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Gärsubstrat zu Dünger

Thomas Karle ist Mitbegründer und Vorstandsvorsitzender des Elektro-CarSharing-Vereins eFüßle e. V. für die Einwohner von Füßbach.

Drei große, grüne, halbrunde Kugeln ragen in Kupferzell-Füßbach, Baden-Württemberg, in die Höhe – die Kuppeln einer Biogasanlage. Mitten drin steht Betreiber Thomas Karle, braun gebrannt, in grauer Hose und blauem Hemd. Um ihn herum herrscht geschäftiges Treiben. Seine Mitarbeiter gehen oder fahren an ihm vorbei. Motoren und Pumpen der Biogasanlagen brummen laut und stetig. Karle spricht gegen den geschäftigen Lärm: „Die Biogasanlage habe ich 2001 gebaut.“ Inzwischen hat sie eine installierte Leistung von 1.300 kWel, ist doppelt überbaut und speist den Strombedarfsorientiert mittels eines Fahrplans ein.

Durchgetaktet ist sein Betrieb, auf Effizienz getrimmt. Die zieht sich wie ein roter Faden durch alle Betriebszweige, bis in die letzte Kiste des von ihm produzierten Naturdüngers. Karle schaut stets, wo er noch besser werden kann. Für diese Kombination ist er mit dem CeresAward 2021 in der Kategorie Energielandwirt ausgezeichnet worden.

Zur Person

Der Energielandwirt Thomas Karle aus Füßbach in Baden-Württemberg betreibt Ackerbau und eine Biogasanlage mit einer installierten Leistung von 1.300 kWel. Der 56-jährige Agraringenieur ist Geschäftsführer der Agro Energie Hohenlohe GmbH & Co. KG, die den NADU-Natürdünger aus den Gärresten seiner Biogasan- lage herstellt. Den Dünger verkauft Karle über seinen Online-Shop und den Großhandel. Zudem steht auf seinem Betrieb eine Demonstrationsanlage zur Nährstoffrückgewinnung. Unterstützung auf dem Feld, an der Biogasanlage und in der Werkstatt bekommt der zweifache Familienvater von drei Mitarbeitern.

Er füttert seine Biogasanlage überwiegend mit pflanzlichen Reststoffen, wie Rückständen aus einem Gemüseverarbeitungsbetrieb, Maisstroh, Gülle, Mist etc. Die dabei entstehende Abwärme der Anlage fließt zu 100 Prozent in ein Nahwärmenetz, eine Getreide- und eine Gärprodukttrocknung.

Karle verlässt den Vorplatz der Biogasanlage und geht zu einem großen Gewächshaus. Hier hätte locker ein Basketballfeld Platz, aber hier spielt niemand. Hier wachsen nicht einmal Pflanzen. Hier trocknet Karle das Gärsubstrat für die Pelletproduktion.

Mit dem Roboter trocknen

Ein grauschwarzer Roboter, der an einen automatischen Mähroboter erinnert, zieht per Ultraschallsensorik seine Bahnen durch das Gärsubstrat und wendet es dabei. An der Decke und an den Seiten des Gewächshauses drehen sich riesige Ventilatoren, um das Substrat zu trocknen.

Sobald das Gärsubstrat einen Trockenmasseanteil von 90 Prozent hat, das dauert im Sommer rund sechs Tage und im Winter drei Wochen, geht es weiter in die Pelletpresse.

Die ist nicht weit davon entfernt in einer Halle untergebracht. Karle geht die paar Schritte und öffnet eine große Box. Hier sind sie, die dunklen Düngerpellets. Er nimmt eine Hand voll und sagt: „Das ist unser fertiger NADU-Naturdünger, der überwiegend aus Humus besteht. Die Hauptnährstoffe sind Stickstoff, Kalium und Phosphat.“ Den Dünger verkauft er in seinem eigenen Online-Shop und über Großhändler. Insgesamt produziert er 150 t Düngerpellets pro Jahr.

Die Biogasanlage des Landwirts hat eine installierte Leistung von 1.300 kWel. ist doppelt überbaut und fährt nach Fahrplan.

Karle geht in die nächste Halle. Hier kommt der Dünger in Kartons. Der Landwirt schnappt sich einen leeren und stülpt ihn über einen Holzklotz. Zack, zack und zack – fertig ist er gefaltet. „Meine Mitarbeiter und ich schaffen in einer Stunde rund 400 Kartons“, sagt der Landwirt.

So effizient geht es weiter: In der Halle hängt eine Schweinefütterungsanlage aus seinem ehemaligen Schweinestall, aber sie verteilt nicht Schweinefutter, sondern Düngerpellets. Die alte Fütterungsanlage hat Karle umgebaut und füllt damit seinen Naturdünger grammgenau in seine 2,5-kg-Kartons. „Das ist sehr wichtig für den Großhandel, denn da kommt es auf nahezu jedes Gramm an.“

Aus Marketinggründen verkauft Karle seinen Naturdünger unter dem Namen Hochbeetdünger. „Das kommt bei den Kunden besser an, als wenn man Universaldünger darauf schreibt.“ In seinem Online-Shop verkauft er den Dünger in 3 kg Plastikeimern für 13,50 Euro. „Da werde ich vielleicht auch noch auf umweltfreundliche Kartons umsteigen.“

Thomas Karle und seine Ehefrau Ute halten den aus Gärsubstrat selbst hergestellten und verpackten Naturdünger in der Hand.

Karles neuestes Projekt liegt 50 m weit weg in seinem Schweinestall. Karle geht schnellen Schrittes hinüber, zieht die Tore auf und zum Vorschein kommen keine Schweine, sondern lauter graue und weiße Fässer. Überall sind Rohre, Silos und Schaltkästen verbaut. Der ehemalige Stall steckt nun voller Hightech und beheimatet die Pilotanlage der „Agriplus Hohenlohe“. Die Anlage wandelt die Reste aus der Gärung in Phosphor-, Stickstoff- und Kalidünger um und wurde 2020 in Zusammenarbeit mit der Firma Geltz errichtet.

Fragt man Karle, ob er sich da überhaupt noch als Landwirt fühlt, antwortet er: „Klar, ich betreibe immer noch auf 110 ha Ackerbau und das mache ich gern, aber mein Betriebsschwerpunkt hat sich eben verlagert, in Richtung Erneuerbare Energien.

Wer so viele Eisen im Feuer hat, braucht Hilfe. Karle hat drei Mitarbeiter, einen für die Biogasanlage, einen für den Ackerbau und einen für die Werkstatt. „Alleine würde ich das alles gar nicht schaffen.“

Elektro-CarSharing eFüßle

Damit hält er sich auch den Rücken frei für Neues, denn er hat noch viele weitere Projekte am Laufen. Zum Beispiel ist Füßbach das erste Bioenergiedorf Nordwürttembergs. 2011 war Karle Mitinitiator und Vorstandsvorsitzender des Vereins eFüßle e. V., ein gemeinsames Elektro-CarSharing-Projekt der Einwohner von Füßbach.

Außerdem hat er seit 2019 eine Organic Rankine Cycle(ORC)-Anlage, die überschüssige Blockheizkraftwerk(BHKW)-Abwärme in Strom umwandelt (siehe Beitrag „Boni, Bitte“ in der aktuellen Ausgabe von agrarheute Energie ab Seite 22). Man darf gespannt sein, was als Nächstes kommt. ●

Jurystimmen

„Neue Ideen schrecken ihn nicht ab, sondern motivieren ihn, immer wieder Neues auszuprobieren.“

Nicolette Emmerich, agrarheute

„Thomas Karle hat ein von A bis Z durchdachtes und nachhaltiges Erneuerbare-Energien-Konzept auf seinem Betrieb.“

Dr. Matthias Baum, R+V Allgemeine Versicherung

„Die Begeisterung des Landwirts für Innovationen und seine Arbeit sind beeindruckend.“

Bettina Bischof, Agentur für Erneuerbare Energien

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