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Echte Weidemilch

Paul Costello ist immer nah an den Tieren und ihrer wichtigsten Futtergrundlage.

Grüne Weiden und grasende Kühe: Es könnte Werbung für irische Butter sein. Und so ganz falsch liegt man damit nicht, denn Paul Costello ist Ire und hat vieles aus seiner Heimat mitgebracht. Die Kühe stehen nicht auf der grünen Insel, sondern in Kloster Lehnin in Brandenburg. Hier hat er gemeinsam mit seinem Bruder Stephen einen Milchviehbetrieb mit 850 mel- kenden Kühen aufgebaut. Das Besondere: Die Tiere sind 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr auf der Weide. 2014 übernahm die Familie den Betrieb mit 1.100 ha Ackerland, 500 ha Grünland und 400 Holstein- Friesians, doch Herde und Ställe waren in keinem guten Zustand.

Konsequent Weide

Statt neu zu bauen, hat sie auf Weidehaltung nach irischem Vorbild gesetzt. „Wir waren davon überzeugt, dass die Bedingungen hier in Brandenburg gut sind für eine ganzjährige Weidehaltung: Die Grünlandflächen sind zu einem großen Teil in einem Niedermoorgebiet, sodass der Boden gut mit Wasser versorgt wird. Außerdem sind die Winter in Deutschland mild und trockener als in Irland, sodass die Tiere auch in dieser Jahreszeit draußen bleiben können“, erklärt Paul Costello die Gründe.

Anfang April kommen die Kälber in Großgruppen von 80 Tieren auf die Weide und werden dort mit einem Tränkewagen mit Milch versorgt.

Bis das System funktionierte, war es ein weiter Weg. Die Brüder brachten die zuvor meist extensiv genutzten Grünlandflächen wieder in einen guten Zustand. Die Flächen wurden neu mit standortangepassten und weidetauglichen Futtergräsern angesät. Außerdem bewerten sie den Grasertrag, indem sie den Aufwuchs regelmäßig messen. „Das ist eine unserer wichtigsten Managementhilfen für das Rotationsweidesystem“, sagt Paul Costello, „denn damit entscheiden wir, wo die Kühe als Nächstes weiden sollen. Sie erhalten bei uns nur jungen Aufwuchs, der maximal 15 cm hoch ist. Daher müssen wir die Herde häufig umtreiben.“ Dafür sei es wichtig, dass sie die Flächen, deren Wasserverfügbarkeit und den Aufwuchs genau kennen. Eine Übersichtskarte des arrondierten Grünlands ist daher ein weiteres wichtiges Werkzeug des Weidemenagements. Die dort eingezeichneten Koppeln sind mit Elektrozäunen umgeben und mit Tränken ausgestattet.

Holstein x Jersey

Auch die damals auf dem Betrieb vorhandene Holsteinherde passte nicht zur konsequenten Weidehaltung. „Holsteinkühe sind auf hohe Leistungen gezüchtet und brauchen dafür optimale Bedingungen in einem Stall und hohe Kraftfuttergaben. Eine reine Grasfütterung auf der Weide mit etwas Kraftfutter im Melkstand reicht für die Hochleistungstiere nicht aus“, erklärt Paul Costello. Hier konnte der Landwirt aus den Erfahrungen seiner Heimat schöpfen, denn dort gibt es Kreuzungstiere aus Holstein und Jersey schon lange. „Diese Kreuzung ist robust und an die Bedingungen der ganzjährigen Weidehaltung bestens angepasst“, erklärt der Milchviehhalter. Die Kreuzungstiere seien in der Lage, allein aus Gras Milch zu erzeugen.

Paul Costello (links) managt den Betrieb gemeinsam mit seinem Bruder Stephen.

„Sie bringen zwar nur die halbe Milchleistung einer Holsteinkuh, haben dafür aber höhere Inhaltsstoffe in der Milch und dazu noch eine längere Nutzungsdauer von durchschnittlich fünf Laktationen. Sie sind zudem bestens an eine ganzjährige Weidehaltung angepasst“, erklärt der Landwirt.

Saisonales Abkalben

Neben der Kreuzungszucht setzt Costello auf eine saisonale Abkalbung im Frühjahr. Zwischen Mitte Februar und Ende März kalben 80 Prozent der 880 Kühe auf der Weide ab. „Das ist eine unserer Arbeitsspitzen im Jahr“, sagt Paul Costello. „In dieser Zeit haben wir Unterstützung von Studenten aus Irland.“ Die Helfer werden in zwei Schichten eingeteilt und mit Quads ausgestattet. „Damit fahren sie die Koppeln ab und bringen die Kälber in den Kälberstall“.

Der Kälberstall wurde im ehemaligen Boxenlaufstall des Betriebs eingerichtet. Die Buchten für jeweils zehn Tiere werden mit Holzspänen eingestreut. „Das ist hygienischer als Stroh“, erklärt Costello. Hier bleiben die Jungtiere die ersten vier Lebenswochen und werden aus Nuckeleimern mit Vollmilch aus einem Milchtaxi versorgt. Ab Anfang April kommen die Kälber in Großgruppen von 80 Tieren auf die Weide. Hier werden sie mit einem Tränkewagen mit Milch versorgt.

Weidemilch direkt vermarktet

Das Konzept, irische Weidehaltung nach Deutschland zu bringen, ist aufgegangen, doch Paul Costello und sein Bruder Stephen wollen noch einen Schritt weitergehen. „Wir erzeugen echte Weidemilch“, sagt Paul Costello. „Jetzt wollen wir sie auch als Weidemilch direkt vermarkten.“ Wichtig ist ihnen dabei, dass sie keine Biomilch verkaufen. „Wir bieten unseren Tieren alles, was Verbraucher derzeit von der modernen Milchviehhaltung verlangen: gesunde, langlebige Tiere und eine natürliche Haltung. Wir wollen zeigen, dass eine konventionelle Landwirtschaft tiergerecht und nachhaltig sein kann“, erklärt Paul Costello.

Als die Brüder 2014 mit der Milchviehhaltung begannen, wurden sie von vielen Berufskollegen aus der Region belächelt. „Alle waren sich sicher, dass eine Milchviehhaltung nach irischem Vorbild in Deutschland nicht funktionieren kann“, sagt Costello. Er habe damals auch Sorge gehabt, ob das Konzept so gut aufgehe, doch wirklich gezweifelt habe er nie. „Das Wichtigste für unseren Erfolg ist das Wohl der Tiere“, ergänzt der Milchviehhalter. (mp) ●

Zur Person

Paul Costello ist gebürtiger Ire und kaufte 2014 gemeinsam mit seinem Bruder Stephen den Milchviehbetrieb Kloster Lehnin. Der Weg nach Deutschland wurde vom Vater vorgezeichnet. Er kaufte in den 90er-Jahren in Kloster Lehnin eine Schweinezuchtanlage. Gleichzeitig leitete er mehrere Anlagen in Irland. 2010 haben die Brüder die Schweinebetriebe des Vaters übernommen und sind anschließend in den Milchviehbereich eingestiegen. „Kein Problem“, meint Paul Costello, „Milchviehhaltung hat man als Ire im Blut.“

Paul Costello prüft das Futter oft. Das gehört zum System dazu.

Jurystimmen

„Der Landwirt setzt nicht nur ganzjährige Weidehaltung um, sondern hat das gesamte System konsequent durchdacht.“

Markus Pahlke, agrarheute

„Mit der ganzjährigen Weidehaltung erfüllt Paul Costello die Verbrauchererwartungen und hat damit wirtschaftlichen Erfolg.“

Dr. Lilian Weber, Alltech

„Paul Costello hat den Mut, etwas anders zu machen und dabei die neuen Herausforderungen anzunehmen.“

Dr. Jens Baltissen, Bundesverband Rind und Schwein (BRS)

CeresAward ‒ die Wahl zum Landwirt des Jahres

Jedes Jahr bestimmt die Fachjury in Kooperation mit agrarheute die Landwirtinnen und Landwirte des Jahres. Die Auszeichnung wird in zehn Kategorien vergeben, die das gesamte Spektrum der Landwirtschaft abbilden. Alle Informationen zum CeresAward finden Sie unter www.ceresaward.de

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