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Wie Medien ihre Bilder machen

Rainald Becker ist seit 2016 Chefredakteur der ARD und Koordinator für Politik, Gesellschaft und Kultur in der ARD-Programmdirektion.

November 2019, kurz nach einer der mit über 15.000 Landwirten und fast 9.000 Traktoren größten Bauerndemonstrationen: Die Bilder aus Berlin sind überall in den Abendnachrichten. Die Junglandwirtin Johanna Mandelkow, damals eine Sprecherin von Land schafft Verbindung, resümierte hoffnungsvoll: „Die Politik hat erkannt, dass sie die Landwirte nicht länger ignorieren kann.“

Seitdem hat sich vieles geändert. Bauernproteste gibt es immer noch, aber Berichte über sie zur besten Sendezeit sind seltener. Es sind auch nicht mehr so viele Landwirte auf den Straßen, obwohl ihre Kritik in vielen Punkten weiterbesteht. Mandelkow ist aus Land schafft Verbindung ausgestiegen: Das Ehrenamt sei zu zeitraubend, Anfeindungen über soziale Medien hätten das Übrige getan.

Wie fair ist die Berichterstattung?

Was ist mit den Landwirten, die weiter protestieren? Eine Kritik, die etwa bei einer wesentlich kleineren Kundgebung im Januar 2021 in Berlin geäußert wurde: Die Medien, insbesondere die öffentlich-rechtlichen, wollten gar nicht fair über Bauerndemonstrationen berichten und räumten ihnen deswegen immer weniger Platz ein.

Rainald Becker, Chefredakteur der ARD, weist im Gespräch mit agrarheute die Vorwürfe zurück: „Wir hatten während der Corona-Pandemie wochen- und monatelang Bilder von Intensivstationen. Die sehen sie jetzt auch seltener. Jedes noch so starke Bild nützt sich irgendwann ab. Dennoch berichtet die ARD auf sämtlichen Ausspielwegen – hier möchte ich auch auf die regionaleren Dritten Programme verweisen – umfangreich über die Anliegen der Landwirte.“

Fakten sind der richtige Weg. Rein emotionale Appelle nützen sich schnell ab und Fake News fallen einem irgendwann auf die Füße.

Rainald Becker, ARD-Chefredakteur

Er rät Landwirten dazu, auch auf neue Bilder zu setzen. Als der Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV), Joachim Rukwied, sich beim Protest gegen das Insektenschutzgesetz hinter einen historischen Pflug gestellt habe, sei dies ein guter Weg gewesen, zu zeigen, wie hart die Arbeit der Landwirte früher war und heute noch ist. Vor der Nutzung von historisch belasteten Symbolen wie der Fahne der Landvolk-Bewegung warnt der ARD-Chefredakteur hingegen: „Man schadet sich und der Sache, für die man einsteht mehr, als man sich durch ein kleines Mehr an Aufmerksamkeit vielleicht nutzt.“ Selbst wenn die Fahne auch anders interpretiert werden könne, sei sie mittlerweile eindeutig negativ belastet.

Doch was, wenn es trotz unbelasteter, neuer Bilder keine Berichterstattung in den Abendnachrichten gibt? Becker betont, dass Nachrichtenredakteure jeden Tag aufs Neue abwägen, was wo Platz finde. Eine Garantie auf bestimmte Sendezeiten könne es nie geben. Er erinnert daran, dass die Medienvielfalt immer größer werde. Ein jüngeres Publikum erreiche man mit klassischem Fernsehen kaum noch. Landwirte sollten ihre Aufmerksamkeit zunehmend auf soziale Medien richten. Auch die ARD engagiere sich hier immer stärker.

Fakten gewinnen gegen Fake News

Aber gibt es Vorbehalte bei Journalisten gegen bäuerliche Themen? Auf eine Befragung unter ARD-Volontären angesprochen, wonach über 90 Prozent Grüne, Linkspartei oder SPD wählen würden, sagt Becker: „Mit Untersuchungen kann man alles belegen, wenn sie nicht entsprechend eingeordnet werden. Es gibt in unseren Sendeanstalten keine Vorbehalte gegen Landwirtschaftsthemen, ganz im Gegenteil.“

Die genannte Untersuchung werde in konservativen Kreisen häufiger genutzt. Allerdings seien hier gerade einmal gut die Hälfte der Volontäre befragt worden. Aussagekraft habe die Umfrage nicht. Becker betont: „Wir achten darauf, dass wir eine breite Perspektive der Meinungen darstellen – von unserem journalistischen Nachwuchs bis zum Chefredakteur.“

Als Rat für Landwirte, die mit ihren Anliegen in „das Fernsehen“ kommen wollen, gibt Becker, den Nachrichtenwert der eigenen Botschaft kritisch zu hinterfragen. Letztlich würden alle gesellschaftlichen Gruppen Gehör für ihre Anliegen suchen. Nachrichtenredakteure, egal bei welchem Medium, müssten hier jeden Tag aufs Neue abwägen, was aktuell am relevantesten sei.

Sollten bäuerliche Organisationen weniger auf Fakten und mehr auf Emotionalität bauen – wie etwa der ehemalige US-Präsident? Becker sagt klar: „Natürlich sind Fakten der richtige Weg und die Basis jeder seriösen Berichterstattung. Unsere Kernaufgabe als Journalisten ist es, sich mit Behauptungen zu beschäftigen, sie zu prüfen und darüber zu berichten. Rein emotionale Appelle nützen sich schnell ab und Fake News fallen einem irgendwann auf die Füße.“ ●

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