht nur für kreatives Musikmachen bekannt: Fichtenkalamitäten, also die dramatischen Waldschäden durch den Borkenkäfer, aufarbeiten und Wälder retten – das ist sein Lebenswerk. Zusammen mit Markus Wunsch, Förster bei Wald und Holz Nordrhein-Westfalen in Gemünd, hilft er vielen Privatwaldbesitzern, darunter auch Landwirten, durch Beratungen, die Aufarbeitung der Wälder und den Holzverkauf.

Helfer im Privatwald

Markus Wunsch

Der studierte Förster ist bei Wald und Holz NRW tätig. Dort berät er Waldbesitzer und betreut ihre Flächen. Rund ein Viertel der Wälder gehören Landwirten. Unter anderem hält er nebenbei Vorträge für Forstwirtschaftsstudenten.

Sebastian Kirch

Der singende Harvesterfahrer ist bekannt aus den Medien, vor allem von YouTube. Mit seinen Liedern über das Harvesterfahren und den Borkenkäfer hat er dem aktuellen Waldzustand neue Aufmerksamkeit beschert.

Förster Wunsch beschreibt, mit welchen Schäden seine Landwirte und Waldbesitzer zu kämpfen haben: „Der Grundwasserspiegel ist zum Teil 7 bis 16 m abgesunken über die letzten vier Jahre. Das hat sich natürlich auch in der Landwirtschaft katastrophal ausgewirkt.“ Der Regen in diesem Jahr habe lange nicht ausgereicht, um Böden und Bäumen wieder ausreichend Wasser zur Verfügung zu stellen. Unterhalb der oberen 40-cm-Schicht würden die Ausmaße der vergangenen dürren Sommer erst deutlich. Die Böden seien vergleichbar mit einem trockenen Schwamm, den man ins Wasser wirft. Bis der Schwamm sich vollsaugt, vergehe viel Zeit. So würden auch die Wasserspeicher des Walds viele Regengüsse brauchen, bis sie wieder ausreichend gefüllt seien und die Pflanzen versorgen könnten. Besonders hier, wo der hohe Skelettanteil die Wasserspeicherkapazität der Braunerde verringere. Widerstandskräftige Bäume brauchen etliche Liter verfügbares Wasser, um sich vor einem Schädlingsbefall zu schützen – ein Knackpunkt in Bezug auf Waldschäden und noch kommende Folgen des Klimawandels.

Wunsch betreibt Schadensbegrenzung in seinen Betreuungswäldern. Als Grundlage dessen empfindet er das gegebene Vertrauen der Waldbesitzer in seine Expertise und sein Urteil über die aktuellen Käferkalamitäten, den Waldbau und klimastabile Wälder der Zukunft. „Die Landwirte haben alle ein bisschen Ahnung, sind auch engagiert dabei und machen sich gemeinsam mit mir Gedanken, zum Beispiel über die Baumartenwahl. Sie wollen gut informiert werden. Daher nehme ich sie auch gerne mit auf die Flächen. Das Vertrauen ist aber auch da, dass ich nach einem kurzen Telefonat einfach machen darf. Die Landwirte sind im Gegenzug dazu auch die Waldbesitzer, die ihr Holz noch selbst machen.“ Und auch den Verkauf von Brennholz nehmen einige von ihnen in die Hand. Das bedeute weniger Nachfrage beim Förster – in der aktuellen Lage ein Gewinn für beide Seiten. So profitiert Wunsch auch von der Erfahrung, die langjährige Waldbesitzer und Landwirte mitbringen.

Standbein für Landwirte: Brennholz

Das sei wichtig, da die Nachfrage nach Brennholz aktuell boome. Wunschs Telefon stehe kaum still. Das Sortiment falle bei Durchforstungen an. Die Frage, in welchen Mengen das für den Wald vertretbar ist, stünde auf einem anderen Blatt. „Wir haben kaum noch Großunternehmer, die Energieholz machen, da die Herstellungskosten in dieser Gegend dafür viel zu hoch sind.“ Dennoch schwärmt Wunsch vom Brennstoff Holz und davon, dass auch er seine Stube damit warm bekäme. In flacheren Regionen sei die Energiegewinnung außerdem ein wirtschaftliches Standbein engagierter Waldbesitzer und durchaus profitabel.

Der Geruch nach frischem Holz zeigt an, dass auch hier Bäume gefällt werden. Schließlich ist das Holz der Käferfichten immer noch gutes Schnittholz und wird dringend benötigt. Der Markt habe sich stabilisiert: Nach großen Holzexporten in den letzten Jahren herrsche in einigen Sägewerken sogar Holzknappheit – eine gute Zeit für Waldbesitzer, um ihr Fichtenholz zu verkaufen. „Die Holzpreise sind jetzt auf einem Level von 2017“, ergänzt Wunsch.

Nachdem nun viele Flächen geräumt sind, möchte der Förster vor allem neuen Wald für seine Waldbesitzer aufbauen, Baumschulen konnten so weit nachrüsten, dass Bestellungen für kommende Pflanzungen wieder möglich sind, beantwortet Wunsch die Frage, ob überhaupt Ressourcen verfügbar sind, mit denen die vielen Freiflächen zeitnah aufgeforstet werden können: „Die Pflanzen sind um 30 bis 70 Prozent teurer geworden. Baumarten, die etwas klimastabiler sind oder als solche gelten, sind außerdem nach wie vor schwer zu kriegen.“ Wenn die Flächen nun alle gleichzeitig aufgeforstet würden, mutmaßt er, gäbe es deutschlandweit nicht ansatzweise genug Pflanzmaterial, was jedoch dringend nötig sei: „Mir geht es darum, dass die Flächen grün bleiben, dass hier bald wieder Wald steht.“ Dafür hilft übergangsweise die Birke, die sich fleißig verjüngt und kahle Flächen schnell zu Wald werden lässt.

Lärche, Kiefer, Hemlock-, Küsten- und Weißtanne sind Nadelbaumarten, die dann neben Fichte und Douglasie die Zukunft seien. Bei der Fichte vertraut der Förster aber auf die Naturverjüngung. „Man wird sich wundern, was die Fichte noch leisten kann, auch wenn es dann nur eine Durchmischung auf Zeit ist. Die Fichte ist robuster, als wir meinen. Ich bin überzeugt, dass sie aus wirtschaftlichen, aber auch aus ökologischen Gründen wichtig bleibt.“

Beratung bietet schnelle Hilfe

Der Schlüssel, um auch Waldbesitzern ein Gefühl für den drastischen Umbruch und die waldbaulichen Maßnahmen in ihrem Wald zu geben, sei eine gute Beratung. Der Forstbetrieb, für den Kirch tätig ist, versucht daher, seine Kunden dafür an den Förster zu verweisen.

Kirch berichtet: „Ich habe einen Freund, dessen Familie hat 4 ha Wald. Da ist aber alles kaputt. Er sagte zu mir: ,So viel Brennholz brauchen wir gar nicht. Was machen wir damit?‘ Ich habe geantwortet: ,Sprich am besten mit dem Förster. Der kann dir genau sagen, wie viel das Holz im Moment wert ist und dann komme ich mit dem Harvester und wir machen das Beste draus.‘“

Die persönliche Beratung durch Wunsch sei im Mitgliedsbeitrag der Forstbetriebsgemeinschaften enthalten. Der kostenlose Service bringe den Kunden Sicherheit.

Der Harvester brummt

Der singende Harvesterfahrer und sein brummendes Gefährt sind das ausführende Organ, nachdem der Einsatz auf den Flächen von Wunsch geplant wurde. „Mit dem Harvester schneide ich täglich zwischen 200 und 300 Festmeter Fichtenholz“, beschreibt Kirch seine Aufgabe. Diese wäre allein durch die motormanuelle Holzernte nicht zu meistern. Sie sei aber nötig, um der Käfersituation in vielen Teilen Deutschlands Herr zu werden. Man könne sich darauf verlassen.

„Wir erledigen die ganze Arbeit und wissen, was wir machen. Dabei sind wir auch schneller als Landwirte und Waldbesitzer, die selbst versuchen, ihre Fichten aufzuarbeiten. Außerdem hinterlasse ich meinen Arbeitsplatz nicht wie die Axt im Wald“, sagt Kirch. Bodenschäden entstünden bei der 24-t-schweren Maschine zwar, aber sie blieben im Rahmen, da der Harvester über die eigens ausgelegten Reisigteppiche und nur auf den dafür festgelegten Rückegassen fahre. Die acht mannshohen Räder verteilen das Gewicht der Maschine.

Neben dem Boden schone der Harvestereinsatz zusätzlich das Portemonnaie der Waldbesitzer. Ohne den Forstbetrieb sähe das anders aus. „Für den Harvester legt man schon um die 600.000 Euro hin. Das ist viel Geld!“ Der Einsatz des Harvesters wird für Waldbesitzer nach Festmeter abgerechnet. Dabei sollten sie die Kosten aber nicht scheuen.

Kirch beschreibt, warum: „Wir sehen auch Flächen, da ist 60, 70 Jahre nichts gemacht worden, aber damit ist niemandem geholfen. Die Bäume stehen zu dicht, werden ganz lang und dünn.“ Diese Bestände bekämen Probleme mit Schneebruch und Stürmen. Dort müsse dringend durchforstet werden. Finanzielle Verluste für Waldbesitzer seien das Ergebnis. Auch Schäden durch den Borkenkäfer seien oft erst auf den zweiten Blick ersichtlich. Harzfluss den Stamm hinunter kennzeichnet den Befall, genau wie grüne Nadeln am Boden und schüttere Kronen. In diesen Wäldern zu handeln, das Holz aus dem Wald zu holen, sei nötig, um die Ausbreitung des Borkenkäfers in den Griff zu bekommen. Es helfe niemandem, die Augen vor der Situation zu verschließen.

An arbeitsreichen Tagen, wie diesem am Rande der Eifel, träumt Kirch vom Heizen mit Fichtenholz und gesunden Heimatwäldern und singt sich die Sorgen weiter aus dem Leib: „Jetzt muss schnell was anderes her, sonst bleibt der Wald hier leer!“ Das möchte er, gemeinsam mit Förster Wunsch und den Waldbesitzern, verhindern. ●

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